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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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wohl glauben, daß, so bald sich die verlohrnen
Kräffte wieder eingestellet, ich nicht allein mein
gethanes Gelübde vergessen, sondern mir auch nicht
das geringste Gewissen gemacht hätte, die vorige
Lebens-Art wiederum zu ergreiffen?

Unter andern gerieth ich mit einem sehr artigen
Frantzosen in Bekandtschafft, der sich La Rosee
nennete, und wie ich merckte, die Spiel-Künste
ungemein wohl verstund, derowegen hütete mich
ihm keinen Verdruß, mir aber keinen Schaden zu-
zuziehen, nicht zwar aus einiger Furcht, sondern
weil ich diesem Menschen, unwissend warum, ge-
wogen seyn muste. Er im Gegentheil vermerckte
bey mir gnugsame Hertzhafftigkeit, zugleich auch,
daß ich seine künstlichen Streiche guten Theils ab-
gemerckt, dem ohngeacht die Gefälligkeit vor ihn
gehabt, und stille geschwiegen hatte. Derowegen
suchte er mir bey andern Gelegenheiten allerhand
Vergnügen zu machen, tractirte mich öffters in sei-
nem Logis mit den herrlichsten Delicatessen, und
ich bewirthete ihn gleichfalls öffters in meinem
Hause, worbey er mir zu vernehmen gab: Wie
er die stärckste Anwartung auf einen Officiers-
Dienst in einer benachbarten Guarnison hätte, und
mich zugleich bereden wolte, ebenfalls Dienste un-
ter der Miliz zu suchen, allein ich zuckte die Achseln
hierzu, und sagte, daß, wenn mir mein freyer und
ungebundener Stand nicht lieber gewesen, ich schon
vorlängst unter den Käyserl. Trouppen eine Com-
pagnie
haben können. Hierauf sprach er: Ja,
Monsieur, es wäre mir zwar auch also zu Muthe,
allein, wo wollen die Mittel allezeit herkommen?

Monsieur,

wohl glauben, daß, ſo bald ſich die verlohrnen
Kraͤffte wieder eingeſtellet, ich nicht allein mein
gethanes Geluͤbde vergeſſen, ſondern mir auch nicht
das geringſte Gewiſſen gemacht haͤtte, die vorige
Lebens-Art wiederum zu ergreiffen?

Unter andern gerieth ich mit einem ſehr artigen
Frantzoſen in Bekandtſchafft, der ſich La Roſée
nennete, und wie ich merckte, die Spiel-Kuͤnſte
ungemein wohl verſtund, derowegen huͤtete mich
ihm keinen Verdruß, mir aber keinen Schaden zu-
zuziehen, nicht zwar aus einiger Furcht, ſondern
weil ich dieſem Menſchen, unwiſſend warum, ge-
wogen ſeyn muſte. Er im Gegentheil vermerckte
bey mir gnugſame Hertzhafftigkeit, zugleich auch,
daß ich ſeine kuͤnſtlichen Streiche guten Theils ab-
gemerckt, dem ohngeacht die Gefaͤlligkeit vor ihn
gehabt, und ſtille geſchwiegen hatte. Derowegen
ſuchte er mir bey andern Gelegenheiten allerhand
Vergnuͤgen zu machen, tractirte mich oͤffters in ſei-
nem Logis mit den herrlichſten Delicateſſen, und
ich bewirthete ihn gleichfalls oͤffters in meinem
Hauſe, worbey er mir zu vernehmen gab: Wie
er die ſtaͤrckſte Anwartung auf einen Officiers-
Dienſt in einer benachbarten Guarniſon haͤtte, und
mich zugleich bereden wolte, ebenfalls Dienſte un-
ter der Miliz zu ſuchen, allein ich zuckte die Achſeln
hierzu, und ſagte, daß, wenn mir mein freyer und
ungebundener Stand nicht lieber geweſen, ich ſchon
vorlaͤngſt unter den Kaͤyſerl. Trouppen eine Com-
pagnie
haben koͤnnen. Hierauf ſprach er: Ja,
Monſieur, es waͤre mir zwar auch alſo zu Muthe,
allein, wo wollen die Mittel allezeit herkommen?

Monſieur,
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[382/0396] wohl glauben, daß, ſo bald ſich die verlohrnen Kraͤffte wieder eingeſtellet, ich nicht allein mein gethanes Geluͤbde vergeſſen, ſondern mir auch nicht das geringſte Gewiſſen gemacht haͤtte, die vorige Lebens-Art wiederum zu ergreiffen? Unter andern gerieth ich mit einem ſehr artigen Frantzoſen in Bekandtſchafft, der ſich La Roſée nennete, und wie ich merckte, die Spiel-Kuͤnſte ungemein wohl verſtund, derowegen huͤtete mich ihm keinen Verdruß, mir aber keinen Schaden zu- zuziehen, nicht zwar aus einiger Furcht, ſondern weil ich dieſem Menſchen, unwiſſend warum, ge- wogen ſeyn muſte. Er im Gegentheil vermerckte bey mir gnugſame Hertzhafftigkeit, zugleich auch, daß ich ſeine kuͤnſtlichen Streiche guten Theils ab- gemerckt, dem ohngeacht die Gefaͤlligkeit vor ihn gehabt, und ſtille geſchwiegen hatte. Derowegen ſuchte er mir bey andern Gelegenheiten allerhand Vergnuͤgen zu machen, tractirte mich oͤffters in ſei- nem Logis mit den herrlichſten Delicateſſen, und ich bewirthete ihn gleichfalls oͤffters in meinem Hauſe, worbey er mir zu vernehmen gab: Wie er die ſtaͤrckſte Anwartung auf einen Officiers- Dienſt in einer benachbarten Guarniſon haͤtte, und mich zugleich bereden wolte, ebenfalls Dienſte un- ter der Miliz zu ſuchen, allein ich zuckte die Achſeln hierzu, und ſagte, daß, wenn mir mein freyer und ungebundener Stand nicht lieber geweſen, ich ſchon vorlaͤngſt unter den Kaͤyſerl. Trouppen eine Com- pagnie haben koͤnnen. Hierauf ſprach er: Ja, Monſieur, es waͤre mir zwar auch alſo zu Muthe, allein, wo wollen die Mittel allezeit herkommen? Monſieur,

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/396>, abgerufen am 27.11.2024.