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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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Es schien, als ob ich zum Müller gebohren wäre,
denn das Handwerck kam mir gantz und gar nicht
sauer zu lernen an, noch weniger aber die Kunst
mit dem Zirckel und andern Bau-Instrumenten
umzugehen. Hierbey hatte mich die Natur mit
einer ausserordentlichen Stärcke begabt, so, daß
ich schon in meinem 16ten Jahre, fast mehr heben
und tragen konte, als zwey andere Kerls. Eins-
mahls machte sich ein grosser Baum-starcker Mühl-
Pursche breit darmit, daß er in jeder Hand ein
anderthalb Centner-Stücke auf einmahl in die
Höhe heben könte, ich aber that ihm nicht allein
dieses gleich auf der Stelle nach, sondern hub noch
zugleich das dritte mit den Zähnen auf, nachdem
ich nur ein wenig Leinewand um den Rincken ge-
wickelt hatte, welches aber der Baum-starcke Kerl
unterwegs lassen mußte. Andere dergleichen Pro-
ben will ich nicht erwehnen, denn es ist aus diesem
eintzigen schon zu mercken, daß ich eine ziemliche
Force, und zwar in so jungen Jahren, gehabt ha-
ben müsse, welche sich nachhero, da ich etwas mehr
Geschicke kriegte, und hinter ein und andere Vor-
theile kam, dergestalt vermehrete, daß ich in selbi-
ger Gegend ziemlich berühmt wurde. Nachdem
aber mein neunzehentes Jahr verstrichen war, ließ
ich mich nicht länger aufhalten, dem Wasser nach-
zulauffen, nahm also von meinem Vetter, wie
auch von der Mutter und dem murrischen Stief-
Vater Abschied, und reisete nebst zwey andern
Mühl-Purschen fort. Weil ein jeder unter uns
mehr als 12. Thlr. Geld im Schubsacke hatte, war
unsere Meinung, nicht so gleich Arbeit zu suchen,

sondern

Es ſchien, als ob ich zum Muͤller gebohren waͤre,
denn das Handwerck kam mir gantz und gar nicht
ſauer zu lernen an, noch weniger aber die Kunſt
mit dem Zirckel und andern Bau-Inſtrumenten
umzugehen. Hierbey hatte mich die Natur mit
einer auſſerordentlichen Staͤrcke begabt, ſo, daß
ich ſchon in meinem 16ten Jahre, faſt mehr heben
und tragen konte, als zwey andere Kerls. Eins-
mahls machte ſich ein groſſer Baum-ſtarcker Muͤhl-
Purſche breit darmit, daß er in jeder Hand ein
anderthalb Centner-Stuͤcke auf einmahl in die
Hoͤhe heben koͤnte, ich aber that ihm nicht allein
dieſes gleich auf der Stelle nach, ſondern hub noch
zugleich das dritte mit den Zaͤhnen auf, nachdem
ich nur ein wenig Leinewand um den Rincken ge-
wickelt hatte, welches aber der Baum-ſtarcke Kerl
unterwegs laſſen mußte. Andere dergleichen Pro-
ben will ich nicht erwehnen, denn es iſt aus dieſem
eintzigen ſchon zu mercken, daß ich eine ziemliche
Forçe, und zwar in ſo jungen Jahren, gehabt ha-
ben muͤſſe, welche ſich nachhero, da ich etwas mehr
Geſchicke kriegte, und hinter ein und andere Vor-
theile kam, dergeſtalt vermehrete, daß ich in ſelbi-
ger Gegend ziemlich beruͤhmt wurde. Nachdem
aber mein neunzehentes Jahr verſtrichen war, ließ
ich mich nicht laͤnger aufhalten, dem Waſſer nach-
zulauffen, nahm alſo von meinem Vetter, wie
auch von der Mutter und dem murriſchen Stief-
Vater Abſchied, und reiſete nebſt zwey andern
Muͤhl-Purſchen fort. Weil ein jeder unter uns
mehr als 12. Thlr. Geld im Schubſacke hatte, war
unſere Meinung, nicht ſo gleich Arbeit zu ſuchen,

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[364/0378] Es ſchien, als ob ich zum Muͤller gebohren waͤre, denn das Handwerck kam mir gantz und gar nicht ſauer zu lernen an, noch weniger aber die Kunſt mit dem Zirckel und andern Bau-Inſtrumenten umzugehen. Hierbey hatte mich die Natur mit einer auſſerordentlichen Staͤrcke begabt, ſo, daß ich ſchon in meinem 16ten Jahre, faſt mehr heben und tragen konte, als zwey andere Kerls. Eins- mahls machte ſich ein groſſer Baum-ſtarcker Muͤhl- Purſche breit darmit, daß er in jeder Hand ein anderthalb Centner-Stuͤcke auf einmahl in die Hoͤhe heben koͤnte, ich aber that ihm nicht allein dieſes gleich auf der Stelle nach, ſondern hub noch zugleich das dritte mit den Zaͤhnen auf, nachdem ich nur ein wenig Leinewand um den Rincken ge- wickelt hatte, welches aber der Baum-ſtarcke Kerl unterwegs laſſen mußte. Andere dergleichen Pro- ben will ich nicht erwehnen, denn es iſt aus dieſem eintzigen ſchon zu mercken, daß ich eine ziemliche Forçe, und zwar in ſo jungen Jahren, gehabt ha- ben muͤſſe, welche ſich nachhero, da ich etwas mehr Geſchicke kriegte, und hinter ein und andere Vor- theile kam, dergeſtalt vermehrete, daß ich in ſelbi- ger Gegend ziemlich beruͤhmt wurde. Nachdem aber mein neunzehentes Jahr verſtrichen war, ließ ich mich nicht laͤnger aufhalten, dem Waſſer nach- zulauffen, nahm alſo von meinem Vetter, wie auch von der Mutter und dem murriſchen Stief- Vater Abſchied, und reiſete nebſt zwey andern Muͤhl-Purſchen fort. Weil ein jeder unter uns mehr als 12. Thlr. Geld im Schubſacke hatte, war unſere Meinung, nicht ſo gleich Arbeit zu ſuchen, ſondern

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/378>, abgerufen am 25.11.2024.