Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

stig gemacht hatte, und zwar unter dem Scheine,
daß er ihr die Jrrthümer der Römischen Kirche ent-
decken wollen, allein, er hatte ihr unter solchem
Deck-Mantel, seine Liebe entdeckt, und meine Lieb-
ste, als eine von Jugend auf delicat erzogene Per-
son, war freylich eben nicht zu verdencken, daß sie
sich von einem reichen Priesters-Sohne, der eben
im Begriff war, seinem Vater substituirt zu wer-
den, einnehmen lassen, da er ohnedem vor einen
sehr ansehnlichen Menschen passiren konte. Der
listige Betrug biß mich zwar immer noch am Her-
tzen, allein, was war nunmehro besser zu thun, als
sich in die Zeit zu schicken? Demnach konte ich ih-
ren unabläßigen Nöthigen endlich keinen fernern
Widerstand thun, sondern ließ mich von diesen
beyden Ehe-Leuten, an beyden Händen in ihr Haus
führen.

Man bedencke, was dergleichen Aufzug, wenn
nemlich ein ansehnlicher Priester, nebst seiner schö-
nen Ehe-Frau, einen jämmerlich zerlumpten Hand-
wercks-Purschen, ja besser gesagt, Bettler, bey den
Händen in ihr Haus einführen, vor ein Aufsehen
in einem sehr volckreichen Dorffe machen kan. Jch
schämete mich mehr als sie selbsten, allein versichert,
solche Humanite veränderte mein Gemüthe derge-
stalt, daß ich allen Kummer und Verdruß schwin-
den ließ, und zu ihrer vergnügten Ehe, aus getreuen
Hertzen gratulirte, und mich glücklich schätzte, ein
Werckzeug zum Wohlstande solcher Personen ge-
wesen zu seyn.

Jch will, um fernere Weitläufftigkeit zu vermei-
den, nicht anführen, wie die Gespräche unter uns

gefal-

ſtig gemacht hatte, und zwar unter dem Scheine,
daß er ihr die Jrrthuͤmer der Roͤmiſchen Kirche ent-
decken wollen, allein, er hatte ihr unter ſolchem
Deck-Mantel, ſeine Liebe entdeckt, und meine Lieb-
ſte, als eine von Jugend auf delicat erzogene Per-
ſon, war freylich eben nicht zu verdencken, daß ſie
ſich von einem reichen Prieſters-Sohne, der eben
im Begriff war, ſeinem Vater ſubſtituirt zu wer-
den, einnehmen laſſen, da er ohnedem vor einen
ſehr anſehnlichen Menſchen paſſiren konte. Der
liſtige Betrug biß mich zwar immer noch am Her-
tzen, allein, was war nunmehro beſſer zu thun, als
ſich in die Zeit zu ſchicken? Demnach konte ich ih-
ren unablaͤßigen Noͤthigen endlich keinen fernern
Widerſtand thun, ſondern ließ mich von dieſen
beyden Ehe-Leuten, an beyden Haͤnden in ihr Haus
fuͤhren.

Man bedencke, was dergleichen Aufzug, wenn
nemlich ein anſehnlicher Prieſter, nebſt ſeiner ſchoͤ-
nen Ehe-Frau, einen jaͤmmerlich zerlumpten Hand-
wercks-Purſchen, ja beſſer geſagt, Bettler, bey den
Haͤnden in ihr Haus einfuͤhren, vor ein Aufſehen
in einem ſehr volckreichen Dorffe machen kan. Jch
ſchaͤmete mich mehr als ſie ſelbſten, allein verſichert,
ſolche Humanité veraͤnderte mein Gemuͤthe derge-
ſtalt, daß ich allen Kummer und Verdruß ſchwin-
den ließ, und zu ihrer vergnuͤgten Ehe, aus getreuen
Hertzen gratulirte, und mich gluͤcklich ſchaͤtzte, ein
Werckzeug zum Wohlſtande ſolcher Perſonen ge-
weſen zu ſeyn.

Jch will, um fernere Weitlaͤufftigkeit zu vermei-
den, nicht anfuͤhren, wie die Geſpraͤche unter uns

gefal-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0372" n="358"/>
&#x017F;tig gemacht hatte, und zwar unter dem Scheine,<lb/>
daß er ihr die Jrrthu&#x0364;mer der Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Kirche ent-<lb/>
decken wollen, allein, er hatte ihr unter &#x017F;olchem<lb/>
Deck-Mantel, &#x017F;eine Liebe entdeckt, und meine Lieb-<lb/>
&#x017F;te, als eine von Jugend auf <hi rendition="#aq">delicat</hi> erzogene Per-<lb/>
&#x017F;on, war freylich eben nicht zu verdencken, daß &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich von einem reichen Prie&#x017F;ters-Sohne, der eben<lb/>
im Begriff war, &#x017F;einem Vater <hi rendition="#aq">&#x017F;ub&#x017F;titui</hi>rt zu wer-<lb/>
den, einnehmen la&#x017F;&#x017F;en, da er ohnedem vor einen<lb/>
&#x017F;ehr an&#x017F;ehnlichen Men&#x017F;chen <hi rendition="#aq">pa&#x017F;&#x017F;ir</hi>en konte. Der<lb/>
li&#x017F;tige Betrug biß mich zwar immer noch am Her-<lb/>
tzen, allein, was war nunmehro be&#x017F;&#x017F;er zu thun, als<lb/>
&#x017F;ich in die Zeit zu &#x017F;chicken? Demnach konte ich ih-<lb/>
ren unabla&#x0364;ßigen No&#x0364;thigen endlich keinen fernern<lb/>
Wider&#x017F;tand thun, &#x017F;ondern ließ mich von die&#x017F;en<lb/>
beyden Ehe-Leuten, an beyden Ha&#x0364;nden in ihr Haus<lb/>
fu&#x0364;hren.</p><lb/>
          <p>Man bedencke, was dergleichen Aufzug, wenn<lb/>
nemlich ein an&#x017F;ehnlicher Prie&#x017F;ter, neb&#x017F;t &#x017F;einer &#x017F;cho&#x0364;-<lb/>
nen Ehe-Frau, einen ja&#x0364;mmerlich zerlumpten Hand-<lb/>
wercks-Pur&#x017F;chen, ja be&#x017F;&#x017F;er ge&#x017F;agt, Bettler, bey den<lb/>
Ha&#x0364;nden in ihr Haus einfu&#x0364;hren, vor ein Auf&#x017F;ehen<lb/>
in einem &#x017F;ehr volckreichen Dorffe machen kan. Jch<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;mete mich mehr als &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;ten, allein ver&#x017F;ichert,<lb/>
&#x017F;olche <hi rendition="#aq">Humanité</hi> vera&#x0364;nderte mein Gemu&#x0364;the derge-<lb/>
&#x017F;talt, daß ich allen Kummer und Verdruß &#x017F;chwin-<lb/>
den ließ, und zu ihrer vergnu&#x0364;gten Ehe, aus getreuen<lb/>
Hertzen <hi rendition="#aq">gratuli</hi>rte, und mich glu&#x0364;cklich &#x017F;cha&#x0364;tzte, ein<lb/>
Werckzeug zum Wohl&#x017F;tande &#x017F;olcher Per&#x017F;onen ge-<lb/>
we&#x017F;en zu &#x017F;eyn.</p><lb/>
          <p>Jch will, um fernere Weitla&#x0364;ufftigkeit zu vermei-<lb/>
den, nicht anfu&#x0364;hren, wie die Ge&#x017F;pra&#x0364;che unter uns<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gefal-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[358/0372] ſtig gemacht hatte, und zwar unter dem Scheine, daß er ihr die Jrrthuͤmer der Roͤmiſchen Kirche ent- decken wollen, allein, er hatte ihr unter ſolchem Deck-Mantel, ſeine Liebe entdeckt, und meine Lieb- ſte, als eine von Jugend auf delicat erzogene Per- ſon, war freylich eben nicht zu verdencken, daß ſie ſich von einem reichen Prieſters-Sohne, der eben im Begriff war, ſeinem Vater ſubſtituirt zu wer- den, einnehmen laſſen, da er ohnedem vor einen ſehr anſehnlichen Menſchen paſſiren konte. Der liſtige Betrug biß mich zwar immer noch am Her- tzen, allein, was war nunmehro beſſer zu thun, als ſich in die Zeit zu ſchicken? Demnach konte ich ih- ren unablaͤßigen Noͤthigen endlich keinen fernern Widerſtand thun, ſondern ließ mich von dieſen beyden Ehe-Leuten, an beyden Haͤnden in ihr Haus fuͤhren. Man bedencke, was dergleichen Aufzug, wenn nemlich ein anſehnlicher Prieſter, nebſt ſeiner ſchoͤ- nen Ehe-Frau, einen jaͤmmerlich zerlumpten Hand- wercks-Purſchen, ja beſſer geſagt, Bettler, bey den Haͤnden in ihr Haus einfuͤhren, vor ein Aufſehen in einem ſehr volckreichen Dorffe machen kan. Jch ſchaͤmete mich mehr als ſie ſelbſten, allein verſichert, ſolche Humanité veraͤnderte mein Gemuͤthe derge- ſtalt, daß ich allen Kummer und Verdruß ſchwin- den ließ, und zu ihrer vergnuͤgten Ehe, aus getreuen Hertzen gratulirte, und mich gluͤcklich ſchaͤtzte, ein Werckzeug zum Wohlſtande ſolcher Perſonen ge- weſen zu ſeyn. Jch will, um fernere Weitlaͤufftigkeit zu vermei- den, nicht anfuͤhren, wie die Geſpraͤche unter uns gefal-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/372
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/372>, abgerufen am 25.11.2024.