einer solchen Stadt, wo sich viel Studenten befan- den. Der Abschied, welchen die zwey Closter- Schwestern von einander nahmen, war ungemein zärtlich, denn solchergestalt solten sie sehr weit von einander zu wohnen kommen, weil aber ich mit mei- nem guten Freunde die Abrede genommen, an selbi- gem Orte so lange zu verweilen, bis unsere, bey dessen Anverwandten eingesetzten Sachen ankämen, und man ihm seinen Coffre nach schickte, bewegte mich meine Liebste selbst öffters zu einem Spatzier-Gan- ge, worbey sie nicht selten wünschte, bereits an Ort und Stelle zu seyn, damit wir uns ordentlich copu- liren lassen, und die Haushaltung ansangen könten, inzwischen aber war sie dermassen eigensinnig, daß mir mit guten Willen niemahls erlaubt wurde, sie als meine verlobte Braut auf den Mund zu küssen, sondern sie sprach beständig, dergleichen Caressen gehöreten sich nicht ehe anzustellen, als nach besche- hener Copulation.
Mittlerweile traff ich von ohngefehr einen ehe- mahligen Neben-Gesellen an, welcher in dieser Stadt Meister geworden, und eine reiche Heyrath getroffen hatte, derselbe ließ nicht ab, bis ich ver- sprach, folgenden Abend sein Gast zu seyn. Meine Liebste erlaubte mir dieses, da ich aber bey guter Zeit wieder in unser Logis kam, traff ich sie mit einem schwartz gekleideten Menschen, der sehr wohl aussa- he, in eiffrigen Gespräch, bey einem kleinen Neben- Tische sitzend an, ohngeachtet nun noch etliche Per- sonen in der Stube gegenwärtig waren, so ent- färbte sich doch meine Liebste ziemlich bey meiner An- kunfft, jedoch ich gab ihr die freundlichsten Minen,
bat
einer ſolchen Stadt, wo ſich viel Studenten befan- den. Der Abſchied, welchen die zwey Cloſter- Schweſtern von einander nahmen, war ungemein zaͤrtlich, denn ſolchergeſtalt ſolten ſie ſehr weit von einander zu wohnen kommen, weil aber ich mit mei- nem guten Freunde die Abrede genommen, an ſelbi- gem Orte ſo lange zu verweilen, bis unſere, bey deſſen Anverwandten eingeſetzten Sachen ankaͤmen, und man ihm ſeinen Coffre nach ſchickte, bewegte mich meine Liebſte ſelbſt oͤffters zu einem Spatzier-Gan- ge, worbey ſie nicht ſelten wuͤnſchte, bereits an Ort und Stelle zu ſeyn, damit wir uns ordentlich copu- liren laſſen, und die Haushaltung anſangen koͤnten, inzwiſchen aber war ſie dermaſſen eigenſinnig, daß mir mit guten Willen niemahls erlaubt wurde, ſie als meine verlobte Braut auf den Mund zu kuͤſſen, ſondern ſie ſprach beſtaͤndig, dergleichen Careſſen gehoͤreten ſich nicht ehe anzuſtellen, als nach beſche- hener Copulation.
Mittlerweile traff ich von ohngefehr einen ehe- mahligen Neben-Geſellen an, welcher in dieſer Stadt Meiſter geworden, und eine reiche Heyrath getroffen hatte, derſelbe ließ nicht ab, bis ich ver- ſprach, folgenden Abend ſein Gaſt zu ſeyn. Meine Liebſte erlaubte mir dieſes, da ich aber bey guter Zeit wieder in unſer Logis kam, traff ich ſie mit einem ſchwartz gekleideten Menſchen, der ſehr wohl ausſa- he, in eiffrigen Geſpraͤch, bey einem kleinen Neben- Tiſche ſitzend an, ohngeachtet nun noch etliche Per- ſonen in der Stube gegenwaͤrtig waren, ſo ent- faͤrbte ſich doch meine Liebſte ziemlich bey meiner An- kunfft, jedoch ich gab ihr die freundlichſten Minen,
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einer ſolchen Stadt, wo ſich viel Studenten befan-
den. Der Abſchied, welchen die zwey Cloſter-
Schweſtern von einander nahmen, war ungemein
zaͤrtlich, denn ſolchergeſtalt ſolten ſie ſehr weit von
einander zu wohnen kommen, weil aber ich mit mei-
nem guten Freunde die Abrede genommen, an ſelbi-
gem Orte ſo lange zu verweilen, bis unſere, bey deſſen
Anverwandten eingeſetzten Sachen ankaͤmen, und
man ihm ſeinen Coffre nach ſchickte, bewegte mich
meine Liebſte ſelbſt oͤffters zu einem Spatzier-Gan-
ge, worbey ſie nicht ſelten wuͤnſchte, bereits an Ort
und Stelle zu ſeyn, damit wir uns ordentlich copu-
liren laſſen, und die Haushaltung anſangen koͤnten,
inzwiſchen aber war ſie dermaſſen eigenſinnig, daß
mir mit guten Willen niemahls erlaubt wurde, ſie
als meine verlobte Braut auf den Mund zu kuͤſſen,
ſondern ſie ſprach beſtaͤndig, dergleichen Careſſen
gehoͤreten ſich nicht ehe anzuſtellen, als nach beſche-
hener Copulation.
Mittlerweile traff ich von ohngefehr einen ehe-
mahligen Neben-Geſellen an, welcher in dieſer
Stadt Meiſter geworden, und eine reiche Heyrath
getroffen hatte, derſelbe ließ nicht ab, bis ich ver-
ſprach, folgenden Abend ſein Gaſt zu ſeyn. Meine
Liebſte erlaubte mir dieſes, da ich aber bey guter Zeit
wieder in unſer Logis kam, traff ich ſie mit einem
ſchwartz gekleideten Menſchen, der ſehr wohl ausſa-
he, in eiffrigen Geſpraͤch, bey einem kleinen Neben-
Tiſche ſitzend an, ohngeachtet nun noch etliche Per-
ſonen in der Stube gegenwaͤrtig waren, ſo ent-
faͤrbte ſich doch meine Liebſte ziemlich bey meiner An-
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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/365>, abgerufen am 28.11.2024.
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