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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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geschehen kan, wenn sie selbsten etwas Liebes weiß-
Ach mein Freund, gab ich zur Antwort, mein Her-
tze brennet vor Liebe lichterloh, allein ich zweifele
sehr, daß mich die schöne Nonne zu ihrem Liebsten
annehmen möchte, denn sie scheinet mir, ihrer Geber-
den wegen, von etwas hohen Sinnen und vorneh-
men Stande zu seyn. Schweiget von diesen, versetz-
te mein Geferte, ich weiß es besser, sie ist zwar eines
Patricii Tochter, aber wegen der vielen Geschwister
und unzulänglicher Mittel, von ihrer Mutter nach
dem Tode des Vaters mit Gewalt ins Closter ge-
steckt worden. Ach, ach! fuhr er fort, die Liebe zur
Freyheit, und anderthalb Centnern Manns-Fleische,
kan ein Frauenzimmer leicht dahin bringen, die Ei-
telkeiten eines etwas höhern Standes hindan zuse-
tzen, und einen ansehnlichen rechtschaffenen Kerl, der
seine Profession aus dem Grunde verstehet, zu heyra-
then, über dieses weiß ich gewiß, daß sie zum wenig-
sten auf die 300. spec. Thaler am Gelde und kostba-
ren Geschmeide haben wird, welches, wenn wir Ge-
legenheit zur Flucht finden können, durch kluge List
leichtlich mit fortzuschaffen ist. Ach, sprach ich, wenn
ich nur die Personerstlich in meiner Heymath hätte,
ich würde mir wenig oder nichts aus dem Heyraths-
Guthe machen, weil ich zu meinem Anfange schon
Geld genug weiß.

Jndem ich ferner reden wolte, wurde die hinter-
ste Thür, welche aus dem Closter aufs Orgel-Chor
führete, geöffnet, weßwegen wir uns sehr stille hiel-
ten, und endlich mit zitterenden Freuden unsere bey-
de Geliebte ankommen sahen. Sie machten sich
alle beyde über das Clavicien her, und stimmeten

dassel-

geſchehen kan, wenn ſie ſelbſten etwas Liebes weiß-
Ach mein Freund, gab ich zur Antwort, mein Her-
tze brennet vor Liebe lichterloh, allein ich zweifele
ſehr, daß mich die ſchoͤne Nonne zu ihrem Liebſten
annehmen moͤchte, denn ſie ſcheinet mir, ihrer Geber-
den wegen, von etwas hohen Sinnen und vorneh-
men Stande zu ſeyn. Schweiget von dieſen, verſetz-
te mein Geferte, ich weiß es beſſer, ſie iſt zwar eines
Patricii Tochter, aber wegen der vielen Geſchwiſter
und unzulaͤnglicher Mittel, von ihrer Mutter nach
dem Tode des Vaters mit Gewalt ins Cloſter ge-
ſteckt worden. Ach, ach! fuhr er fort, die Liebe zur
Freyheit, und anderthalb Centnern Manns-Fleiſche,
kan ein Frauenzimmer leicht dahin bringen, die Ei-
telkeiten eines etwas hoͤhern Standes hindan zuſe-
tzen, und einen anſehnlichen rechtſchaffenen Kerl, der
ſeine Profeſſion aus dem Grunde verſtehet, zu heyra-
then, uͤber dieſes weiß ich gewiß, daß ſie zum wenig-
ſten auf die 300. ſpec. Thaler am Gelde und koſtba-
ren Geſchmeide haben wird, welches, wenn wir Ge-
legenheit zur Flucht finden koͤnnen, durch kluge Liſt
leichtlich mit fortzuſchaffen iſt. Ach, ſprach ich, wenn
ich nur die Perſonerſtlich in meiner Heymath haͤtte,
ich wuͤrde mir wenig oder nichts aus dem Heyraths-
Guthe machen, weil ich zu meinem Anfange ſchon
Geld genug weiß.

Jndem ich ferner reden wolte, wurde die hinter-
ſte Thuͤr, welche aus dem Cloſter aufs Orgel-Chor
fuͤhrete, geoͤffnet, weßwegen wir uns ſehr ſtille hiel-
ten, und endlich mit zitterenden Freuden unſere bey-
de Geliebte ankommen ſahen. Sie machten ſich
alle beyde uͤber das Clavicien her, und ſtimmeten

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[346/0360] geſchehen kan, wenn ſie ſelbſten etwas Liebes weiß- Ach mein Freund, gab ich zur Antwort, mein Her- tze brennet vor Liebe lichterloh, allein ich zweifele ſehr, daß mich die ſchoͤne Nonne zu ihrem Liebſten annehmen moͤchte, denn ſie ſcheinet mir, ihrer Geber- den wegen, von etwas hohen Sinnen und vorneh- men Stande zu ſeyn. Schweiget von dieſen, verſetz- te mein Geferte, ich weiß es beſſer, ſie iſt zwar eines Patricii Tochter, aber wegen der vielen Geſchwiſter und unzulaͤnglicher Mittel, von ihrer Mutter nach dem Tode des Vaters mit Gewalt ins Cloſter ge- ſteckt worden. Ach, ach! fuhr er fort, die Liebe zur Freyheit, und anderthalb Centnern Manns-Fleiſche, kan ein Frauenzimmer leicht dahin bringen, die Ei- telkeiten eines etwas hoͤhern Standes hindan zuſe- tzen, und einen anſehnlichen rechtſchaffenen Kerl, der ſeine Profeſſion aus dem Grunde verſtehet, zu heyra- then, uͤber dieſes weiß ich gewiß, daß ſie zum wenig- ſten auf die 300. ſpec. Thaler am Gelde und koſtba- ren Geſchmeide haben wird, welches, wenn wir Ge- legenheit zur Flucht finden koͤnnen, durch kluge Liſt leichtlich mit fortzuſchaffen iſt. Ach, ſprach ich, wenn ich nur die Perſonerſtlich in meiner Heymath haͤtte, ich wuͤrde mir wenig oder nichts aus dem Heyraths- Guthe machen, weil ich zu meinem Anfange ſchon Geld genug weiß. Jndem ich ferner reden wolte, wurde die hinter- ſte Thuͤr, welche aus dem Cloſter aufs Orgel-Chor fuͤhrete, geoͤffnet, weßwegen wir uns ſehr ſtille hiel- ten, und endlich mit zitterenden Freuden unſere bey- de Geliebte ankommen ſahen. Sie machten ſich alle beyde uͤber das Clavicien her, und ſtimmeten daſſel-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/360>, abgerufen am 23.11.2024.