Nachtigall gleichenden Discant-Stimme, das dar- auf folgende Recitativ heraus drechselte, und mein Geferte mir das verabredete Zeichen gab, daß die- ses seine verliebte Correspondentin sey, hätte ich abermahls vor übermäßiger Verwunderung aus der Haut fahren mögen. Jnzwischen stund mir der alte Zeisel-Bär, nemlich die alte Nonne, wel- che den Bass sunge, mit ihrer Concerte beständig im Wege, die auf dem Clavicien spielende Nonne, im Gesichte zu sehen, so lange bis endlich dieses Stück völlig abgethan war.
Jndem das alte Brumm-Eisen nun auf die Seite trat, war die wunderschöne Organistin eben im Be- griff, die bey ihr stehenden zwey Wachs-Lichter zu putzen, und also fiel mir ihre unvergleichliche Ge- sichts-Bildung auf einmahl vollkommen in die Au- gen Dieser eintzige allererste Anblick war ver- mögend, mein Hertz vollkommen verliebt zu machen, so, daß ich kein Auge von derselben verwenden konte, bis mir endlich andere darzwischen tretende, den Prospect aufs neue verhinderten. Mittlerweile sa- he ich die charmante Seele meines Geferten desto genauer an, und befand, daß die Gesichts-Bildung derselben, nicht halb so angenehm, als der schönen Organistin Gestalt war, allein wie ich nachhero an ihm vermerckt, so hatte er im Gegentheil vor seine Liebste eben so vortheilhaffte Gedancken, als ich vor die meinige. Nachhero, da ich die eingebildete Glückseligkeit aufs neue hatte, die letztere frey zu betrachten, wurde meine hefftige Liebe dermassen be- festiget, daß ich beschloß so gar mein Leben daran zu wagen, um nur fein offte den Vortheil zu erlangen,
mit
Nachtigall gleichenden Diſcant-Stimme, das dar- auf folgende Recitativ heraus drechſelte, und mein Geferte mir das verabredete Zeichen gab, daß die- ſes ſeine verliebte Correſpondentin ſey, haͤtte ich abermahls vor uͤbermaͤßiger Verwunderung aus der Haut fahren moͤgen. Jnzwiſchen ſtund mir der alte Zeiſel-Baͤr, nemlich die alte Nonne, wel- che den Baſſ ſunge, mit ihrer Concerte beſtaͤndig im Wege, die auf dem Clavicien ſpielende Nonne, im Geſichte zu ſehen, ſo lange bis endlich dieſes Stuͤck voͤllig abgethan war.
Jndem das alte Brumm-Eiſen nun auf die Seite trat, war die wunderſchoͤne Organiſtin eben im Be- griff, die bey ihr ſtehenden zwey Wachs-Lichter zu putzen, und alſo fiel mir ihre unvergleichliche Ge- ſichts-Bildung auf einmahl vollkommen in die Au- gen Dieſer eintzige allererſte Anblick war ver- moͤgend, mein Hertz vollkommen verliebt zu machen, ſo, daß ich kein Auge von derſelben verwenden konte, bis mir endlich andere darzwiſchen tretende, den Proſpect aufs neue verhinderten. Mittlerweile ſa- he ich die charmante Seele meines Geferten deſto genauer an, und befand, daß die Geſichts-Bildung derſelben, nicht halb ſo angenehm, als der ſchoͤnen Organiſtin Geſtalt war, allein wie ich nachhero an ihm vermerckt, ſo hatte er im Gegentheil vor ſeine Liebſte eben ſo vortheilhaffte Gedancken, als ich vor die meinige. Nachhero, da ich die eingebildete Gluͤckſeligkeit aufs neue hatte, die letztere frey zu betrachten, wurde meine hefftige Liebe dermaſſen be- feſtiget, daß ich beſchloß ſo gar mein Leben daran zu wagen, um nur fein offte den Vortheil zu erlangen,
mit
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0358"n="344"/>
Nachtigall gleichenden <hirendition="#aq">Diſcant-</hi>Stimme, das dar-<lb/>
auf folgende <hirendition="#aq">Recitativ</hi> heraus drechſelte, und mein<lb/>
Geferte mir das verabredete Zeichen gab, daß die-<lb/>ſes ſeine verliebte <hirendition="#aq">Correſpondentin</hi>ſey, haͤtte ich<lb/>
abermahls vor uͤbermaͤßiger Verwunderung aus<lb/>
der Haut fahren moͤgen. Jnzwiſchen ſtund mir<lb/>
der alte Zeiſel-Baͤr, nemlich die alte Nonne, wel-<lb/>
che den <hirendition="#aq">Baſſ</hi>ſunge, mit ihrer <hirendition="#aq">Concerte</hi> beſtaͤndig<lb/>
im Wege, die auf dem <hirendition="#aq">Clavicien</hi>ſpielende Nonne,<lb/>
im Geſichte zu ſehen, ſo lange bis endlich dieſes Stuͤck<lb/>
voͤllig abgethan war.</p><lb/><p>Jndem das alte Brumm-Eiſen nun auf die Seite<lb/>
trat, war die wunderſchoͤne <hirendition="#aq">Organiſtin</hi> eben im Be-<lb/>
griff, die bey ihr ſtehenden zwey Wachs-Lichter zu<lb/>
putzen, und alſo fiel mir ihre unvergleichliche Ge-<lb/>ſichts-Bildung auf einmahl vollkommen in die Au-<lb/>
gen Dieſer eintzige allererſte Anblick war ver-<lb/>
moͤgend, mein Hertz vollkommen verliebt zu machen,<lb/>ſo, daß ich kein Auge von derſelben verwenden konte,<lb/>
bis mir endlich andere darzwiſchen tretende, den<lb/><hirendition="#aq">Proſpect</hi> aufs neue verhinderten. Mittlerweile ſa-<lb/>
he ich die <hirendition="#aq">charmante</hi> Seele meines Geferten deſto<lb/>
genauer an, und befand, daß die Geſichts-Bildung<lb/>
derſelben, nicht halb ſo angenehm, als der ſchoͤnen<lb/><hirendition="#aq">Organiſtin</hi> Geſtalt war, allein wie ich nachhero an<lb/>
ihm vermerckt, ſo hatte er im Gegentheil vor ſeine<lb/>
Liebſte eben ſo vortheilhaffte Gedancken, als ich vor<lb/>
die meinige. Nachhero, da ich die eingebildete<lb/>
Gluͤckſeligkeit aufs neue hatte, die letztere frey zu<lb/>
betrachten, wurde meine hefftige Liebe dermaſſen be-<lb/>
feſtiget, daß ich beſchloß ſo gar mein Leben daran zu<lb/>
wagen, um nur fein offte den Vortheil zu erlangen,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">mit</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[344/0358]
Nachtigall gleichenden Diſcant-Stimme, das dar-
auf folgende Recitativ heraus drechſelte, und mein
Geferte mir das verabredete Zeichen gab, daß die-
ſes ſeine verliebte Correſpondentin ſey, haͤtte ich
abermahls vor uͤbermaͤßiger Verwunderung aus
der Haut fahren moͤgen. Jnzwiſchen ſtund mir
der alte Zeiſel-Baͤr, nemlich die alte Nonne, wel-
che den Baſſ ſunge, mit ihrer Concerte beſtaͤndig
im Wege, die auf dem Clavicien ſpielende Nonne,
im Geſichte zu ſehen, ſo lange bis endlich dieſes Stuͤck
voͤllig abgethan war.
Jndem das alte Brumm-Eiſen nun auf die Seite
trat, war die wunderſchoͤne Organiſtin eben im Be-
griff, die bey ihr ſtehenden zwey Wachs-Lichter zu
putzen, und alſo fiel mir ihre unvergleichliche Ge-
ſichts-Bildung auf einmahl vollkommen in die Au-
gen Dieſer eintzige allererſte Anblick war ver-
moͤgend, mein Hertz vollkommen verliebt zu machen,
ſo, daß ich kein Auge von derſelben verwenden konte,
bis mir endlich andere darzwiſchen tretende, den
Proſpect aufs neue verhinderten. Mittlerweile ſa-
he ich die charmante Seele meines Geferten deſto
genauer an, und befand, daß die Geſichts-Bildung
derſelben, nicht halb ſo angenehm, als der ſchoͤnen
Organiſtin Geſtalt war, allein wie ich nachhero an
ihm vermerckt, ſo hatte er im Gegentheil vor ſeine
Liebſte eben ſo vortheilhaffte Gedancken, als ich vor
die meinige. Nachhero, da ich die eingebildete
Gluͤckſeligkeit aufs neue hatte, die letztere frey zu
betrachten, wurde meine hefftige Liebe dermaſſen be-
feſtiget, daß ich beſchloß ſo gar mein Leben daran zu
wagen, um nur fein offte den Vortheil zu erlangen,
mit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/358>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.