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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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hatte, fingen an zu singen und zu musiciren, nah-
men uns öffters auch kein Bedencken, zum Tantze
aufzuspielen, da denn alt und jung, Geld über Geld
gab, und darzu Maul und Nase über solche Virtuo-
sen
aufsperrete. Von allem was wir verdieneten,
bekam ich den halben Theil, es müßte denn seyn,
daß der Schulmeister die Theilung nach seinem Ge-
fallen gemacht hätte, wie ihn denn mein Vater,
da er sich hernachmahls mit ihm zanckte, deßfalls
eines offenbaren Betrugs beschuldigte, iedoch ich
meines Orts, war vollkommen zufrieden, wenn ich,
so lange es währete, alle Tage 8. 10. ja gar bis 12.
Groschen verdienen konte, wovor mir meine Mut-
ter rothe Brust-Lätze, schöne Schuh und Strüm-
pfe kauffen mußte, bunte Bänder aber bekam ich zur
Gnüge von den Bauers-Töchtern auf den Hochzei-
ten geschenckt.

Allein der Handel zwischen mir und dem Herrn
Schul-Meister kam endlich vor unsern Pfarr-
herrn, der dem ersten das Cantate legte, meinen
Vater und mich aber ebenfalls zu sich beschied, dem
ersten einen derben Verweiß gab, daß er mich
in allem ärgerlichen Leben erzöge, und allerley
Schand-Lieder zu singen erlaubte, ja noch seine Freu-
de darüber bezeugte, mir aber drohete er mit der Zu-
rückstossung vom Beicht-Stuhl und H. Abendmahle,
(als welches ich in meinem 14ten Jahre zum ersten-
mahle empfangen wolte,) woferne ich mich nicht
bessern, und in der Güte von solchen Schand-Pos-
sen ablassen würde. Diese Drohungen verur-
sachten unserseits doch so viel, daß wir dieses beste
Stück unserer Profession etwas heimlicher trieben,

herge-

hatte, fingen an zu ſingen und zu muſiciren, nah-
men uns oͤffters auch kein Bedencken, zum Tantze
aufzuſpielen, da denn alt und jung, Geld uͤber Geld
gab, und darzu Maul und Naſe uͤber ſolche Virtuo-
ſen
aufſperrete. Von allem was wir verdieneten,
bekam ich den halben Theil, es muͤßte denn ſeyn,
daß der Schulmeiſter die Theilung nach ſeinem Ge-
fallen gemacht haͤtte, wie ihn denn mein Vater,
da er ſich hernachmahls mit ihm zanckte, deßfalls
eines offenbaren Betrugs beſchuldigte, iedoch ich
meines Orts, war vollkommen zufrieden, wenn ich,
ſo lange es waͤhrete, alle Tage 8. 10. ja gar bis 12.
Groſchen verdienen konte, wovor mir meine Mut-
ter rothe Bruſt-Laͤtze, ſchoͤne Schuh und Struͤm-
pfe kauffen mußte, bunte Baͤnder aber bekam ich zur
Gnuͤge von den Bauers-Toͤchtern auf den Hochzei-
ten geſchenckt.

Allein der Handel zwiſchen mir und dem Herrn
Schul-Meiſter kam endlich vor unſern Pfarr-
herrn, der dem erſten das Cantate legte, meinen
Vater und mich aber ebenfalls zu ſich beſchied, dem
erſten einen derben Verweiß gab, daß er mich
in allem aͤrgerlichen Leben erzoͤge, und allerley
Schand-Lieder zu ſingen erlaubte, ja noch ſeine Freu-
de daruͤber bezeugte, mir aber drohete er mit der Zu-
ruͤckſtoſſung vom Beicht-Stuhl und H. Abendmahle,
(als welches ich in meinem 14ten Jahre zum erſten-
mahle empfangen wolte,) woferne ich mich nicht
beſſern, und in der Guͤte von ſolchen Schand-Poſ-
ſen ablaſſen wuͤrde. Dieſe Drohungen verur-
ſachten unſerſeits doch ſo viel, daß wir dieſes beſte
Stuͤck unſerer Profeſſion etwas heimlicher trieben,

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[322/0336] hatte, fingen an zu ſingen und zu muſiciren, nah- men uns oͤffters auch kein Bedencken, zum Tantze aufzuſpielen, da denn alt und jung, Geld uͤber Geld gab, und darzu Maul und Naſe uͤber ſolche Virtuo- ſen aufſperrete. Von allem was wir verdieneten, bekam ich den halben Theil, es muͤßte denn ſeyn, daß der Schulmeiſter die Theilung nach ſeinem Ge- fallen gemacht haͤtte, wie ihn denn mein Vater, da er ſich hernachmahls mit ihm zanckte, deßfalls eines offenbaren Betrugs beſchuldigte, iedoch ich meines Orts, war vollkommen zufrieden, wenn ich, ſo lange es waͤhrete, alle Tage 8. 10. ja gar bis 12. Groſchen verdienen konte, wovor mir meine Mut- ter rothe Bruſt-Laͤtze, ſchoͤne Schuh und Struͤm- pfe kauffen mußte, bunte Baͤnder aber bekam ich zur Gnuͤge von den Bauers-Toͤchtern auf den Hochzei- ten geſchenckt. Allein der Handel zwiſchen mir und dem Herrn Schul-Meiſter kam endlich vor unſern Pfarr- herrn, der dem erſten das Cantate legte, meinen Vater und mich aber ebenfalls zu ſich beſchied, dem erſten einen derben Verweiß gab, daß er mich in allem aͤrgerlichen Leben erzoͤge, und allerley Schand-Lieder zu ſingen erlaubte, ja noch ſeine Freu- de daruͤber bezeugte, mir aber drohete er mit der Zu- ruͤckſtoſſung vom Beicht-Stuhl und H. Abendmahle, (als welches ich in meinem 14ten Jahre zum erſten- mahle empfangen wolte,) woferne ich mich nicht beſſern, und in der Guͤte von ſolchen Schand-Poſ- ſen ablaſſen wuͤrde. Dieſe Drohungen verur- ſachten unſerſeits doch ſo viel, daß wir dieſes beſte Stuͤck unſerer Profeſſion etwas heimlicher trieben, herge-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/336>, abgerufen am 22.11.2024.