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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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Principal widersetzte sich diesem Anerbieten, und
versprach noch über dieses, mich mit einem guten
Praesent zu begnadigen, wenn ich ferner redlich han-
deln würde.

Mein Compagnon stellete sich wieder ein, setzte
ein völliges Vertrauen auf meine Treue, deutlich
aber zu sagen, so hielt er mich vor einen nicht viel ge-
ringern Spitz-Buben als sich selbst. Die Tinctur
wurde abermahls zur vermeintlichen Perfection ge-
bracht, er that den Einsatz von 3. Untzen Bley, in
des Principals Gegenwart bey späten Abend, der
Principal mußte den Beysatz der Tinctur selbsten
thun, hernachmahls das Laboratorium abermahls
verschliessen und versiegeln, damit es die Nacht über
ungestöhrt digeriren könne. Der künstliche Mei-
ster trat in den Mitternachts-Stunden, da alles, sei-
nem Bedüncken nach, im festen Schlafe lag, die
Fahrt durch den Schornstein an, schüttete die un-
nützen Sachen aus dem Tiegel heraus, legte davor
3. Untzen gutes Gold hinein, allein der Principal
dem ich das verabredete Zeichen gegeben, hatte nicht
nur durch ein verborgenes Loch alle seine Hand-
Griffe selbst in Augenschein genommen, sondern über
dieses das Seil durch einen Bedienten, gantz gelinde
zurück hinauf ziehen lassen, also stack die Maus in
der Falle, und mußte im Laboratorio pausiren, bis
der Tag anbrach, da endlich der Principal die Siegel
und Schlösser eröffnete, den Spitz-Buben in schwe-
re Ketten schlagen, und in das tiefste Gefängniß
werffen ließ.

Wie es ihm ferner ergangen, weiß ich nicht zu
sagen, denn ich bekam wenige Tage darauf meine

Abfer-

Principal widerſetzte ſich dieſem Anerbieten, und
verſprach noch uͤber dieſes, mich mit einem guten
Præſent zu begnadigen, wenn ich ferner redlich han-
deln wuͤrde.

Mein Compagnon ſtellete ſich wieder ein, ſetzte
ein voͤlliges Vertrauen auf meine Treue, deutlich
aber zu ſagen, ſo hielt er mich vor einen nicht viel ge-
ringern Spitz-Buben als ſich ſelbſt. Die Tinctur
wurde abermahls zur vermeintlichen Perfection ge-
bracht, er that den Einſatz von 3. Untzen Bley, in
des Principals Gegenwart bey ſpaͤten Abend, der
Principal mußte den Beyſatz der Tinctur ſelbſten
thun, hernachmahls das Laboratorium abermahls
verſchlieſſen und verſiegeln, damit es die Nacht uͤber
ungeſtoͤhrt digeriren koͤnne. Der kuͤnſtliche Mei-
ſter trat in den Mitternachts-Stunden, da alles, ſei-
nem Beduͤncken nach, im feſten Schlafe lag, die
Fahrt durch den Schornſtein an, ſchuͤttete die un-
nuͤtzen Sachen aus dem Tiegel heraus, legte davor
3. Untzen gutes Gold hinein, allein der Principal
dem ich das verabredete Zeichen gegeben, hatte nicht
nur durch ein verborgenes Loch alle ſeine Hand-
Griffe ſelbſt in Augenſchein genommen, ſondern uͤber
dieſes das Seil durch einen Bedienten, gantz gelinde
zuruͤck hinauf ziehen laſſen, alſo ſtack die Maus in
der Falle, und mußte im Laboratorio pauſiren, bis
der Tag anbrach, da endlich der Principal die Siegel
und Schloͤſſer eroͤffnete, den Spitz-Buben in ſchwe-
re Ketten ſchlagen, und in das tiefſte Gefaͤngniß
werffen ließ.

Wie es ihm ferner ergangen, weiß ich nicht zu
ſagen, denn ich bekam wenige Tage darauf meine

Abfer-
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[288/0302] Principal widerſetzte ſich dieſem Anerbieten, und verſprach noch uͤber dieſes, mich mit einem guten Præſent zu begnadigen, wenn ich ferner redlich han- deln wuͤrde. Mein Compagnon ſtellete ſich wieder ein, ſetzte ein voͤlliges Vertrauen auf meine Treue, deutlich aber zu ſagen, ſo hielt er mich vor einen nicht viel ge- ringern Spitz-Buben als ſich ſelbſt. Die Tinctur wurde abermahls zur vermeintlichen Perfection ge- bracht, er that den Einſatz von 3. Untzen Bley, in des Principals Gegenwart bey ſpaͤten Abend, der Principal mußte den Beyſatz der Tinctur ſelbſten thun, hernachmahls das Laboratorium abermahls verſchlieſſen und verſiegeln, damit es die Nacht uͤber ungeſtoͤhrt digeriren koͤnne. Der kuͤnſtliche Mei- ſter trat in den Mitternachts-Stunden, da alles, ſei- nem Beduͤncken nach, im feſten Schlafe lag, die Fahrt durch den Schornſtein an, ſchuͤttete die un- nuͤtzen Sachen aus dem Tiegel heraus, legte davor 3. Untzen gutes Gold hinein, allein der Principal dem ich das verabredete Zeichen gegeben, hatte nicht nur durch ein verborgenes Loch alle ſeine Hand- Griffe ſelbſt in Augenſchein genommen, ſondern uͤber dieſes das Seil durch einen Bedienten, gantz gelinde zuruͤck hinauf ziehen laſſen, alſo ſtack die Maus in der Falle, und mußte im Laboratorio pauſiren, bis der Tag anbrach, da endlich der Principal die Siegel und Schloͤſſer eroͤffnete, den Spitz-Buben in ſchwe- re Ketten ſchlagen, und in das tiefſte Gefaͤngniß werffen ließ. Wie es ihm ferner ergangen, weiß ich nicht zu ſagen, denn ich bekam wenige Tage darauf meine Abfer-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/302>, abgerufen am 22.11.2024.