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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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verließ, und da er binnen anderthalb Jahren meiner
Dienstfertigkeit und Treue wegen, sattsame Pro-
ben erhalten, vermachte er mir vor seinem bald dar-
auf folgenden Ende, seine 24. jährige und sehr tu-
genthaffte Frau, nebst zweyen Kindern, die er mit
der ersten Frauen gezeuget hatte.

Da nun selbige artige Frau an meiner Person
und Wesen nichts auszusetzen hatte, vielmehr nach
abgelauffenen Trauer-Jahre den Anfang machte,
mir mit allen honetten Liebes-Bezeigungen zu be-
gegnen, hielten wir endlich um Licht-Messe, öffent-
liches Verlöbniß, und waren gesonnen, selbiges
gleich nach den Oster-Ferien, durch priesterliche
Copulation vollziehen zulassen.

Solchergestalt vermeynete ich nunmehro den
Haven meines zeitlichen Vergnügens, vermittelst
einer erwünschten glücklichen Heyrath und wohlbe-
stellten Barbier-Stube, gefunden zu haben, beküm-
merte mich auch gantz und gar nichts mehr, um mein
durch verschiedene Unglücks Fälle eingebüßtes ziem-
liches Vermögen, sondern hielt davor, ich wäre von
dem Verhängnisse mit allem Fleiß forcirt worden,
vorhero so viel an mein beständiges Wohlseyn zu
spendiren um solches desto erb- und eigenthümlicher
zu erkauffen. Aber, aber! selbiges war noch lange
nicht ermüdet mich zu verfolgen, sondern mir nun-
mehro erstlich den aller empfindlichsten Streich zu
spielen, denn meine hertzlich geliebte Witt-Frau be-
kam 14. Tage vor Ostern einen gefährlichen Anfall
vom hitzigen Fieber, und schloß 2. Tage nach Ostern
ihre schönen Augen zu.

Jch gestehe nochmahls, daß mir dieser Unglücks-

Fall
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verließ, und da er binnen anderthalb Jahren meiner
Dienſtfertigkeit und Treue wegen, ſattſame Pro-
ben erhalten, vermachte er mir vor ſeinem bald dar-
auf folgenden Ende, ſeine 24. jaͤhrige und ſehr tu-
genthaffte Frau, nebſt zweyen Kindern, die er mit
der erſten Frauen gezeuget hatte.

Da nun ſelbige artige Frau an meiner Perſon
und Weſen nichts auszuſetzen hatte, vielmehr nach
abgelauffenen Trauer-Jahre den Anfang machte,
mir mit allen honetten Liebes-Bezeigungen zu be-
gegnen, hielten wir endlich um Licht-Meſſe, oͤffent-
liches Verloͤbniß, und waren geſonnen, ſelbiges
gleich nach den Oſter-Ferien, durch prieſterliche
Copulation vollziehen zulaſſen.

Solchergeſtalt vermeynete ich nunmehro den
Haven meines zeitlichen Vergnuͤgens, vermittelſt
einer erwuͤnſchten gluͤcklichen Heyrath und wohlbe-
ſtellten Barbier-Stube, gefunden zu haben, bekuͤm-
merte mich auch gantz und gar nichts mehr, um mein
durch verſchiedene Ungluͤcks Faͤlle eingebuͤßtes ziem-
liches Vermoͤgen, ſondern hielt davor, ich waͤre von
dem Verhaͤngniſſe mit allem Fleiß forcirt worden,
vorhero ſo viel an mein beſtaͤndiges Wohlſeyn zu
ſpendiren um ſolches deſto erb- und eigenthuͤmlicher
zu erkauffen. Aber, aber! ſelbiges war noch lange
nicht ermuͤdet mich zu verfolgen, ſondern mir nun-
mehro erſtlich den aller empfindlichſten Streich zu
ſpielen, denn meine hertzlich geliebte Witt-Frau be-
kam 14. Tage vor Oſtern einen gefaͤhrlichen Anfall
vom hitzigen Fieber, und ſchloß 2. Tage nach Oſtern
ihre ſchoͤnen Augen zu.

Jch geſtehe nochmahls, daß mir dieſer Ungluͤcks-

Fall
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[233/0247] verließ, und da er binnen anderthalb Jahren meiner Dienſtfertigkeit und Treue wegen, ſattſame Pro- ben erhalten, vermachte er mir vor ſeinem bald dar- auf folgenden Ende, ſeine 24. jaͤhrige und ſehr tu- genthaffte Frau, nebſt zweyen Kindern, die er mit der erſten Frauen gezeuget hatte. Da nun ſelbige artige Frau an meiner Perſon und Weſen nichts auszuſetzen hatte, vielmehr nach abgelauffenen Trauer-Jahre den Anfang machte, mir mit allen honetten Liebes-Bezeigungen zu be- gegnen, hielten wir endlich um Licht-Meſſe, oͤffent- liches Verloͤbniß, und waren geſonnen, ſelbiges gleich nach den Oſter-Ferien, durch prieſterliche Copulation vollziehen zulaſſen. Solchergeſtalt vermeynete ich nunmehro den Haven meines zeitlichen Vergnuͤgens, vermittelſt einer erwuͤnſchten gluͤcklichen Heyrath und wohlbe- ſtellten Barbier-Stube, gefunden zu haben, bekuͤm- merte mich auch gantz und gar nichts mehr, um mein durch verſchiedene Ungluͤcks Faͤlle eingebuͤßtes ziem- liches Vermoͤgen, ſondern hielt davor, ich waͤre von dem Verhaͤngniſſe mit allem Fleiß forcirt worden, vorhero ſo viel an mein beſtaͤndiges Wohlſeyn zu ſpendiren um ſolches deſto erb- und eigenthuͤmlicher zu erkauffen. Aber, aber! ſelbiges war noch lange nicht ermuͤdet mich zu verfolgen, ſondern mir nun- mehro erſtlich den aller empfindlichſten Streich zu ſpielen, denn meine hertzlich geliebte Witt-Frau be- kam 14. Tage vor Oſtern einen gefaͤhrlichen Anfall vom hitzigen Fieber, und ſchloß 2. Tage nach Oſtern ihre ſchoͤnen Augen zu. Jch geſtehe nochmahls, daß mir dieſer Ungluͤcks- Fall p 5

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/247>, abgerufen am 18.12.2024.