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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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als mir ein anderer unglücklicher Streich begegnete,
und zwar bey folgender Gelegenheit: Es schlugen
sich eines Abends etliche Handwercks-Pursche auf
der Strasse mit Knütteln weidlich herum, da nun
ich dieses Spectacul mit anzusehen, in voller Mon-
tur,
nebst meinem Wirth um die Ecke des Quar-
tiers spazirt war, kam der Corporal, mein Herr
Vetter, ohnverhofft auf mich zu, und fragte, was
ich hier zu stehen, und ob ich etwa Lust mit zu machen
hätte? Nichts weniger als dieses, gab ich zur Ant-
wort, denn ich menge mich nicht gern in fremde
Händel. So scheert euch, sprach er, in euer Quar-
tier, und legt euch auf den ---- denn Morgen
habt ihr die Wache. Es wird, versetzte ich, Mor-
gen an mir nicht fehlen, heute aber habe nicht eher
Ursach, mich nieder zu legen, bis der Zapfen-Streich
geschlagen ist. Canaille, wilst du lange raisonniren,
schrye er hierauf, und schlug mich dermassen mit dem
Stocke über den Kopf, daß mir augenblicklich das
Blut über die Nase lieff, weßwegen ich von einem
recht rasenden Eifer angeflammt, augenblicklich
meinen Pallasch zohe, dem schändlichen Bluts-
Freunde etliche Hiebe in den Kopf und Schultern
versetzte, letztlich aber die rechte Hand dergestalt
streiffte, daß sie nur noch an einer eintzigen Flächse
behangen blieb. Dieserwegen kam ich erstlich in
Arrest, bald hernach aber ins Verhör und Krieges-
Recht, allwo mir das tröstliche Urtheil gefället wur-
de: Drey Tage nach einander, und zwar alle Tage
12. mahl durch die Spiß-Ruthen zu lauffen. Die-
ses kam meiner Seele weit unerträglicher vor, als
der Tod selbsten, ja der Satan war so geschäfftig.

mir

als mir ein anderer ungluͤcklicher Streich begegnete,
und zwar bey folgender Gelegenheit: Es ſchlugen
ſich eines Abends etliche Handwercks-Purſche auf
der Straſſe mit Knuͤtteln weidlich herum, da nun
ich dieſes Spectacul mit anzuſehen, in voller Mon-
tur,
nebſt meinem Wirth um die Ecke des Quar-
tiers ſpazirt war, kam der Corporal, mein Herr
Vetter, ohnverhofft auf mich zu, und fragte, was
ich hier zu ſtehen, und ob ich etwa Luſt mit zu machen
haͤtte? Nichts weniger als dieſes, gab ich zur Ant-
wort, denn ich menge mich nicht gern in fremde
Haͤndel. So ſcheert euch, ſprach er, in euer Quar-
tier, und legt euch auf den ---- denn Morgen
habt ihr die Wache. Es wird, verſetzte ich, Mor-
gen an mir nicht fehlen, heute aber habe nicht eher
Urſach, mich nieder zu legen, bis der Zapfen-Streich
geſchlagen iſt. Canaille, wilſt du lange raiſonniren,
ſchrye er hierauf, und ſchlug mich dermaſſen mit dem
Stocke uͤber den Kopf, daß mir augenblicklich das
Blut uͤber die Naſe lieff, weßwegen ich von einem
recht raſenden Eifer angeflammt, augenblicklich
meinen Pallaſch zohe, dem ſchaͤndlichen Bluts-
Freunde etliche Hiebe in den Kopf und Schultern
verſetzte, letztlich aber die rechte Hand dergeſtalt
ſtreiffte, daß ſie nur noch an einer eintzigen Flaͤchſe
behangen blieb. Dieſerwegen kam ich erſtlich in
Arreſt, bald hernach aber ins Verhoͤr und Krieges-
Recht, allwo mir das troͤſtliche Urtheil gefaͤllet wur-
de: Drey Tage nach einander, und zwar alle Tage
12. mahl durch die Spiß-Ruthen zu lauffen. Die-
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der Tod ſelbſten, ja der Satan war ſo geſchaͤfftig.

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[216/0230] als mir ein anderer ungluͤcklicher Streich begegnete, und zwar bey folgender Gelegenheit: Es ſchlugen ſich eines Abends etliche Handwercks-Purſche auf der Straſſe mit Knuͤtteln weidlich herum, da nun ich dieſes Spectacul mit anzuſehen, in voller Mon- tur, nebſt meinem Wirth um die Ecke des Quar- tiers ſpazirt war, kam der Corporal, mein Herr Vetter, ohnverhofft auf mich zu, und fragte, was ich hier zu ſtehen, und ob ich etwa Luſt mit zu machen haͤtte? Nichts weniger als dieſes, gab ich zur Ant- wort, denn ich menge mich nicht gern in fremde Haͤndel. So ſcheert euch, ſprach er, in euer Quar- tier, und legt euch auf den ---- denn Morgen habt ihr die Wache. Es wird, verſetzte ich, Mor- gen an mir nicht fehlen, heute aber habe nicht eher Urſach, mich nieder zu legen, bis der Zapfen-Streich geſchlagen iſt. Canaille, wilſt du lange raiſonniren, ſchrye er hierauf, und ſchlug mich dermaſſen mit dem Stocke uͤber den Kopf, daß mir augenblicklich das Blut uͤber die Naſe lieff, weßwegen ich von einem recht raſenden Eifer angeflammt, augenblicklich meinen Pallaſch zohe, dem ſchaͤndlichen Bluts- Freunde etliche Hiebe in den Kopf und Schultern verſetzte, letztlich aber die rechte Hand dergeſtalt ſtreiffte, daß ſie nur noch an einer eintzigen Flaͤchſe behangen blieb. Dieſerwegen kam ich erſtlich in Arreſt, bald hernach aber ins Verhoͤr und Krieges- Recht, allwo mir das troͤſtliche Urtheil gefaͤllet wur- de: Drey Tage nach einander, und zwar alle Tage 12. mahl durch die Spiß-Ruthen zu lauffen. Die- ſes kam meiner Seele weit unertraͤglicher vor, als der Tod ſelbſten, ja der Satan war ſo geſchaͤfftig. mir

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/230>, abgerufen am 18.12.2024.