lehret, daß das Universitäts-Frauenzimmer ge- meiniglich von Flandern, und selten länger getreu zu lieben pflegt, als man bey ihnen sitzt und spen- diret. Endlich vermeynete ich doch eine gantz be- sonders getreue Seele angetroffen zu haben, weil sich selbige in ihrem gantzen Wesen ungemein still und sittsam, gegen mich aber sehr keusch und züch- tig verliebt anstellete. Derowegen riß sich meine hin und her wanckende Liebe, von allen andern Ge- genständen los, und blieb eintzig und allein, an die- ser Schönen hangen, die sich Eleonore nennete. Ja! nachdem sich mein Lands-Mann von dieser Universität hinweg, und auf eine andere begeben, war ich meiner Einbildung nach, vor hundert an- dern, so ungemein glücklich, bey der Liebes-wür- digen Eleonoren ein Haus-Pursche zu werden. Die Gelegenheit war also recht erwünscht vor mich, indem ich nicht allein die Bequemlichkeit hatte, mei- ne Liebe durch tägliche Hertz-brechende Unterre- dung auf festen Fuß zu setzen, sondern nechst dem, bey einem solchen Manne im Hause zu wohnen, welcher das Studium anatomicum als sein Haupt- werck triebe, und darinnen etliche 50. Studenten privatim informirete, hierzu fein eigenes com- pendieuses Theatrum anatomicum angelegt hat- te, und sich die größte Mühe gab, an den Leibern aller Thiere, so er nur habhafft werden kunte, das merckwürdigste und nützlichste zu zeigen. Jch war hierbey dermassen geschäfftig, daß ich in kurtzen sein Prosector wurde, welche Ehre und Vorzug mir bey einigen andern ziemlichen Neid und Ver- folgung erweckte, zumahlen da mit der Zeit, mein
gehei-
lehret, daß das Univerſitaͤts-Frauenzimmer ge- meiniglich von Flandern, und ſelten laͤnger getreu zu lieben pflegt, als man bey ihnen ſitzt und ſpen- diret. Endlich vermeynete ich doch eine gantz be- ſonders getreue Seele angetroffen zu haben, weil ſich ſelbige in ihrem gantzen Weſen ungemein ſtill und ſittſam, gegen mich aber ſehr keuſch und zuͤch- tig verliebt anſtellete. Derowegen riß ſich meine hin und her wanckende Liebe, von allen andern Ge- genſtaͤnden los, und blieb eintzig und allein, an die- ſer Schoͤnen hangen, die ſich Eleonore nennete. Ja! nachdem ſich mein Lands-Mann von dieſer Univerſitaͤt hinweg, und auf eine andere begeben, war ich meiner Einbildung nach, vor hundert an- dern, ſo ungemein gluͤcklich, bey der Liebes-wuͤr- digen Eleonoren ein Haus-Purſche zu werden. Die Gelegenheit war alſo recht erwuͤnſcht vor mich, indem ich nicht allein die Bequemlichkeit hatte, mei- ne Liebe durch taͤgliche Hertz-brechende Unterre- dung auf feſten Fuß zu ſetzen, ſondern nechſt dem, bey einem ſolchen Manne im Hauſe zu wohnen, welcher das Studium anatomicum als ſein Haupt- werck triebe, und darinnen etliche 50. Studenten privatim informirete, hierzu fein eigenes com- pendieuſes Theatrum anatomicum angelegt hat- te, und ſich die groͤßte Muͤhe gab, an den Leibern aller Thiere, ſo er nur habhafft werden kunte, das merckwuͤrdigſte und nuͤtzlichſte zu zeigen. Jch war hierbey dermaſſen geſchaͤfftig, daß ich in kurtzen ſein Proſector wurde, welche Ehre und Vorzug mir bey einigen andern ziemlichen Neid und Ver- folgung erweckte, zumahlen da mit der Zeit, mein
gehei-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0216"n="202"/>
lehret, daß das <hirendition="#aq">Univerſit</hi>aͤts-Frauenzimmer ge-<lb/>
meiniglich von Flandern, und ſelten laͤnger getreu<lb/>
zu lieben pflegt, als man bey ihnen ſitzt und <hirendition="#aq">ſpen-<lb/>
di</hi>ret. Endlich vermeynete ich doch eine gantz be-<lb/>ſonders getreue Seele angetroffen zu haben, weil<lb/>ſich ſelbige in ihrem gantzen Weſen ungemein ſtill<lb/>
und ſittſam, gegen mich aber ſehr keuſch und zuͤch-<lb/>
tig verliebt anſtellete. Derowegen riß ſich meine<lb/>
hin und her wanckende Liebe, von allen andern Ge-<lb/>
genſtaͤnden los, und blieb eintzig und allein, an die-<lb/>ſer Schoͤnen hangen, die ſich <hirendition="#aq">Eleonore</hi> nennete.<lb/>
Ja! nachdem ſich mein Lands-Mann von dieſer<lb/><hirendition="#aq">Univerſit</hi>aͤt hinweg, und auf eine andere begeben,<lb/>
war ich meiner Einbildung nach, vor hundert an-<lb/>
dern, ſo ungemein gluͤcklich, bey der Liebes-wuͤr-<lb/>
digen <hirendition="#aq">Eleonore</hi>n ein Haus-Purſche zu werden.<lb/>
Die Gelegenheit war alſo recht erwuͤnſcht vor mich,<lb/>
indem ich nicht allein die Bequemlichkeit hatte, mei-<lb/>
ne Liebe durch taͤgliche Hertz-brechende Unterre-<lb/>
dung auf feſten Fuß zu ſetzen, ſondern nechſt dem,<lb/>
bey einem ſolchen Manne im Hauſe zu wohnen,<lb/>
welcher das <hirendition="#aq">Studium anatomicum</hi> als ſein Haupt-<lb/>
werck triebe, und darinnen etliche 50. <hirendition="#aq">Student</hi>en<lb/><hirendition="#aq">privatim informi</hi>rete, hierzu fein eigenes <hirendition="#aq">com-<lb/>
pendieuſ</hi>es <hirendition="#aq">Theatrum anatomicum</hi> angelegt hat-<lb/>
te, und ſich die groͤßte Muͤhe gab, an den Leibern<lb/>
aller Thiere, ſo er nur habhafft werden kunte, das<lb/>
merckwuͤrdigſte und nuͤtzlichſte zu zeigen. Jch war<lb/>
hierbey dermaſſen geſchaͤfftig, daß ich in kurtzen<lb/>ſein <hirendition="#aq">Proſector</hi> wurde, welche Ehre und Vorzug<lb/>
mir bey einigen andern ziemlichen Neid und Ver-<lb/>
folgung erweckte, zumahlen da mit der Zeit, mein<lb/><fwplace="bottom"type="catch">gehei-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[202/0216]
lehret, daß das Univerſitaͤts-Frauenzimmer ge-
meiniglich von Flandern, und ſelten laͤnger getreu
zu lieben pflegt, als man bey ihnen ſitzt und ſpen-
diret. Endlich vermeynete ich doch eine gantz be-
ſonders getreue Seele angetroffen zu haben, weil
ſich ſelbige in ihrem gantzen Weſen ungemein ſtill
und ſittſam, gegen mich aber ſehr keuſch und zuͤch-
tig verliebt anſtellete. Derowegen riß ſich meine
hin und her wanckende Liebe, von allen andern Ge-
genſtaͤnden los, und blieb eintzig und allein, an die-
ſer Schoͤnen hangen, die ſich Eleonore nennete.
Ja! nachdem ſich mein Lands-Mann von dieſer
Univerſitaͤt hinweg, und auf eine andere begeben,
war ich meiner Einbildung nach, vor hundert an-
dern, ſo ungemein gluͤcklich, bey der Liebes-wuͤr-
digen Eleonoren ein Haus-Purſche zu werden.
Die Gelegenheit war alſo recht erwuͤnſcht vor mich,
indem ich nicht allein die Bequemlichkeit hatte, mei-
ne Liebe durch taͤgliche Hertz-brechende Unterre-
dung auf feſten Fuß zu ſetzen, ſondern nechſt dem,
bey einem ſolchen Manne im Hauſe zu wohnen,
welcher das Studium anatomicum als ſein Haupt-
werck triebe, und darinnen etliche 50. Studenten
privatim informirete, hierzu fein eigenes com-
pendieuſes Theatrum anatomicum angelegt hat-
te, und ſich die groͤßte Muͤhe gab, an den Leibern
aller Thiere, ſo er nur habhafft werden kunte, das
merckwuͤrdigſte und nuͤtzlichſte zu zeigen. Jch war
hierbey dermaſſen geſchaͤfftig, daß ich in kurtzen
ſein Proſector wurde, welche Ehre und Vorzug
mir bey einigen andern ziemlichen Neid und Ver-
folgung erweckte, zumahlen da mit der Zeit, mein
gehei-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/216>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.