lich aufgeführet hatte, bekam er wenig Wochen her- nach seine völlige Dimission, mithin traten auch die besten Kund-Leute bey Hofe und in der Stadt zu ei- nem andern über. Er wurde solchergestalt nur de- sto desperater im sauffen, spielen und andern lie- derlichen Streichen, ruinirte sich und die Seinigen immer mehr und mehr, so daß ich den Jammer bey seiner sehr vernünfftigen Frauen und 6 Kindern nicht mehr ansehen konte, sondern meinen Abschied nahm und nachhero erfuhr, daß ihn der Wein, Bier und Brantewein, noch zu rechter Zeit ins Grab ge- bracht hatten, wie selig er aber gestorben, weiß ich nicht.
Mich führete ein glückliches Fatum von dieser Residenz-Stadt hinweg und auf eine berühmte Universität, allwo ich zwar so gleich keine Condi- tion zu hoffen hatte, iedoch von einem genereusen Lands-Manne, auf seine Stube genommen und ausser der Kost und Kleidung in allen defrayiret wurde. Dieser mein Lands-Mann studirte Medi- cinam, und da ich kaum zwey Tage bey ihm gewe- sen, erwachte bey mir auf einmahl wiederum die Lust zum studiren. Mein Vormund wegerte sich nicht, mir nunmehro, da ich majorennis worden, und ihm doch nicht gleich zu Halse gelauffen kam, 100. Thlr. zu schicken, welches aber auch das letzte Geld war, welches ich von meinem väterlichen und mütterlichen Erbtheile empfangen habe, ohngeacht ich meiner gemachten Rechnung nach, wenigstens noch 800. Thlr. rückständig zu haben vermeinete. Jedoch da ich mich weder einiges Betrugs, noch andern Unglücks befürchtete, machte sich mein, auf
das
n 4
lich aufgefuͤhret hatte, bekam er wenig Wochen her- nach ſeine voͤllige Dimiſſion, mithin traten auch die beſten Kund-Leute bey Hofe und in der Stadt zu ei- nem andern uͤber. Er wurde ſolchergeſtalt nur de- ſto deſperater im ſauffen, ſpielen und andern lie- derlichen Streichen, ruinirte ſich und die Seinigen immer mehr und mehr, ſo daß ich den Jammer bey ſeiner ſehr vernuͤnfftigen Frauen und 6 Kindern nicht mehr anſehen konte, ſondern meinen Abſchied nahm und nachhero erfuhr, daß ihn der Wein, Bier und Brantewein, noch zu rechter Zeit ins Grab ge- bracht hatten, wie ſelig er aber geſtorben, weiß ich nicht.
Mich fuͤhrete ein gluͤckliches Fatum von dieſer Reſidenz-Stadt hinweg und auf eine beruͤhmte Univerſitaͤt, allwo ich zwar ſo gleich keine Condi- tion zu hoffen hatte, iedoch von einem genereuſen Lands-Manne, auf ſeine Stube genommen und auſſer der Koſt und Kleidung in allen defrayiret wurde. Dieſer mein Lands-Mann ſtudirte Medi- cinam, und da ich kaum zwey Tage bey ihm gewe- ſen, erwachte bey mir auf einmahl wiederum die Luſt zum ſtudiren. Mein Vormund wegerte ſich nicht, mir nunmehro, da ich majorennis worden, und ihm doch nicht gleich zu Halſe gelauffen kam, 100. Thlr. zu ſchicken, welches aber auch das letzte Geld war, welches ich von meinem vaͤterlichen und muͤtterlichen Erbtheile empfangen habe, ohngeacht ich meiner gemachten Rechnung nach, wenigſtens noch 800. Thlr. ruͤckſtaͤndig zu haben vermeinete. Jedoch da ich mich weder einiges Betrugs, noch andern Ungluͤcks befuͤrchtete, machte ſich mein, auf
das
n 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0213"n="199"/>
lich aufgefuͤhret hatte, bekam er wenig Wochen her-<lb/>
nach ſeine voͤllige <hirendition="#aq">Dimiſſion,</hi> mithin traten auch die<lb/>
beſten Kund-Leute bey Hofe und in der Stadt zu ei-<lb/>
nem andern uͤber. Er wurde ſolchergeſtalt nur de-<lb/>ſto <hirendition="#aq">deſperat</hi>er im ſauffen, ſpielen und andern lie-<lb/>
derlichen Streichen, <hirendition="#aq">ruini</hi>rte ſich und die Seinigen<lb/>
immer mehr und mehr, ſo daß ich den Jammer bey<lb/>ſeiner ſehr vernuͤnfftigen Frauen und 6 Kindern nicht<lb/>
mehr anſehen konte, ſondern meinen Abſchied nahm<lb/>
und nachhero erfuhr, daß ihn der Wein, Bier und<lb/>
Brantewein, noch zu rechter Zeit ins Grab ge-<lb/>
bracht hatten, wie ſelig er aber geſtorben, weiß<lb/>
ich nicht.</p><lb/><p>Mich fuͤhrete ein gluͤckliches <hirendition="#aq">Fatum</hi> von dieſer<lb/><hirendition="#aq">Reſidenz-</hi>Stadt hinweg und auf eine beruͤhmte<lb/><hirendition="#aq">Univerſi</hi>taͤt, allwo ich zwar ſo gleich keine <hirendition="#aq">Condi-<lb/>
tion</hi> zu hoffen hatte, iedoch von einem <hirendition="#aq">genereuſ</hi>en<lb/>
Lands-Manne, auf ſeine Stube genommen und<lb/>
auſſer der Koſt und Kleidung in allen <hirendition="#aq">defrayi</hi>ret<lb/>
wurde. Dieſer mein Lands-Mann <hirendition="#aq">ſtudi</hi>rte <hirendition="#aq">Medi-<lb/>
cinam,</hi> und da ich kaum zwey Tage bey ihm gewe-<lb/>ſen, erwachte bey mir auf einmahl wiederum die<lb/>
Luſt zum <hirendition="#aq">ſtudi</hi>ren. Mein Vormund wegerte ſich<lb/>
nicht, mir nunmehro, da ich <hirendition="#aq">majorennis</hi> worden,<lb/>
und ihm doch nicht gleich zu Halſe gelauffen kam,<lb/>
100. Thlr. zu ſchicken, welches aber auch das letzte<lb/>
Geld war, welches ich von meinem vaͤterlichen und<lb/>
muͤtterlichen Erbtheile empfangen habe, ohngeacht<lb/>
ich meiner gemachten Rechnung nach, wenigſtens<lb/>
noch 800. Thlr. ruͤckſtaͤndig zu haben vermeinete.<lb/>
Jedoch da ich mich weder einiges Betrugs, noch<lb/>
andern Ungluͤcks befuͤrchtete, machte ſich mein, auf<lb/><fwplace="bottom"type="sig">n 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">das</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[199/0213]
lich aufgefuͤhret hatte, bekam er wenig Wochen her-
nach ſeine voͤllige Dimiſſion, mithin traten auch die
beſten Kund-Leute bey Hofe und in der Stadt zu ei-
nem andern uͤber. Er wurde ſolchergeſtalt nur de-
ſto deſperater im ſauffen, ſpielen und andern lie-
derlichen Streichen, ruinirte ſich und die Seinigen
immer mehr und mehr, ſo daß ich den Jammer bey
ſeiner ſehr vernuͤnfftigen Frauen und 6 Kindern nicht
mehr anſehen konte, ſondern meinen Abſchied nahm
und nachhero erfuhr, daß ihn der Wein, Bier und
Brantewein, noch zu rechter Zeit ins Grab ge-
bracht hatten, wie ſelig er aber geſtorben, weiß
ich nicht.
Mich fuͤhrete ein gluͤckliches Fatum von dieſer
Reſidenz-Stadt hinweg und auf eine beruͤhmte
Univerſitaͤt, allwo ich zwar ſo gleich keine Condi-
tion zu hoffen hatte, iedoch von einem genereuſen
Lands-Manne, auf ſeine Stube genommen und
auſſer der Koſt und Kleidung in allen defrayiret
wurde. Dieſer mein Lands-Mann ſtudirte Medi-
cinam, und da ich kaum zwey Tage bey ihm gewe-
ſen, erwachte bey mir auf einmahl wiederum die
Luſt zum ſtudiren. Mein Vormund wegerte ſich
nicht, mir nunmehro, da ich majorennis worden,
und ihm doch nicht gleich zu Halſe gelauffen kam,
100. Thlr. zu ſchicken, welches aber auch das letzte
Geld war, welches ich von meinem vaͤterlichen und
muͤtterlichen Erbtheile empfangen habe, ohngeacht
ich meiner gemachten Rechnung nach, wenigſtens
noch 800. Thlr. ruͤckſtaͤndig zu haben vermeinete.
Jedoch da ich mich weder einiges Betrugs, noch
andern Ungluͤcks befuͤrchtete, machte ſich mein, auf
das
n 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/213>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.