Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

Solchem nach befanden sich um selbige Zeit auf der
Jnsul Felsenburg, an Jungen und Alten, Einhei-
mischen und Ausländischen lebendigen Menschen:
394. nemlich 203. Manns- und 191. Weibs-Per-
sonen, die in aller Frömmigkeit, Liebe und Einigkeit
mit einander lebten, und nach dem Exempel der er-
sten christlichen Kirche eine treuhertzige Gemein-
schafft der zeitlichen Güther untereinander hielten,
keinen Eigennutz, auch im allergeringsten Dinge zeig-
ten, sondern ihren Nächsten und sich selbst zu dienen,
alles mit Lust verrichteten, worzu sie sich geschickt be-
fanden. Man sage mir, welcher vernünfftiger Mensch
Scheu tragen, und nicht vielmehr hertzlich wünschen
solte, seine gantze Lebens-Zeit an dergleichen ergötzli-
chen Orte zuzubringen.

Jedoch ich bin nicht gesonnen, hiervon viel zu phi-
losophi
ren, sondern erkenne mich schuldig, die fer-
nern Geschichte vorzutragen: Nach nunmehro glück-
lich vollbrachten Kirchen-Bau, machten sich die al-
lermeisten und besten Holtz-Arbeiter über die Auf-
richtung einer Mahl-Mühle her, welche allererst
Philipp Krätzer auf dem Stephans-Raumer
Grund und Boden, mit Beyhülffe Mons. Litzbergs,
Lademanns, Plagers, Herrlichs
und Morgenthals
angeleget hatte. Der Altvater sahe diesem Baue
nebst mir fast alle Tage zu, wenn die Lufft gegen
Abend etwas kühle zu werdenbegunnte, besuchte auch
dann und wann seine Kinder in den andern Pflantz-
Städten. Eines Tages aber, da uns Herr Kra-
mer
eine Menge vortrefflich grosser Zucker-Scho-
ten gesendet hatte, kam dem Altvater die Lust an, die-
ses guten Hauswirths wohl angelegten Küchen- und

Lust-

Solchem nach befanden ſich um ſelbige Zeit auf der
Jnſul Felſenburg, an Jungen und Alten, Einhei-
miſchen und Auslaͤndiſchen lebendigen Menſchen:
394. nemlich 203. Manns- und 191. Weibs-Per-
ſonen, die in aller Froͤmmigkeit, Liebe und Einigkeit
mit einander lebten, und nach dem Exempel der er-
ſten chriſtlichen Kirche eine treuhertzige Gemein-
ſchafft der zeitlichen Guͤther untereinander hielten,
keinen Eigennutz, auch im allergeringſten Dinge zeig-
ten, ſondern ihren Naͤchſten und ſich ſelbſt zu dienen,
alles mit Luſt verrichteten, worzu ſie ſich geſchickt be-
fanden. Man ſage mir, welcher vernuͤnfftiger Menſch
Scheu tragen, und nicht vielmehr hertzlich wuͤnſchen
ſolte, ſeine gantze Lebens-Zeit an dergleichen ergoͤtzli-
chen Orte zuzubringen.

Jedoch ich bin nicht geſonnen, hiervon viel zu phi-
loſophi
ren, ſondern erkenne mich ſchuldig, die fer-
nern Geſchichte vorzutragen: Nach nunmehro gluͤck-
lich vollbrachten Kirchen-Bau, machten ſich die al-
lermeiſten und beſten Holtz-Arbeiter uͤber die Auf-
richtung einer Mahl-Muͤhle her, welche allererſt
Philipp Krätzer auf dem Stephans-Raumer
Grund und Boden, mit Beyhuͤlffe Monſ. Litzbergs,
Lademanns, Plagers, Herrlichs
und Morgenthals
angeleget hatte. Der Altvater ſahe dieſem Baue
nebſt mir faſt alle Tage zu, wenn die Lufft gegen
Abend etwas kuͤhle zu werdenbegunnte, beſuchte auch
dann und wann ſeine Kinder in den andern Pflantz-
Staͤdten. Eines Tages aber, da uns Herr Kra-
mer
eine Menge vortrefflich groſſer Zucker-Scho-
ten geſendet hatte, kam dem Altvater die Luſt an, die-
ſes guten Hauswirths wohl angelegten Kuͤchen- und

Luſt-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0189" n="175"/>
          <p>Solchem nach befanden &#x017F;ich um &#x017F;elbige Zeit auf der<lb/>
Jn&#x017F;ul Fel&#x017F;enburg, an Jungen und Alten, Einhei-<lb/>
mi&#x017F;chen und Ausla&#x0364;ndi&#x017F;chen lebendigen Men&#x017F;chen:<lb/>
394. nemlich 203. Manns- und 191. Weibs-Per-<lb/>
&#x017F;onen, die in aller Fro&#x0364;mmigkeit, Liebe und Einigkeit<lb/>
mit einander lebten, und nach dem Exempel der er-<lb/>
&#x017F;ten chri&#x017F;tlichen Kirche eine treuhertzige Gemein-<lb/>
&#x017F;chafft der zeitlichen Gu&#x0364;ther untereinander hielten,<lb/>
keinen Eigennutz, auch im allergering&#x017F;ten Dinge zeig-<lb/>
ten, &#x017F;ondern ihren Na&#x0364;ch&#x017F;ten und &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zu dienen,<lb/>
alles mit Lu&#x017F;t verrichteten, worzu &#x017F;ie &#x017F;ich ge&#x017F;chickt be-<lb/>
fanden. Man &#x017F;age mir, welcher vernu&#x0364;nfftiger Men&#x017F;ch<lb/>
Scheu tragen, und nicht vielmehr hertzlich wu&#x0364;n&#x017F;chen<lb/>
&#x017F;olte, &#x017F;eine gantze Lebens-Zeit an dergleichen ergo&#x0364;tzli-<lb/>
chen Orte zuzubringen.</p><lb/>
          <p>Jedoch ich bin nicht ge&#x017F;onnen, hiervon viel zu <hi rendition="#aq">phi-<lb/>
lo&#x017F;ophi</hi>ren, &#x017F;ondern erkenne mich &#x017F;chuldig, die fer-<lb/>
nern Ge&#x017F;chichte vorzutragen: Nach nunmehro glu&#x0364;ck-<lb/>
lich vollbrachten Kirchen-Bau, machten &#x017F;ich die al-<lb/>
lermei&#x017F;ten und be&#x017F;ten Holtz-Arbeiter u&#x0364;ber die Auf-<lb/>
richtung einer Mahl-Mu&#x0364;hle her, welche allerer&#x017F;t<lb/><hi rendition="#aq">Philipp Krätzer</hi> auf dem <hi rendition="#aq">Stephans</hi>-Raumer<lb/>
Grund und Boden, mit Beyhu&#x0364;lffe <hi rendition="#aq">Mon&#x017F;. Litzbergs,<lb/>
Lademanns, Plagers, Herrlichs</hi> und <hi rendition="#aq">Morgenthals</hi><lb/>
angeleget hatte. Der Altvater &#x017F;ahe die&#x017F;em Baue<lb/>
neb&#x017F;t mir fa&#x017F;t alle Tage zu, wenn die Lufft gegen<lb/>
Abend etwas ku&#x0364;hle zu werdenbegunnte, be&#x017F;uchte auch<lb/>
dann und wann &#x017F;eine Kinder in den andern Pflantz-<lb/>
Sta&#x0364;dten. Eines Tages aber, da uns Herr <hi rendition="#aq">Kra-<lb/>
mer</hi> eine Menge vortrefflich gro&#x017F;&#x017F;er Zucker-Scho-<lb/>
ten ge&#x017F;endet hatte, kam dem Altvater die Lu&#x017F;t an, die-<lb/>
&#x017F;es guten Hauswirths wohl angelegten Ku&#x0364;chen- und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Lu&#x017F;t-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[175/0189] Solchem nach befanden ſich um ſelbige Zeit auf der Jnſul Felſenburg, an Jungen und Alten, Einhei- miſchen und Auslaͤndiſchen lebendigen Menſchen: 394. nemlich 203. Manns- und 191. Weibs-Per- ſonen, die in aller Froͤmmigkeit, Liebe und Einigkeit mit einander lebten, und nach dem Exempel der er- ſten chriſtlichen Kirche eine treuhertzige Gemein- ſchafft der zeitlichen Guͤther untereinander hielten, keinen Eigennutz, auch im allergeringſten Dinge zeig- ten, ſondern ihren Naͤchſten und ſich ſelbſt zu dienen, alles mit Luſt verrichteten, worzu ſie ſich geſchickt be- fanden. Man ſage mir, welcher vernuͤnfftiger Menſch Scheu tragen, und nicht vielmehr hertzlich wuͤnſchen ſolte, ſeine gantze Lebens-Zeit an dergleichen ergoͤtzli- chen Orte zuzubringen. Jedoch ich bin nicht geſonnen, hiervon viel zu phi- loſophiren, ſondern erkenne mich ſchuldig, die fer- nern Geſchichte vorzutragen: Nach nunmehro gluͤck- lich vollbrachten Kirchen-Bau, machten ſich die al- lermeiſten und beſten Holtz-Arbeiter uͤber die Auf- richtung einer Mahl-Muͤhle her, welche allererſt Philipp Krätzer auf dem Stephans-Raumer Grund und Boden, mit Beyhuͤlffe Monſ. Litzbergs, Lademanns, Plagers, Herrlichs und Morgenthals angeleget hatte. Der Altvater ſahe dieſem Baue nebſt mir faſt alle Tage zu, wenn die Lufft gegen Abend etwas kuͤhle zu werdenbegunnte, beſuchte auch dann und wann ſeine Kinder in den andern Pflantz- Staͤdten. Eines Tages aber, da uns Herr Kra- mer eine Menge vortrefflich groſſer Zucker-Scho- ten geſendet hatte, kam dem Altvater die Luſt an, die- ſes guten Hauswirths wohl angelegten Kuͤchen- und Luſt-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/189
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/189>, abgerufen am 23.11.2024.