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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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getrauete ich mir den Winter über mit meinem
Handwercks-Zeuge, und zwar nur zum Feyeraben-
de, wenigstens 50. Thlr. zu verdienen, derowegen
verkauffte meine zwey Pferde, den Bedienten aber,
weil er sehr getreu war, behielt ich bey mir, zumahl
da ihm der junge Cavalier Logis und Kost ebenfalls
frey gab, ich also nur dessen Lieberey zu bezahlen
hatte.

Mit meinem Fräulein Charlotten hatte ich in-
dessen, so offt als es nur möglich gewesen, Briefe ge-
wechselt, und von den ihrigen einen so starcken Vor-
rath in Händen, daß ich fast zwey Stunden Zeit
nehmen mußte, wenn ich mir das größte Vergnügen
mit Durchlesung derselben machen wolte. So
bald mich aber nur etwas weniges aufs neue in
Halle eingerichtet hatte, trieb mich die hefftige Be-
gierde, selbige wiederum einmahl zu sehen, dahin, dem
Herrn von V.** meine Aufwartung zu machen. Jch
wurde seiner angebohrnen Gütigkeit nach, hertzlich
wohl empfangen, stattete Rapport von meiner Reise
und gehabten Verrichtungen ab, und hatte das Ver-
gnügen meinen Engel an dem alten Orte ausführlich
zu sprechen und zu küssen. Sie erzehlete mir mit
Lachen, daß Ferdinand abermahls eine Vieh-
Magd, seiner Meinung nach in aller Stille mit 50.
Thlr. abgefertiget hätte, dem ohngeacht, weil sie sich
nichts darvon mercken liesse, begegnete er ihr noch
immer mit den äussersten Liebkosungen, und dränge
scharff darauf, daß ihre Vermählung noch vor
Weyhnachten vor sich gehen möchte. Allein sie
bliebe beständig darbey, daß es in ihrem Hertzen vor-
längst beschworen sey, vor Verlauff ihres 20sten Jah-

res

getrauete ich mir den Winter uͤber mit meinem
Handwercks-Zeuge, und zwar nur zum Feyeraben-
de, wenigſtens 50. Thlr. zu verdienen, derowegen
verkauffte meine zwey Pferde, den Bedienten aber,
weil er ſehr getreu war, behielt ich bey mir, zumahl
da ihm der junge Cavalier Logis und Koſt ebenfalls
frey gab, ich alſo nur deſſen Lieberey zu bezahlen
hatte.

Mit meinem Fraͤulein Charlotten hatte ich in-
deſſen, ſo offt als es nur moͤglich geweſen, Briefe ge-
wechſelt, und von den ihrigen einen ſo ſtarcken Vor-
rath in Haͤnden, daß ich faſt zwey Stunden Zeit
nehmen mußte, wenn ich mir das groͤßte Vergnuͤgen
mit Durchleſung derſelben machen wolte. So
bald mich aber nur etwas weniges aufs neue in
Halle eingerichtet hatte, trieb mich die hefftige Be-
gierde, ſelbige wiederum einmahl zu ſehen, dahin, dem
Herrn von V.** meine Aufwartung zu machen. Jch
wurde ſeiner angebohrnen Guͤtigkeit nach, hertzlich
wohl empfangen, ſtattete Rapport von meiner Reiſe
und gehabten Verrichtungen ab, und hatte das Ver-
gnuͤgen meinen Engel an dem alten Orte ausfuͤhrlich
zu ſprechen und zu kuͤſſen. Sie erzehlete mir mit
Lachen, daß Ferdinand abermahls eine Vieh-
Magd, ſeiner Meinung nach in aller Stille mit 50.
Thlr. abgefertiget haͤtte, dem ohngeacht, weil ſie ſich
nichts darvon mercken lieſſe, begegnete er ihr noch
immer mit den aͤuſſerſten Liebkoſungen, und draͤnge
ſcharff darauf, daß ihre Vermaͤhlung noch vor
Weyhnachten vor ſich gehen moͤchte. Allein ſie
bliebe beſtaͤndig darbey, daß es in ihrem Hertzen vor-
laͤngſt beſchworen ſey, vor Verlauff ihres 20ſten Jah-

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[124/0138] getrauete ich mir den Winter uͤber mit meinem Handwercks-Zeuge, und zwar nur zum Feyeraben- de, wenigſtens 50. Thlr. zu verdienen, derowegen verkauffte meine zwey Pferde, den Bedienten aber, weil er ſehr getreu war, behielt ich bey mir, zumahl da ihm der junge Cavalier Logis und Koſt ebenfalls frey gab, ich alſo nur deſſen Lieberey zu bezahlen hatte. Mit meinem Fraͤulein Charlotten hatte ich in- deſſen, ſo offt als es nur moͤglich geweſen, Briefe ge- wechſelt, und von den ihrigen einen ſo ſtarcken Vor- rath in Haͤnden, daß ich faſt zwey Stunden Zeit nehmen mußte, wenn ich mir das groͤßte Vergnuͤgen mit Durchleſung derſelben machen wolte. So bald mich aber nur etwas weniges aufs neue in Halle eingerichtet hatte, trieb mich die hefftige Be- gierde, ſelbige wiederum einmahl zu ſehen, dahin, dem Herrn von V.** meine Aufwartung zu machen. Jch wurde ſeiner angebohrnen Guͤtigkeit nach, hertzlich wohl empfangen, ſtattete Rapport von meiner Reiſe und gehabten Verrichtungen ab, und hatte das Ver- gnuͤgen meinen Engel an dem alten Orte ausfuͤhrlich zu ſprechen und zu kuͤſſen. Sie erzehlete mir mit Lachen, daß Ferdinand abermahls eine Vieh- Magd, ſeiner Meinung nach in aller Stille mit 50. Thlr. abgefertiget haͤtte, dem ohngeacht, weil ſie ſich nichts darvon mercken lieſſe, begegnete er ihr noch immer mit den aͤuſſerſten Liebkoſungen, und draͤnge ſcharff darauf, daß ihre Vermaͤhlung noch vor Weyhnachten vor ſich gehen moͤchte. Allein ſie bliebe beſtaͤndig darbey, daß es in ihrem Hertzen vor- laͤngſt beſchworen ſey, vor Verlauff ihres 20ſten Jah- res

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/138>, abgerufen am 28.11.2024.