Jch war von Hertzen, doch nicht halb so sehr über das empfangene Geschencke erfreuet, als da ich nun- mehro die Geburts-Stadt meines Vaters aus- gekundschafft hatte, versprach zwar alles wohl zu er- wegen, reisete aber unter dem Vorsatze fort, mit Göttlichem Beystande mein anderweitiges Glück zu suchen, und dergleichen falsch-und halsstarrig gesin- neren Bluts-Freunden nimmermehr wiederum vor die Augen zu kommen, noch vielweniger sie um eini- ne Bey-Steuer anzusprechen, weil mich lieber zeit- licher weise von ihnen verlassen, als geistlicher weise ins Verderben gestürtzt wissen wolte.
Also trat ich in der angenehmsten Sommers-Zeit meine Rück-Reisen an, und erreichte wenig Tage nach Johannis-Feste, meines sel. Vaters Ge- burts-Stadt, jedoch in selbiger war mein Ge- schlechts-Nahme, vor wenig Jahren, mit dem Groß- Vater gäntzlich ausgestorben, ingleichen meines Vaters älteste Schwester nebst ihrem Ehe-Manne, mit Hinterlassung dreyer Töchter verschieden, die andere aber lebte annoch mit einem Fürstlichen Se- cretario, in sehr vergnügter Ehe, und hatte zwey er- wachsene Töchter, auch so viel Söhne, die etwa 12. bis 15 Jahr alt waren. Diese Leute konten sich zwar wohl ihrem Stande gemäß aufführen, hatten aber allem Ansehen, und ihrem eigenen Geständ- nisse nach, wenig übrig, wie sich denn auch vermuth- lich dieser Ursachen wegen, keine anständige Freyer vor die sonst ziemlich fein aussehenden, und desto bes- ser gezogenen Jungfern anfinden wolten. Zu be- jammern war es, daß meine Groß-Eltern nicht in stärckern Mitteln gesessen, sondern im hohen Alter
vor
Jch war von Hertzen, doch nicht halb ſo ſehr uͤber das empfangene Geſchencke erfreuet, als da ich nun- mehro die Geburts-Stadt meines Vaters aus- gekundſchafft hatte, verſprach zwar alles wohl zu er- wegen, reiſete aber unter dem Vorſatze fort, mit Goͤttlichem Beyſtande mein anderweitiges Gluͤck zu ſuchen, und dergleichen falſch-und halsſtarrig geſin- neren Bluts-Freunden nimmermehr wiederum vor die Augen zu kommen, noch vielweniger ſie um eini- ne Bey-Steuer anzuſprechen, weil mich lieber zeit- licher weiſe von ihnen verlaſſen, als geiſtlicher weiſe ins Verderben geſtuͤrtzt wiſſen wolte.
Alſo trat ich in der angenehmſten Sommers-Zeit meine Ruͤck-Reiſen an, und erreichte wenig Tage nach Johannis-Feſte, meines ſel. Vaters Ge- burts-Stadt, jedoch in ſelbiger war mein Ge- ſchlechts-Nahme, vor wenig Jahren, mit dem Groß- Vater gaͤntzlich ausgeſtorben, ingleichen meines Vaters aͤlteſte Schweſter nebſt ihrem Ehe-Manne, mit Hinterlaſſung dreyer Toͤchter verſchieden, die andere aber lebte annoch mit einem Fuͤrſtlichen Se- cretario, in ſehr vergnuͤgter Ehe, und hatte zwey er- wachſene Toͤchter, auch ſo viel Soͤhne, die etwa 12. bis 15 Jahr alt waren. Dieſe Leute konten ſich zwar wohl ihrem Stande gemaͤß auffuͤhren, hatten aber allem Anſehen, und ihrem eigenen Geſtaͤnd- niſſe nach, wenig uͤbrig, wie ſich denn auch vermuth- lich dieſer Urſachen wegen, keine anſtaͤndige Freyer vor die ſonſt ziemlich fein ausſehenden, und deſto beſ- ſer gezogenen Jungfern anfinden wolten. Zu be- jammern war es, daß meine Groß-Eltern nicht in ſtaͤrckern Mitteln geſeſſen, ſondern im hohen Alter
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Jch war von Hertzen, doch nicht halb ſo ſehr uͤber
das empfangene Geſchencke erfreuet, als da ich nun-
mehro die Geburts-Stadt meines Vaters aus-
gekundſchafft hatte, verſprach zwar alles wohl zu er-
wegen, reiſete aber unter dem Vorſatze fort, mit
Goͤttlichem Beyſtande mein anderweitiges Gluͤck zu
ſuchen, und dergleichen falſch-und halsſtarrig geſin-
neren Bluts-Freunden nimmermehr wiederum vor
die Augen zu kommen, noch vielweniger ſie um eini-
ne Bey-Steuer anzuſprechen, weil mich lieber zeit-
licher weiſe von ihnen verlaſſen, als geiſtlicher
weiſe ins Verderben geſtuͤrtzt wiſſen wolte.
Alſo trat ich in der angenehmſten Sommers-Zeit
meine Ruͤck-Reiſen an, und erreichte wenig Tage
nach Johannis-Feſte, meines ſel. Vaters Ge-
burts-Stadt, jedoch in ſelbiger war mein Ge-
ſchlechts-Nahme, vor wenig Jahren, mit dem Groß-
Vater gaͤntzlich ausgeſtorben, ingleichen meines
Vaters aͤlteſte Schweſter nebſt ihrem Ehe-Manne,
mit Hinterlaſſung dreyer Toͤchter verſchieden, die
andere aber lebte annoch mit einem Fuͤrſtlichen Se-
cretario, in ſehr vergnuͤgter Ehe, und hatte zwey er-
wachſene Toͤchter, auch ſo viel Soͤhne, die etwa 12.
bis 15 Jahr alt waren. Dieſe Leute konten ſich
zwar wohl ihrem Stande gemaͤß auffuͤhren, hatten
aber allem Anſehen, und ihrem eigenen Geſtaͤnd-
niſſe nach, wenig uͤbrig, wie ſich denn auch vermuth-
lich dieſer Urſachen wegen, keine anſtaͤndige Freyer
vor die ſonſt ziemlich fein ausſehenden, und deſto beſ-
ſer gezogenen Jungfern anfinden wolten. Zu be-
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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/134>, abgerufen am 24.11.2024.
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