Bären-Haut liegen und die guten Tage zählen, son- dern auch um mein ferneres Aus-und Einkommen unbekümmert seyn wolte. Weßwegen ich um gnä- dige Erlaubniß bate, in meinen eigenen Standes- und Etats-Affairen eine Reise nach Wien anzu- treten, worbey mir sonderlich durch dessen gnädige Vorschrifft und selbst eigene Recommendation ein sicheres Conto zu finden getrauete.
Der gute alte Herr wandte zwar viele darwieder ein, schlug mir auch vor, von Ostern an, noch ein Jahr oder wohl länger bey seinen Söhnen auf der Universität zu bleiben, mittlerweile er auf aller- hand Mittel bedacht seyn wolle, mich nach meinen Meriten behörig zu versorgen; Allein die Liebe, ach! die hefftige Liebe zu Fräulein Charlotten, stack mir einmahl im Kopfe, und machte mich dermassen be- redsam, daß ich dadurch endlich meinen Zweck er- reichte, und 2. Tage nach Fast-Nachten 1715. mit 100. Thlr. Geld und einem propren Kleide von ihm abgefertiget wurde.
Nichts auf der Welt kam meinem Hertzen em- pfindlicher vor, als das klägliche Scheiden, ich wandte alle meine Beredtsamkeit und beweglichsten Caressen an, mein Fräulein Charlotten dahin zu bewegen, mir in der letzten Nacht einen geheimen Zutritt in ihrem Schlaf-Gemache zu erlauben, be- theurete auch bey allen dem, was heilig gehalten wird, weder mit Worten, Gebärden oder Wercken nicht das geringste wider ihre Ehre und Tugend zu tentiren, allein dieselbe war in diesem Stücke ein wenig allzu strenge, also mußte nur vergnügt seyn, daß meine Abschieds-Küsse, in grimmiger Kälte,
durch
Baͤren-Haut liegen und die guten Tage zaͤhlen, ſon- dern auch um mein ferneres Aus-und Einkommen unbekuͤmmert ſeyn wolte. Weßwegen ich um gnaͤ- dige Erlaubniß bate, in meinen eigenen Standes- und Etats-Affairen eine Reiſe nach Wien anzu- treten, worbey mir ſonderlich durch deſſen gnaͤdige Vorſchrifft und ſelbſt eigene Recommendation ein ſicheres Conto zu finden getrauete.
Der gute alte Herr wandte zwar viele darwieder ein, ſchlug mir auch vor, von Oſtern an, noch ein Jahr oder wohl laͤnger bey ſeinen Soͤhnen auf der Univerſitaͤt zu bleiben, mittlerweile er auf aller- hand Mittel bedacht ſeyn wolle, mich nach meinen Meriten behoͤrig zu verſorgen; Allein die Liebe, ach! die hefftige Liebe zu Fraͤulein Charlotten, ſtack mir einmahl im Kopfe, und machte mich dermaſſen be- redſam, daß ich dadurch endlich meinen Zweck er- reichte, und 2. Tage nach Faſt-Nachten 1715. mit 100. Thlr. Geld und einem propren Kleide von ihm abgefertiget wurde.
Nichts auf der Welt kam meinem Hertzen em- pfindlicher vor, als das klaͤgliche Scheiden, ich wandte alle meine Beredtſamkeit und beweglichſten Careſſen an, mein Fraͤulein Charlotten dahin zu bewegen, mir in der letzten Nacht einen geheimen Zutritt in ihrem Schlaf-Gemache zu erlauben, be- theurete auch bey allen dem, was heilig gehalten wird, weder mit Worten, Gebaͤrden oder Wercken nicht das geringſte wider ihre Ehre und Tugend zu tentiren, allein dieſelbe war in dieſem Stuͤcke ein wenig allzu ſtrenge, alſo mußte nur vergnuͤgt ſeyn, daß meine Abſchieds-Kuͤſſe, in grimmiger Kaͤlte,
durch
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0130"n="116"/>
Baͤren-Haut liegen und die guten Tage zaͤhlen, ſon-<lb/>
dern auch um mein ferneres Aus-und Einkommen<lb/>
unbekuͤmmert ſeyn wolte. Weßwegen ich um gnaͤ-<lb/>
dige Erlaubniß bate, in meinen eigenen Standes-<lb/>
und <hirendition="#aq">Etats-Affair</hi>en eine Reiſe nach Wien anzu-<lb/>
treten, worbey mir ſonderlich durch deſſen gnaͤdige<lb/>
Vorſchrifft und ſelbſt eigene <hirendition="#aq">Recommendation</hi> ein<lb/>ſicheres <hirendition="#aq">Conto</hi> zu finden getrauete.</p><lb/><p>Der gute alte Herr wandte zwar viele darwieder<lb/>
ein, ſchlug mir auch vor, von Oſtern an, noch ein<lb/>
Jahr oder wohl laͤnger bey ſeinen Soͤhnen auf der<lb/><hirendition="#aq">Univerſit</hi>aͤt zu bleiben, mittlerweile er auf aller-<lb/>
hand Mittel bedacht ſeyn wolle, mich nach meinen<lb/><hirendition="#aq">Meriten</hi> behoͤrig zu verſorgen; Allein die Liebe, ach!<lb/>
die hefftige Liebe zu Fraͤulein <hirendition="#aq">Charlotten,</hi>ſtack mir<lb/>
einmahl im Kopfe, und machte mich dermaſſen be-<lb/>
redſam, daß ich dadurch endlich meinen Zweck er-<lb/>
reichte, und 2. Tage nach Faſt-Nachten 1715. mit<lb/>
100. Thlr. Geld und einem <hirendition="#aq">propren</hi> Kleide von<lb/>
ihm abgefertiget wurde.</p><lb/><p>Nichts auf der Welt kam meinem Hertzen em-<lb/>
pfindlicher vor, als das klaͤgliche Scheiden, ich<lb/>
wandte alle meine Beredtſamkeit und beweglichſten<lb/><hirendition="#aq">Careſſen</hi> an, mein Fraͤulein <hirendition="#aq">Charlotten</hi> dahin zu<lb/>
bewegen, mir in der letzten Nacht einen geheimen<lb/>
Zutritt in ihrem Schlaf-Gemache zu erlauben, be-<lb/>
theurete auch bey allen dem, was heilig gehalten<lb/>
wird, weder mit Worten, Gebaͤrden oder Wercken<lb/>
nicht das geringſte wider ihre Ehre und Tugend zu<lb/><hirendition="#aq">tenti</hi>ren, allein dieſelbe war in dieſem Stuͤcke ein<lb/>
wenig allzu ſtrenge, alſo mußte nur vergnuͤgt ſeyn,<lb/>
daß meine Abſchieds-Kuͤſſe, in grimmiger Kaͤlte,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">durch</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[116/0130]
Baͤren-Haut liegen und die guten Tage zaͤhlen, ſon-
dern auch um mein ferneres Aus-und Einkommen
unbekuͤmmert ſeyn wolte. Weßwegen ich um gnaͤ-
dige Erlaubniß bate, in meinen eigenen Standes-
und Etats-Affairen eine Reiſe nach Wien anzu-
treten, worbey mir ſonderlich durch deſſen gnaͤdige
Vorſchrifft und ſelbſt eigene Recommendation ein
ſicheres Conto zu finden getrauete.
Der gute alte Herr wandte zwar viele darwieder
ein, ſchlug mir auch vor, von Oſtern an, noch ein
Jahr oder wohl laͤnger bey ſeinen Soͤhnen auf der
Univerſitaͤt zu bleiben, mittlerweile er auf aller-
hand Mittel bedacht ſeyn wolle, mich nach meinen
Meriten behoͤrig zu verſorgen; Allein die Liebe, ach!
die hefftige Liebe zu Fraͤulein Charlotten, ſtack mir
einmahl im Kopfe, und machte mich dermaſſen be-
redſam, daß ich dadurch endlich meinen Zweck er-
reichte, und 2. Tage nach Faſt-Nachten 1715. mit
100. Thlr. Geld und einem propren Kleide von
ihm abgefertiget wurde.
Nichts auf der Welt kam meinem Hertzen em-
pfindlicher vor, als das klaͤgliche Scheiden, ich
wandte alle meine Beredtſamkeit und beweglichſten
Careſſen an, mein Fraͤulein Charlotten dahin zu
bewegen, mir in der letzten Nacht einen geheimen
Zutritt in ihrem Schlaf-Gemache zu erlauben, be-
theurete auch bey allen dem, was heilig gehalten
wird, weder mit Worten, Gebaͤrden oder Wercken
nicht das geringſte wider ihre Ehre und Tugend zu
tentiren, allein dieſelbe war in dieſem Stuͤcke ein
wenig allzu ſtrenge, alſo mußte nur vergnuͤgt ſeyn,
daß meine Abſchieds-Kuͤſſe, in grimmiger Kaͤlte,
durch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/130>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.