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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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Und dennoch bleib ich immer froh.
Wer mich verdenckt,
Sey ungekränckt.
Jch bin nun so.

Gleich unter Lesung dieser aufrichtigen Zeilen
wurde mein Hertze dergestalt mit heisser Liebe er-
füllet, daß ich vor Freuden, ja recht innerlichen Ver-
gnügen gleichsam in einer Entzückung sitzen blieb.
Denn kurtz von der Sache zu reden, was konte wohl
deutlicher seyn, als daß mir Charlotte den Schlüs-
sel zu ihrem Hertzen zeigte, und sich nach einem kühn
gewagten Anfalle auf Discretion zu ergeben Mine
machte. Leugnen kan ich zwar im geringsten nicht,
daß ich dieses artige Fräulein noch als ein Kind, von
dem ersten Tage unserer Bekandschafft an, vor an-
dern recht hertzlich, doch heimlich geliebt, allein diese
Liebe war, in Betrachtung meines Zustandes, mit
so viel Respect und Hochachtung begleitet, daß mir
niemahls in die Gedancken kam, von ihr einige Ge-
gen-Liebe zu verlangen. Nunmehro aber wurde,
besagter massen, dergestalt aus mir selbst, und in die
Betrachtung aller ihrer Annehmlichkeit versetzt,
daß ich auch die mittägige Speise-Glocke darüber
verhörete, und erstlich abgeruft werden mußte.
Charlotte und ich konten bey der Tafel einander, oh-
ne merckliche Gemüths-Bewegungen, nicht lange
ansehen, derowegen passireten lauter verstohlene
Blicke, bis ich endlich die Gelegenheit beobachtete,
gegen Abend im spatziren gehen, das gantze Ge-
heimniß von der mit Ferdinando gemachten Kund-
schafft zu offenbaren, dieserwegen um Verzeihung
zu bitten, ihr meinen künfftigen gehorsamsten Re-

spect

Und dennoch bleib ich immer froh.
Wer mich verdenckt,
Sey ungekraͤnckt.
Jch bin nun ſo.

Gleich unter Leſung dieſer aufrichtigen Zeilen
wurde mein Hertze dergeſtalt mit heiſſer Liebe er-
fuͤllet, daß ich vor Freuden, ja recht innerlichen Ver-
gnuͤgen gleichſam in einer Entzuͤckung ſitzen blieb.
Denn kurtz von der Sache zu reden, was konte wohl
deutlicher ſeyn, als daß mir Charlotte den Schluͤſ-
ſel zu ihrem Hertzen zeigte, und ſich nach einem kuͤhn
gewagten Anfalle auf Diſcretion zu ergeben Mine
machte. Leugnen kan ich zwar im geringſten nicht,
daß ich dieſes artige Fraͤulein noch als ein Kind, von
dem erſten Tage unſerer Bekandſchafft an, vor an-
dern recht hertzlich, doch heimlich geliebt, allein dieſe
Liebe war, in Betrachtung meines Zuſtandes, mit
ſo viel Reſpect und Hochachtung begleitet, daß mir
niemahls in die Gedancken kam, von ihr einige Ge-
gen-Liebe zu verlangen. Nunmehro aber wurde,
beſagter maſſen, dergeſtalt aus mir ſelbſt, und in die
Betrachtung aller ihrer Annehmlichkeit verſetzt,
daß ich auch die mittaͤgige Speiſe-Glocke daruͤber
verhoͤrete, und erſtlich abgeruft werden mußte.
Charlotte und ich konten bey der Tafel einander, oh-
ne merckliche Gemuͤths-Bewegungen, nicht lange
anſehen, derowegen paſſireten lauter verſtohlene
Blicke, bis ich endlich die Gelegenheit beobachtete,
gegen Abend im ſpatziren gehen, das gantze Ge-
heimniß von der mit Ferdinando gemachten Kund-
ſchafft zu offenbaren, dieſerwegen um Verzeihung
zu bitten, ihr meinen kuͤnfftigen gehorſamſten Re-

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[110/0124] Und dennoch bleib ich immer froh. Wer mich verdenckt, Sey ungekraͤnckt. Jch bin nun ſo. Gleich unter Leſung dieſer aufrichtigen Zeilen wurde mein Hertze dergeſtalt mit heiſſer Liebe er- fuͤllet, daß ich vor Freuden, ja recht innerlichen Ver- gnuͤgen gleichſam in einer Entzuͤckung ſitzen blieb. Denn kurtz von der Sache zu reden, was konte wohl deutlicher ſeyn, als daß mir Charlotte den Schluͤſ- ſel zu ihrem Hertzen zeigte, und ſich nach einem kuͤhn gewagten Anfalle auf Diſcretion zu ergeben Mine machte. Leugnen kan ich zwar im geringſten nicht, daß ich dieſes artige Fraͤulein noch als ein Kind, von dem erſten Tage unſerer Bekandſchafft an, vor an- dern recht hertzlich, doch heimlich geliebt, allein dieſe Liebe war, in Betrachtung meines Zuſtandes, mit ſo viel Reſpect und Hochachtung begleitet, daß mir niemahls in die Gedancken kam, von ihr einige Ge- gen-Liebe zu verlangen. Nunmehro aber wurde, beſagter maſſen, dergeſtalt aus mir ſelbſt, und in die Betrachtung aller ihrer Annehmlichkeit verſetzt, daß ich auch die mittaͤgige Speiſe-Glocke daruͤber verhoͤrete, und erſtlich abgeruft werden mußte. Charlotte und ich konten bey der Tafel einander, oh- ne merckliche Gemuͤths-Bewegungen, nicht lange anſehen, derowegen paſſireten lauter verſtohlene Blicke, bis ich endlich die Gelegenheit beobachtete, gegen Abend im ſpatziren gehen, das gantze Ge- heimniß von der mit Ferdinando gemachten Kund- ſchafft zu offenbaren, dieſerwegen um Verzeihung zu bitten, ihr meinen kuͤnfftigen gehorſamſten Re- ſpect

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/124>, abgerufen am 24.11.2024.