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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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nenhero ich ihm selbiges alsofort zur Abschreibung
überlassen wolte; allein hier stack der Knoten, denn
der gute Edelmann konte nebst seinen Nahmen, we-
nig mehr als die teutschen Ziffern mahlen, also muß-
te ich nolens volens, mit etwas veränderter Hand,
die Sache selbst in Ordnung bringen, und zu allem
Uberflusse auch den Brief, nach der Mittags Mahl-
zeit, an Charlotten übersenden.

Hiermit war aber dennoch lange nicht alles aus-
gerichtet, sondern nunmehro mußte der gezwungene
Versifex, sich erstlich par force zu einem Capell-
Meister nothzüchtigen lassen, und gantz erbärmlich
lautende Noten über den jämmerlichen Text setzen.
So bald dieses geschehen, lieffen wir mit einander
eine halbe Meilewegs fort ins Holtz, allwo ich dem
lichterloh brennenden Venus-Bruder, die Melo-
dey etliche hundertmahl vorsingen mußte, ehe er die-
selbe auswendig lernen und sich getrauen konte, sel-
bige en faveur der dunckeln Nacht, unter Char-
lottens
Fenster abzusingen. Wir kamen abends
nicht zu Tische, sondern truncken uns in einer nah
gelegenen Schencke erstlich einen halben Rausch,
um desto mehrere Courage zu kriegen, unsere Abend
Musique ohne Pudeley abzulegen. So bald es
aber völlig Nacht worden, schlichen wir uns, ohne
Licht, gantz sachte auf meine Stube, von dar ich mei-
ne, bey Tage schon zurecht gestimmte Laute abhoh-
lete, und mich mit dem, von dem Cupido jämmer-
lich gepeitschten Geferten, zwischen etliche, noch
ziemlich belaubte Hasel-Nuß-Sträucher verfügte,
die Charlottens Schlaf-Cammer gerade gegen
über gewachsen waren. Jch hatt kaum angefan-

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nenhero ich ihm ſelbiges alſofort zur Abſchreibung
uͤberlaſſen wolte; allein hier ſtack der Knoten, denn
der gute Edelmann konte nebſt ſeinen Nahmen, we-
nig mehr als die teutſchen Ziffern mahlen, alſo muß-
te ich nolens volens, mit etwas veraͤnderter Hand,
die Sache ſelbſt in Ordnung bringen, und zu allem
Uberfluſſe auch den Brief, nach der Mittags Mahl-
zeit, an Charlotten uͤberſenden.

Hiermit war aber dennoch lange nicht alles aus-
gerichtet, ſondern nunmehro mußte der gezwungene
Verſifex, ſich erſtlich par force zu einem Capell-
Meiſter nothzuͤchtigen laſſen, und gantz erbaͤrmlich
lautende Noten uͤber den jaͤmmerlichen Text ſetzen.
So bald dieſes geſchehen, lieffen wir mit einander
eine halbe Meilewegs fort ins Holtz, allwo ich dem
lichterloh brennenden Venus-Bruder, die Melo-
dey etliche hundertmahl vorſingen mußte, ehe er die-
ſelbe auswendig lernen und ſich getrauen konte, ſel-
bige en faveur der dunckeln Nacht, unter Char-
lottens
Fenſter abzuſingen. Wir kamen abends
nicht zu Tiſche, ſondern truncken uns in einer nah
gelegenen Schencke erſtlich einen halben Rauſch,
um deſto mehrere Courage zu kriegen, unſere Abend
Muſique ohne Pudeley abzulegen. So bald es
aber voͤllig Nacht worden, ſchlichen wir uns, ohne
Licht, gantz ſachte auf meine Stube, von dar ich mei-
ne, bey Tage ſchon zurecht geſtimmte Laute abhoh-
lete, und mich mit dem, von dem Cupido jaͤmmer-
lich gepeitſchten Geferten, zwiſchen etliche, noch
ziemlich belaubte Haſel-Nuß-Straͤucher verfuͤgte,
die Charlottens Schlaf-Cammer gerade gegen
uͤber gewachſen waren. Jch hatt kaum angefan-

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[105/0119] nenhero ich ihm ſelbiges alſofort zur Abſchreibung uͤberlaſſen wolte; allein hier ſtack der Knoten, denn der gute Edelmann konte nebſt ſeinen Nahmen, we- nig mehr als die teutſchen Ziffern mahlen, alſo muß- te ich nolens volens, mit etwas veraͤnderter Hand, die Sache ſelbſt in Ordnung bringen, und zu allem Uberfluſſe auch den Brief, nach der Mittags Mahl- zeit, an Charlotten uͤberſenden. Hiermit war aber dennoch lange nicht alles aus- gerichtet, ſondern nunmehro mußte der gezwungene Verſifex, ſich erſtlich par force zu einem Capell- Meiſter nothzuͤchtigen laſſen, und gantz erbaͤrmlich lautende Noten uͤber den jaͤmmerlichen Text ſetzen. So bald dieſes geſchehen, lieffen wir mit einander eine halbe Meilewegs fort ins Holtz, allwo ich dem lichterloh brennenden Venus-Bruder, die Melo- dey etliche hundertmahl vorſingen mußte, ehe er die- ſelbe auswendig lernen und ſich getrauen konte, ſel- bige en faveur der dunckeln Nacht, unter Char- lottens Fenſter abzuſingen. Wir kamen abends nicht zu Tiſche, ſondern truncken uns in einer nah gelegenen Schencke erſtlich einen halben Rauſch, um deſto mehrere Courage zu kriegen, unſere Abend Muſique ohne Pudeley abzulegen. So bald es aber voͤllig Nacht worden, ſchlichen wir uns, ohne Licht, gantz ſachte auf meine Stube, von dar ich mei- ne, bey Tage ſchon zurecht geſtimmte Laute abhoh- lete, und mich mit dem, von dem Cupido jaͤmmer- lich gepeitſchten Geferten, zwiſchen etliche, noch ziemlich belaubte Haſel-Nuß-Straͤucher verfuͤgte, die Charlottens Schlaf-Cammer gerade gegen uͤber gewachſen waren. Jch hatt kaum angefan- gen g 5

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/119>, abgerufen am 24.11.2024.