wüsten Orte zurück bleiben, so muste mir gefallen lassen, das gestohlene Schiff zu besteigen, und mit ihnen von dannen zu seegeln, konte auch kaum so viel erbitten, daß sie unser bißheriges Fahrzeug nicht ver- senckten, sondern selbiges an dessen Stelle stehen liessen.
Kaum hatten wir die [h]ohe See erreicht, als sich die Meinigen ihres Diebstahls wegen ausser aller Gefahr zu seyn schätzten, derowegen alles, was im Schiffe befindlich war, eröffnet, besichtiget, und ein grosser Schatz an Golde nebst andern vortrefflichen Kostbarkeiten gefunden wurde. Allein, wir erfuhren leider! allerseits gar bald, daß der Himmel kein Ge- fallen an dergleichen Boßheit habe, sondern dieselbe ernstlich zu bestraffen gesinnet sey. Denn bald her- nach erhub sich ein abermahliger dermassen entsetzli- cher Sturm, dergleichen wohl leichtlich kein See- Fahrer hefftiger ausgestanden haben mag. Wir wurden von unserer erwehlten Strasse gantz seit- werts immer nach Süden zu getrieben, welches an dem erlangten Compasse, so offt es nur ein klein we- nig stille, deutlich zu ersehen war, es halff hier weder Arbeit noch Mühe, sondern wir musten uns gefallen lassen, dem aufgesperreten Rachen der gräßlichen und tödtlichen Fluthen entgegen zu eilen, viele wünsch- ten, durch einen plötzlichen Untergang ihrer Marter bald abzukommen, indem sie weder Tag noch Nacht ruhen konten, und die letzte klägliche Stun- de des Lebens in beständiger Unruhe unter dem schrecklichsten Hin- und Wiederkollern erwarten musten. Es währete dieser erste Ansatz des Sturms
16. Ta-
O o 5
wuͤſten Orte zuruͤck bleiben, ſo muſte mir gefallen laſſen, das geſtohlene Schiff zu beſteigen, und mit ihnen von dannen zu ſeegeln, konte auch kaum ſo viel erbitten, daß ſie unſer bißheriges Fahrzeug nicht ver- ſenckten, ſondern ſelbiges an deſſen Stelle ſtehen lieſſen.
Kaum hatten wir die [h]ohe See erreicht, als ſich die Meinigen ihres Diebſtahls wegen auſſer aller Gefahr zu ſeyn ſchaͤtzten, derowegen alles, was im Schiffe befindlich war, eroͤffnet, beſichtiget, und ein groſſer Schatz an Golde nebſt andern vortrefflichen Koſtbarkeiten gefunden wurde. Allein, wir erfuhren leider! allerſeits gar bald, daß der Himmel kein Ge- fallen an dergleichen Boßheit habe, ſondern dieſelbe ernſtlich zu beſtraffen geſinnet ſey. Denn bald her- nach erhub ſich ein abermahliger dermaſſen entſetzli- cher Sturm, dergleichen wohl leichtlich kein See- Fahrer hefftiger ausgeſtanden haben mag. Wir wurden von unſerer erwehlten Straſſe gantz ſeit- werts immer nach Suͤden zu getrieben, welches an dem erlangten Compaſſe, ſo offt es nur ein klein we- nig ſtille, deutlich zu erſehen war, es halff hier weder Arbeit noch Muͤhe, ſondern wir muſten uns gefallen laſſen, dem aufgeſperreten Rachen der graͤßlichen und toͤdtlichen Fluthen entgegen zu eilen, viele wuͤnſch- ten, durch einen ploͤtzlichen Untergang ihrer Marter bald abzukommen, indem ſie weder Tag noch Nacht ruhen konten, und die letzte klaͤgliche Stun- de des Lebens in beſtaͤndiger Unruhe unter dem ſchrecklichſten Hin- und Wiederkollern erwarten muſten. Es waͤhrete dieſer erſte Anſatz des Sturms
16. Ta-
O o 5
<TEI><text><back><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0599"n="585"/>
wuͤſten Orte zuruͤck bleiben, ſo muſte mir gefallen<lb/>
laſſen, das geſtohlene Schiff zu beſteigen, und mit<lb/>
ihnen von dannen zu ſeegeln, konte auch kaum ſo viel<lb/>
erbitten, daß ſie unſer bißheriges Fahrzeug nicht ver-<lb/>ſenckten, ſondern ſelbiges an deſſen Stelle ſtehen<lb/>
lieſſen.</p><lb/><p>Kaum hatten wir die <supplied>h</supplied>ohe See erreicht, als ſich<lb/>
die Meinigen ihres Diebſtahls wegen auſſer aller<lb/>
Gefahr zu ſeyn ſchaͤtzten, derowegen alles, was im<lb/>
Schiffe befindlich war, eroͤffnet, beſichtiget, und ein<lb/>
groſſer Schatz an Golde nebſt andern vortrefflichen<lb/>
Koſtbarkeiten gefunden wurde. Allein, wir erfuhren<lb/>
leider! allerſeits gar bald, daß der Himmel kein Ge-<lb/>
fallen an dergleichen Boßheit habe, ſondern dieſelbe<lb/>
ernſtlich zu beſtraffen geſinnet ſey. Denn bald her-<lb/>
nach erhub ſich ein abermahliger dermaſſen entſetzli-<lb/>
cher Sturm, dergleichen wohl leichtlich kein See-<lb/>
Fahrer hefftiger ausgeſtanden haben mag. Wir<lb/>
wurden von unſerer erwehlten Straſſe gantz ſeit-<lb/>
werts immer nach Suͤden zu getrieben, welches an<lb/>
dem erlangten <hirendition="#aq">Compaſſe,</hi>ſo offt es nur ein klein we-<lb/>
nig ſtille, deutlich zu erſehen war, es halff hier weder<lb/>
Arbeit noch Muͤhe, ſondern wir muſten uns gefallen<lb/>
laſſen, dem aufgeſperreten Rachen der graͤßlichen<lb/>
und toͤdtlichen Fluthen entgegen zu eilen, viele wuͤnſch-<lb/>
ten, durch einen ploͤtzlichen Untergang ihrer Marter<lb/>
bald abzukommen, indem ſie weder Tag noch<lb/>
Nacht ruhen konten, und die letzte klaͤgliche Stun-<lb/>
de des Lebens in beſtaͤndiger Unruhe unter dem<lb/>ſchrecklichſten Hin- und Wiederkollern erwarten<lb/>
muſten. Es waͤhrete dieſer erſte Anſatz des Sturms<lb/><fwplace="bottom"type="sig">O o 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">16. Ta-</fw><lb/></p></div></div></back></text></TEI>
[585/0599]
wuͤſten Orte zuruͤck bleiben, ſo muſte mir gefallen
laſſen, das geſtohlene Schiff zu beſteigen, und mit
ihnen von dannen zu ſeegeln, konte auch kaum ſo viel
erbitten, daß ſie unſer bißheriges Fahrzeug nicht ver-
ſenckten, ſondern ſelbiges an deſſen Stelle ſtehen
lieſſen.
Kaum hatten wir die hohe See erreicht, als ſich
die Meinigen ihres Diebſtahls wegen auſſer aller
Gefahr zu ſeyn ſchaͤtzten, derowegen alles, was im
Schiffe befindlich war, eroͤffnet, beſichtiget, und ein
groſſer Schatz an Golde nebſt andern vortrefflichen
Koſtbarkeiten gefunden wurde. Allein, wir erfuhren
leider! allerſeits gar bald, daß der Himmel kein Ge-
fallen an dergleichen Boßheit habe, ſondern dieſelbe
ernſtlich zu beſtraffen geſinnet ſey. Denn bald her-
nach erhub ſich ein abermahliger dermaſſen entſetzli-
cher Sturm, dergleichen wohl leichtlich kein See-
Fahrer hefftiger ausgeſtanden haben mag. Wir
wurden von unſerer erwehlten Straſſe gantz ſeit-
werts immer nach Suͤden zu getrieben, welches an
dem erlangten Compaſſe, ſo offt es nur ein klein we-
nig ſtille, deutlich zu erſehen war, es halff hier weder
Arbeit noch Muͤhe, ſondern wir muſten uns gefallen
laſſen, dem aufgeſperreten Rachen der graͤßlichen
und toͤdtlichen Fluthen entgegen zu eilen, viele wuͤnſch-
ten, durch einen ploͤtzlichen Untergang ihrer Marter
bald abzukommen, indem ſie weder Tag noch
Nacht ruhen konten, und die letzte klaͤgliche Stun-
de des Lebens in beſtaͤndiger Unruhe unter dem
ſchrecklichſten Hin- und Wiederkollern erwarten
muſten. Es waͤhrete dieſer erſte Anſatz des Sturms
16. Ta-
O o 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 585. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/599>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.