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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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Bedencken, dieselben zu schiessen, und als vortreffli-
che Lecker-Bissen zu verzehren, worbey wir eine ge-
wisse Wurtzel, die unsere Jndianer in ziemlicher
Menge fanden, an statt des Brodts gebrauchten.
Nechst diesen liessen sich auch etliche Vögel sehen, die
wir ebenfalls schossen, und mit grösten Appetit ver-
zehreten, anbey das Fleisch der vierfüßigen Thiere
dörreten, und auf den Nothfall spareten.

Jch konte meine Gefährten, ohngeacht sie mich
einhellig vor ihr Ober-Haupt erkläreten, durchaus
nicht bereden, die Rück-Fahrt nach St. Michael
vorzunehmen, weil ihnen allezeit ein Grausen an-
kam, so offt sie an die gefährlichen Klippen und
stürmende See gedachten, derowegen fuhren wir
immer gerades Weges vor uns von einer kleinen
Jnsul zur andern, biß uns endlich das Glück auf
eine ziemlich grosse führete, die mit Menschen be-
setzt war. Selbige kamen häuffig herzu, und sa-
hen uns Elenden, die wir durch 19. tägige Schiff-
Fahrt gantz krafftloß und ziemlich ausgehungert
waren, mit gröster Verwunderung zu Lande stei-
gen, machten aber dieserwegen nicht die geringste
grimmige Gebärden, sondern hätten uns vielleicht
gar als Götter angebethet, wenn unsere zwey Jn-
dianer ihnen nicht bedeutet hätten, daß wir arme
verirrete Menschen wären, die lauter Liebe und
Freundschafft gegen sie bezeugen würden, wofer-
ne man uns nur erlaubte, allhier auszuruhen, und
unsere hungerigen Magen mit einigen Früchten zu
befriedigen. Ob nun schon die Einwohner der un-
sern Sprache nicht völlig verstunden, sondern das
meiste durch Zeichen errathen musten, so erzeigten

sich

Bedencken, dieſelben zu ſchieſſen, und als vortreffli-
che Lecker-Biſſen zu verzehren, worbey wir eine ge-
wiſſe Wurtzel, die unſere Jndianer in ziemlicher
Menge fanden, an ſtatt des Brodts gebrauchten.
Nechſt dieſen lieſſen ſich auch etliche Voͤgel ſehen, die
wir ebenfalls ſchoſſen, und mit groͤſten Appetit ver-
zehreten, anbey das Fleiſch der vierfuͤßigen Thiere
doͤrreten, und auf den Nothfall ſpareten.

Jch konte meine Gefaͤhrten, ohngeacht ſie mich
einhellig vor ihr Ober-Haupt erklaͤreten, durchaus
nicht bereden, die Ruͤck-Fahrt nach St. Michaël
vorzunehmen, weil ihnen allezeit ein Grauſen an-
kam, ſo offt ſie an die gefaͤhrlichen Klippen und
ſtuͤrmende See gedachten, derowegen fuhren wir
immer gerades Weges vor uns von einer kleinen
Jnſul zur andern, biß uns endlich das Gluͤck auf
eine ziemlich groſſe fuͤhrete, die mit Menſchen be-
ſetzt war. Selbige kamen haͤuffig herzu, und ſa-
hen uns Elenden, die wir durch 19. taͤgige Schiff-
Fahrt gantz krafftloß und ziemlich ausgehungert
waren, mit groͤſter Verwunderung zu Lande ſtei-
gen, machten aber dieſerwegen nicht die geringſte
grimmige Gebaͤrden, ſondern haͤtten uns vielleicht
gar als Goͤtter angebethet, wenn unſere zwey Jn-
dianer ihnen nicht bedeutet haͤtten, daß wir arme
verirrete Menſchen waͤren, die lauter Liebe und
Freundſchafft gegen ſie bezeugen wuͤrden, wofer-
ne man uns nur erlaubte, allhier auszuruhen, und
unſere hungerigen Magen mit einigen Fruͤchten zu
befriedigen. Ob nun ſchon die Einwohner der un-
ſern Sprache nicht voͤllig verſtunden, ſondern das
meiſte durch Zeichen errathen muſten, ſo erzeigten

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[574/0588] Bedencken, dieſelben zu ſchieſſen, und als vortreffli- che Lecker-Biſſen zu verzehren, worbey wir eine ge- wiſſe Wurtzel, die unſere Jndianer in ziemlicher Menge fanden, an ſtatt des Brodts gebrauchten. Nechſt dieſen lieſſen ſich auch etliche Voͤgel ſehen, die wir ebenfalls ſchoſſen, und mit groͤſten Appetit ver- zehreten, anbey das Fleiſch der vierfuͤßigen Thiere doͤrreten, und auf den Nothfall ſpareten. Jch konte meine Gefaͤhrten, ohngeacht ſie mich einhellig vor ihr Ober-Haupt erklaͤreten, durchaus nicht bereden, die Ruͤck-Fahrt nach St. Michaël vorzunehmen, weil ihnen allezeit ein Grauſen an- kam, ſo offt ſie an die gefaͤhrlichen Klippen und ſtuͤrmende See gedachten, derowegen fuhren wir immer gerades Weges vor uns von einer kleinen Jnſul zur andern, biß uns endlich das Gluͤck auf eine ziemlich groſſe fuͤhrete, die mit Menſchen be- ſetzt war. Selbige kamen haͤuffig herzu, und ſa- hen uns Elenden, die wir durch 19. taͤgige Schiff- Fahrt gantz krafftloß und ziemlich ausgehungert waren, mit groͤſter Verwunderung zu Lande ſtei- gen, machten aber dieſerwegen nicht die geringſte grimmige Gebaͤrden, ſondern haͤtten uns vielleicht gar als Goͤtter angebethet, wenn unſere zwey Jn- dianer ihnen nicht bedeutet haͤtten, daß wir arme verirrete Menſchen waͤren, die lauter Liebe und Freundſchafft gegen ſie bezeugen wuͤrden, wofer- ne man uns nur erlaubte, allhier auszuruhen, und unſere hungerigen Magen mit einigen Fruͤchten zu befriedigen. Ob nun ſchon die Einwohner der un- ſern Sprache nicht voͤllig verſtunden, ſondern das meiſte durch Zeichen errathen muſten, ſo erzeigten ſich

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 574. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/588>, abgerufen am 25.11.2024.