Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

kümmerlich ihr Leben retten musten, welches wir
doch ingesammt, wegen Mangel der nöthigen Le-
bens-Mittel und anderer Bedürffnissen ehestens zu
verlieren, fast sichere Rechnung machen konten.

Endlich, nachdem wir uns etliche Tage mit Wur-
tzeln, Kräutern, auch elenden sauern Baum-Früchten
des Hungers erwehret, wurde beschlossen etwas tiefer
ins Land hinein zu rücken, und viellieber Heldenmü-
thig zu sterben, als so schändlich und verächtlich zu le-
ben, allein da wir kaum 4. Meilen Wegs zurück ge-
legt, begegnete uns eine erstaunliche Menge wohl be-
waffneter Jndianer, die den tapffern Vorsatz also-
bald zernichteten, und uns über Halß und Kopf mit
ihren vergiffteten Pfeilen an das Gestade des Meers,
allwo unsere Schiffe stunden, wieder rückwarts
jagten,

Die Bekümmerniß über diesen abermahligen
Unglücks-Fall war dennoch nicht so groß, als die
Freude so uns von einigen gesangenen Jndianern ge-
macht wurde, welche berichteten, daß oberhalb die-
ses Meer-Busens eine Landschafft läge, die an
Früchten und allen nothdürfftigen Lebens-Mitteln
alles im grösten Uberflusse hervor brächte. Don
Anciso
sahe sich also gezwungen, uns dahin zu füh-
ren. Die dasigen Einwohner hielten sich anfäng-
lich ziemlich ruhig, so bald wir aber anfiengen in die-
sem gesegneten Lande Häuser aufzubauen, und un-
sere Wirthschafft ordentlich einzurichten, brach der
König Comaccus mit seinen Unterthanen auf, und
versuchte uns frembde Gäste aus dem Lande zu ja-
gen. Es kam solchergestallt zu einem grausamen

Tref-

kuͤmmerlich ihr Leben retten muſten, welches wir
doch ingeſammt, wegen Mangel der noͤthigen Le-
bens-Mittel und anderer Beduͤrffniſſen eheſtens zu
verlieren, faſt ſichere Rechnung machen konten.

Endlich, nachdem wir uns etliche Tage mit Wur-
tzeln, Kraͤutern, auch elenden ſauern Baum-Fruͤchten
des Hungers erwehret, wurde beſchloſſen etwas tiefer
ins Land hinein zu ruͤcken, und viellieber Heldenmuͤ-
thig zu ſterben, als ſo ſchaͤndlich und veraͤchtlich zu le-
ben, allein da wir kaum 4. Meilen Wegs zuruͤck ge-
legt, begegnete uns eine erſtaunliche Menge wohl be-
waffneter Jndianer, die den tapffern Vorſatz alſo-
bald zernichteten, und uns uͤber Halß und Kopf mit
ihren vergiffteten Pfeilen an das Geſtade des Meers,
allwo unſere Schiffe ſtunden, wieder ruͤckwarts
jagten,

Die Bekuͤmmerniß uͤber dieſen abermahligen
Ungluͤcks-Fall war dennoch nicht ſo groß, als die
Freude ſo uns von einigen geſangenen Jndianern ge-
macht wurde, welche berichteten, daß oberhalb die-
ſes Meer-Buſens eine Landſchafft laͤge, die an
Fruͤchten und allen nothduͤrfftigen Lebens-Mitteln
alles im groͤſten Uberfluſſe hervor braͤchte. Don
Anciſo
ſahe ſich alſo gezwungen, uns dahin zu fuͤh-
ren. Die daſigen Einwohner hielten ſich anfaͤng-
lich ziemlich ruhig, ſo bald wir aber anfiengen in die-
ſem geſegneten Lande Haͤuſer aufzubauen, und un-
ſere Wirthſchafft ordentlich einzurichten, brach der
Koͤnig Comaccus mit ſeinen Unterthanen auf, und
verſuchte uns frembde Gaͤſte aus dem Lande zu ja-
gen. Es kam ſolchergeſtallt zu einem grauſamen

Tref-
<TEI>
  <text>
    <back>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0571" n="557"/>
ku&#x0364;mmerlich ihr Leben retten mu&#x017F;ten, welches wir<lb/>
doch inge&#x017F;ammt, wegen Mangel der no&#x0364;thigen Le-<lb/>
bens-Mittel und anderer Bedu&#x0364;rffni&#x017F;&#x017F;en ehe&#x017F;tens zu<lb/>
verlieren, fa&#x017F;t &#x017F;ichere Rechnung machen konten.</p><lb/>
          <p>Endlich, nachdem wir uns etliche Tage mit Wur-<lb/>
tzeln, Kra&#x0364;utern, auch elenden &#x017F;auern Baum-Fru&#x0364;chten<lb/>
des Hungers erwehret, wurde be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en etwas tiefer<lb/>
ins Land hinein zu ru&#x0364;cken, und viellieber Heldenmu&#x0364;-<lb/>
thig zu &#x017F;terben, als &#x017F;o &#x017F;cha&#x0364;ndlich und vera&#x0364;chtlich zu le-<lb/>
ben, allein da wir kaum 4. Meilen Wegs zuru&#x0364;ck ge-<lb/>
legt, begegnete uns eine er&#x017F;taunliche Menge wohl be-<lb/>
waffneter Jndianer, die den tapffern Vor&#x017F;atz al&#x017F;o-<lb/>
bald zernichteten, und uns u&#x0364;ber Halß und Kopf mit<lb/>
ihren vergiffteten Pfeilen an das Ge&#x017F;tade des Meers,<lb/>
allwo un&#x017F;ere Schiffe &#x017F;tunden, wieder ru&#x0364;ckwarts<lb/>
jagten,</p><lb/>
          <p>Die Beku&#x0364;mmerniß u&#x0364;ber die&#x017F;en abermahligen<lb/>
Unglu&#x0364;cks-Fall war dennoch nicht &#x017F;o groß, als die<lb/>
Freude &#x017F;o uns von einigen ge&#x017F;angenen Jndianern ge-<lb/>
macht wurde, welche berichteten, daß oberhalb die-<lb/>
&#x017F;es Meer-Bu&#x017F;ens eine Land&#x017F;chafft la&#x0364;ge, die an<lb/>
Fru&#x0364;chten und allen nothdu&#x0364;rfftigen Lebens-Mitteln<lb/>
alles im gro&#x0364;&#x017F;ten Uberflu&#x017F;&#x017F;e hervor bra&#x0364;chte. <hi rendition="#aq">Don<lb/>
Anci&#x017F;o</hi> &#x017F;ahe &#x017F;ich al&#x017F;o gezwungen, uns dahin zu fu&#x0364;h-<lb/>
ren. Die da&#x017F;igen Einwohner hielten &#x017F;ich anfa&#x0364;ng-<lb/>
lich ziemlich ruhig, &#x017F;o bald wir aber anfiengen in die-<lb/>
&#x017F;em ge&#x017F;egneten Lande Ha&#x0364;u&#x017F;er aufzubauen, und un-<lb/>
&#x017F;ere Wirth&#x017F;chafft ordentlich einzurichten, brach der<lb/>
Ko&#x0364;nig <hi rendition="#aq">Comaccus</hi> mit &#x017F;einen Unterthanen auf, und<lb/>
ver&#x017F;uchte uns frembde Ga&#x0364;&#x017F;te aus dem Lande zu ja-<lb/>
gen. Es kam &#x017F;olcherge&#x017F;tallt zu einem grau&#x017F;amen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Tref-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </back>
  </text>
</TEI>
[557/0571] kuͤmmerlich ihr Leben retten muſten, welches wir doch ingeſammt, wegen Mangel der noͤthigen Le- bens-Mittel und anderer Beduͤrffniſſen eheſtens zu verlieren, faſt ſichere Rechnung machen konten. Endlich, nachdem wir uns etliche Tage mit Wur- tzeln, Kraͤutern, auch elenden ſauern Baum-Fruͤchten des Hungers erwehret, wurde beſchloſſen etwas tiefer ins Land hinein zu ruͤcken, und viellieber Heldenmuͤ- thig zu ſterben, als ſo ſchaͤndlich und veraͤchtlich zu le- ben, allein da wir kaum 4. Meilen Wegs zuruͤck ge- legt, begegnete uns eine erſtaunliche Menge wohl be- waffneter Jndianer, die den tapffern Vorſatz alſo- bald zernichteten, und uns uͤber Halß und Kopf mit ihren vergiffteten Pfeilen an das Geſtade des Meers, allwo unſere Schiffe ſtunden, wieder ruͤckwarts jagten, Die Bekuͤmmerniß uͤber dieſen abermahligen Ungluͤcks-Fall war dennoch nicht ſo groß, als die Freude ſo uns von einigen geſangenen Jndianern ge- macht wurde, welche berichteten, daß oberhalb die- ſes Meer-Buſens eine Landſchafft laͤge, die an Fruͤchten und allen nothduͤrfftigen Lebens-Mitteln alles im groͤſten Uberfluſſe hervor braͤchte. Don Anciſo ſahe ſich alſo gezwungen, uns dahin zu fuͤh- ren. Die daſigen Einwohner hielten ſich anfaͤng- lich ziemlich ruhig, ſo bald wir aber anfiengen in die- ſem geſegneten Lande Haͤuſer aufzubauen, und un- ſere Wirthſchafft ordentlich einzurichten, brach der Koͤnig Comaccus mit ſeinen Unterthanen auf, und verſuchte uns frembde Gaͤſte aus dem Lande zu ja- gen. Es kam ſolchergeſtallt zu einem grauſamen Tref-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/571
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 557. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/571>, abgerufen am 22.11.2024.