kümmerlich ihr Leben retten musten, welches wir doch ingesammt, wegen Mangel der nöthigen Le- bens-Mittel und anderer Bedürffnissen ehestens zu verlieren, fast sichere Rechnung machen konten.
Endlich, nachdem wir uns etliche Tage mit Wur- tzeln, Kräutern, auch elenden sauern Baum-Früchten des Hungers erwehret, wurde beschlossen etwas tiefer ins Land hinein zu rücken, und viellieber Heldenmü- thig zu sterben, als so schändlich und verächtlich zu le- ben, allein da wir kaum 4. Meilen Wegs zurück ge- legt, begegnete uns eine erstaunliche Menge wohl be- waffneter Jndianer, die den tapffern Vorsatz also- bald zernichteten, und uns über Halß und Kopf mit ihren vergiffteten Pfeilen an das Gestade des Meers, allwo unsere Schiffe stunden, wieder rückwarts jagten,
Die Bekümmerniß über diesen abermahligen Unglücks-Fall war dennoch nicht so groß, als die Freude so uns von einigen gesangenen Jndianern ge- macht wurde, welche berichteten, daß oberhalb die- ses Meer-Busens eine Landschafft läge, die an Früchten und allen nothdürfftigen Lebens-Mitteln alles im grösten Uberflusse hervor brächte. Don Anciso sahe sich also gezwungen, uns dahin zu füh- ren. Die dasigen Einwohner hielten sich anfäng- lich ziemlich ruhig, so bald wir aber anfiengen in die- sem gesegneten Lande Häuser aufzubauen, und un- sere Wirthschafft ordentlich einzurichten, brach der König Comaccus mit seinen Unterthanen auf, und versuchte uns frembde Gäste aus dem Lande zu ja- gen. Es kam solchergestallt zu einem grausamen
Tref-
kuͤmmerlich ihr Leben retten muſten, welches wir doch ingeſammt, wegen Mangel der noͤthigen Le- bens-Mittel und anderer Beduͤrffniſſen eheſtens zu verlieren, faſt ſichere Rechnung machen konten.
Endlich, nachdem wir uns etliche Tage mit Wur- tzeln, Kraͤutern, auch elenden ſauern Baum-Fruͤchten des Hungers erwehret, wurde beſchloſſen etwas tiefer ins Land hinein zu ruͤcken, und viellieber Heldenmuͤ- thig zu ſterben, als ſo ſchaͤndlich und veraͤchtlich zu le- ben, allein da wir kaum 4. Meilen Wegs zuruͤck ge- legt, begegnete uns eine erſtaunliche Menge wohl be- waffneter Jndianer, die den tapffern Vorſatz alſo- bald zernichteten, und uns uͤber Halß und Kopf mit ihren vergiffteten Pfeilen an das Geſtade des Meers, allwo unſere Schiffe ſtunden, wieder ruͤckwarts jagten,
Die Bekuͤmmerniß uͤber dieſen abermahligen Ungluͤcks-Fall war dennoch nicht ſo groß, als die Freude ſo uns von einigen geſangenen Jndianern ge- macht wurde, welche berichteten, daß oberhalb die- ſes Meer-Buſens eine Landſchafft laͤge, die an Fruͤchten und allen nothduͤrfftigen Lebens-Mitteln alles im groͤſten Uberfluſſe hervor braͤchte. Don Anciſo ſahe ſich alſo gezwungen, uns dahin zu fuͤh- ren. Die daſigen Einwohner hielten ſich anfaͤng- lich ziemlich ruhig, ſo bald wir aber anfiengen in die- ſem geſegneten Lande Haͤuſer aufzubauen, und un- ſere Wirthſchafft ordentlich einzurichten, brach der Koͤnig Comaccus mit ſeinen Unterthanen auf, und verſuchte uns frembde Gaͤſte aus dem Lande zu ja- gen. Es kam ſolchergeſtallt zu einem grauſamen
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kuͤmmerlich ihr Leben retten muſten, welches wir
doch ingeſammt, wegen Mangel der noͤthigen Le-
bens-Mittel und anderer Beduͤrffniſſen eheſtens zu
verlieren, faſt ſichere Rechnung machen konten.
Endlich, nachdem wir uns etliche Tage mit Wur-
tzeln, Kraͤutern, auch elenden ſauern Baum-Fruͤchten
des Hungers erwehret, wurde beſchloſſen etwas tiefer
ins Land hinein zu ruͤcken, und viellieber Heldenmuͤ-
thig zu ſterben, als ſo ſchaͤndlich und veraͤchtlich zu le-
ben, allein da wir kaum 4. Meilen Wegs zuruͤck ge-
legt, begegnete uns eine erſtaunliche Menge wohl be-
waffneter Jndianer, die den tapffern Vorſatz alſo-
bald zernichteten, und uns uͤber Halß und Kopf mit
ihren vergiffteten Pfeilen an das Geſtade des Meers,
allwo unſere Schiffe ſtunden, wieder ruͤckwarts
jagten,
Die Bekuͤmmerniß uͤber dieſen abermahligen
Ungluͤcks-Fall war dennoch nicht ſo groß, als die
Freude ſo uns von einigen geſangenen Jndianern ge-
macht wurde, welche berichteten, daß oberhalb die-
ſes Meer-Buſens eine Landſchafft laͤge, die an
Fruͤchten und allen nothduͤrfftigen Lebens-Mitteln
alles im groͤſten Uberfluſſe hervor braͤchte. Don
Anciſo ſahe ſich alſo gezwungen, uns dahin zu fuͤh-
ren. Die daſigen Einwohner hielten ſich anfaͤng-
lich ziemlich ruhig, ſo bald wir aber anfiengen in die-
ſem geſegneten Lande Haͤuſer aufzubauen, und un-
ſere Wirthſchafft ordentlich einzurichten, brach der
Koͤnig Comaccus mit ſeinen Unterthanen auf, und
verſuchte uns frembde Gaͤſte aus dem Lande zu ja-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 557. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/571>, abgerufen am 22.11.2024.
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