scheinungen der Mutter GOttes, der Engel und an- derer Heiligen gewürdiget werden. Sie kam gemei- niglich Abends in der Demmerung mit verhülleten Gesichte, und brachte sehr öffters eine ebenfalls ver- hüllete junge Weibs-Person mit, die sie vor ihre Tochter aus gab. Ein eintziges mahl wurde mir ver- gönnet, ihr blosses Angesicht zu sehen, da ich denn bey der Alten ein ausserordentliches häßliches Gesich- te, die Junge aber ziemlich wohl gebildet wahr nahm, jedoch nachhero bekümmerte ich mich fast gantz und gar nicht mehr um ihren Aus-und Eingang, sondern ließ es immerhin geschehen, daß diese Leute, welche ich so wohl als meine Gemahlin vor scheinheilige Narren hielt, öfters etliche Tage und Wochen an einander in einem verschlossenen Zimmer sich aufge- halten, und mit den köstlichsten Speisen und Ge- träncke versorgt wurden. Jch muste auch nicht ohne Ursach ein Auge zudrücken, weil zu besürchten war, meine Gemahlin möchte dereinst beym Sterbe-Fall ihr grosses Vermögen mir entziehen, und ihren Freunden zuwenden.
Solchergestalt lebte nun bis ins vierdte Jahr mit der Donna Eleonora, wiewohl nicht sonderlich ver- gnügt, doch auch nicht gäntzlich unvergnügt, bis endlich folgende Begebenheit meine bisherige Ge- müths-Gelassenheit völlig vertrieb, und mein Hertz mit lauter Rach-Begierde und rasenden Eifer an- füllete: Meiner Gemahlin vertrautes Cammer- Mägdgen, Apollonia, wurde von ihren Mit-Be- dienten vor eine Geschwängerte ausgeschryen, und ohngeacht ihr dlcker Leib der Sache selbst einen star- cken Beweißthum gab, so verließ sie sich doch be-
ständig
ſcheinungen der Mutter GOttes, der Engel und an- derer Heiligen gewuͤrdiget werden. Sie kam gemei- niglich Abends in der Demmerung mit verhuͤlleten Geſichte, und brachte ſehr oͤffters eine ebenfalls ver- huͤllete junge Weibs-Perſon mit, die ſie vor ihre Tochter aus gab. Ein eintziges mahl wurde mir ver- goͤnnet, ihr bloſſes Angeſicht zu ſehen, da ich denn bey der Alten ein auſſerordentliches haͤßliches Geſich- te, die Junge aber ziemlich wohl gebildet wahr nahm, jedoch nachhero bekuͤmmerte ich mich faſt gantz und gar nicht mehr um ihren Aus-und Eingang, ſondern ließ es immerhin geſchehen, daß dieſe Leute, welche ich ſo wohl als meine Gemahlin vor ſcheinheilige Narren hielt, oͤfters etliche Tage und Wochen an einander in einem verſchloſſenen Zimmer ſich aufge- halten, und mit den koͤſtlichſten Speiſen und Ge- traͤncke verſorgt wurden. Jch muſte auch nicht ohne Urſach ein Auge zudruͤcken, weil zu beſuͤrchten war, meine Gemahlin moͤchte dereinſt beym Sterbe-Fall ihr groſſes Vermoͤgen mir entziehen, und ihren Freunden zuwenden.
Solchergeſtalt lebte nun bis ins vierdte Jahr mit der Donna Eleonora, wiewohl nicht ſonderlich ver- gnuͤgt, doch auch nicht gaͤntzlich unvergnuͤgt, bis endlich folgende Begebenheit meine bisherige Ge- muͤths-Gelaſſenheit voͤllig vertrieb, und mein Hertz mit lauter Rach-Begierde und raſenden Eifer an- fuͤllete: Meiner Gemahlin vertrautes Cammer- Maͤgdgen, Apollonia, wurde von ihren Mit-Be- dienten vor eine Geſchwaͤngerte ausgeſchryen, und ohngeacht ihr dlcker Leib der Sache ſelbſt einen ſtar- cken Beweißthum gab, ſo verließ ſie ſich doch be-
ſtaͤndig
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ſcheinungen der Mutter GOttes, der Engel und an-
derer Heiligen gewuͤrdiget werden. Sie kam gemei-
niglich Abends in der Demmerung mit verhuͤlleten
Geſichte, und brachte ſehr oͤffters eine ebenfalls ver-
huͤllete junge Weibs-Perſon mit, die ſie vor ihre
Tochter aus gab. Ein eintziges mahl wurde mir ver-
goͤnnet, ihr bloſſes Angeſicht zu ſehen, da ich denn
bey der Alten ein auſſerordentliches haͤßliches Geſich-
te, die Junge aber ziemlich wohl gebildet wahr nahm,
jedoch nachhero bekuͤmmerte ich mich faſt gantz und
gar nicht mehr um ihren Aus-und Eingang, ſondern
ließ es immerhin geſchehen, daß dieſe Leute, welche
ich ſo wohl als meine Gemahlin vor ſcheinheilige
Narren hielt, oͤfters etliche Tage und Wochen an
einander in einem verſchloſſenen Zimmer ſich aufge-
halten, und mit den koͤſtlichſten Speiſen und Ge-
traͤncke verſorgt wurden. Jch muſte auch nicht ohne
Urſach ein Auge zudruͤcken, weil zu beſuͤrchten war,
meine Gemahlin moͤchte dereinſt beym Sterbe-Fall
ihr groſſes Vermoͤgen mir entziehen, und ihren
Freunden zuwenden.
Solchergeſtalt lebte nun bis ins vierdte Jahr mit
der Donna Eleonora, wiewohl nicht ſonderlich ver-
gnuͤgt, doch auch nicht gaͤntzlich unvergnuͤgt, bis
endlich folgende Begebenheit meine bisherige Ge-
muͤths-Gelaſſenheit voͤllig vertrieb, und mein Hertz
mit lauter Rach-Begierde und raſenden Eifer an-
fuͤllete: Meiner Gemahlin vertrautes Cammer-
Maͤgdgen, Apollonia, wurde von ihren Mit-Be-
dienten vor eine Geſchwaͤngerte ausgeſchryen, und
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 528. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/542>, abgerufen am 25.11.2024.
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