Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

gemacht, denn am folgenden Morgen band ich die
grüne Liberey nebst dem Bildnisse auf meinen
Helm, legte einen gantz neuen Himmelblauen mit
goldenen Sternlein beworffenen Harnisch an, und
erschien also gantz unerkant in den Schrancken mit
meinen Schilde, worinnen ein junger Adler auf ei-
nem ertödten alten Adler mit ausgebreiteten Flü-
geln sitzend, und nach der Sonne sehend, zur De-
vise gemahlt war. Die aus dem Horatio genom-
mene Beyschrifft lautete also:

Non possunt aquilae generare columbam.
Deutsch:

Es bleibet bey dem alten Glauben,
Die Adler hecken keine Tauben.

Kaum hatte ich Zeit und Gelegenheit gehabt mei-
ne Kräffte an 4. Rittern zu probiren, worvon 3.
wanckend gemacht, den 4ten aber gäntzlich aus dem
Sattel gehoben und in den Sand gesetzt, als mir
ein unbekandter Schild-Knabe einen kleinen Zettel
einhändigte, auf welchen folgende Zeilen zu lesen
waren.

Verwegner Ritter,

ENtweder nehmet sogleich dasjenige
Bildniß und Liberey, welches ihr un-
rechtmäßiger weise auf eurem Helme füh-
ret, herunter, und liefert es durch Uberbrin-
gern dieses seinem Eigenthums-Herrn ein,
oder seyd gewärtig, daß nicht allein euern
bereits ziemlich erworbenen Ruhm, bey die-
sem Lust-Rennen nach allen Kräfften ver-
dunckeln, sondern euch Morgen Früh auf

Leib
J i

gemacht, denn am folgenden Morgen band ich die
gruͤne Liberey nebſt dem Bildniſſe auf meinen
Helm, legte einen gantz neuen Himmelblauen mit
goldenen Sternlein beworffenen Harniſch an, und
erſchien alſo gantz unerkant in den Schrancken mit
meinen Schilde, worinnen ein junger Adler auf ei-
nem ertoͤdten alten Adler mit ausgebreiteten Fluͤ-
geln ſitzend, und nach der Sonne ſehend, zur De-
viſe gemahlt war. Die aus dem Horatio genom-
mene Beyſchrifft lautete alſo:

Non poſſunt aquilæ generare columbam.
Deutſch:

Es bleibet bey dem alten Glauben,
Die Adler hecken keine Tauben.

Kaum hatte ich Zeit und Gelegenheit gehabt mei-
ne Kraͤffte an 4. Rittern zu probiren, worvon 3.
wanckend gemacht, den 4ten aber gaͤntzlich aus dem
Sattel gehoben und in den Sand geſetzt, als mir
ein unbekandter Schild-Knabe einen kleinen Zettel
einhaͤndigte, auf welchen folgende Zeilen zu leſen
waren.

Verwegner Ritter,

ENtweder nehmet ſogleich dasjenige
Bildniß und Liberey, welches ihr un-
rechtmaͤßiger weiſe auf eurem Helme fuͤh-
ret, herunter, und liefert es durch Uberbrin-
gern dieſes ſeinem Eigenthums-Herrn ein,
oder ſeyd gewaͤrtig, daß nicht allein euern
bereits ziemlich erworbenen Ruhm, bey die-
ſem Luſt-Rennen nach allen Kraͤfften ver-
dunckeln, ſondern euch Morgen Fruͤh auf

Leib
J i
<TEI>
  <text>
    <back>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0511" n="497"/>
gemacht, denn am folgenden Morgen band ich die<lb/>
gru&#x0364;ne Liberey neb&#x017F;t dem Bildni&#x017F;&#x017F;e auf meinen<lb/>
Helm, legte einen gantz neuen Himmelblauen mit<lb/>
goldenen Sternlein beworffenen Harni&#x017F;ch an, und<lb/>
er&#x017F;chien al&#x017F;o gantz unerkant in den Schrancken mit<lb/>
meinen Schilde, worinnen ein junger Adler auf ei-<lb/>
nem erto&#x0364;dten alten Adler mit ausgebreiteten Flu&#x0364;-<lb/>
geln &#x017F;itzend, und nach der Sonne &#x017F;ehend, zur <hi rendition="#aq">De-<lb/>
vi&#x017F;e</hi> gemahlt war. Die aus dem <hi rendition="#aq">Horatio</hi> genom-<lb/>
mene Bey&#x017F;chrifft lautete al&#x017F;o:</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">Non po&#x017F;&#x017F;unt aquilæ generare columbam.</hi><lb/>
Deut&#x017F;ch:</hi> </p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Es bleibet bey dem alten Glauben,</l><lb/>
            <l>Die Adler hecken keine Tauben.</l>
          </lg><lb/>
          <p>Kaum hatte ich Zeit und Gelegenheit gehabt mei-<lb/>
ne Kra&#x0364;ffte an 4. Rittern zu <hi rendition="#aq">probir</hi>en, worvon 3.<lb/>
wanckend gemacht, den 4ten aber ga&#x0364;ntzlich aus dem<lb/>
Sattel gehoben und in den Sand ge&#x017F;etzt, als mir<lb/>
ein unbekandter Schild-Knabe einen kleinen Zettel<lb/>
einha&#x0364;ndigte, auf welchen folgende Zeilen zu le&#x017F;en<lb/>
waren.</p><lb/>
          <floatingText>
            <body>
              <div type="letter">
                <opener>
                  <salute> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Verwegner Ritter,</hi> </hi> </salute>
                </opener><lb/>
                <p> <hi rendition="#fr"><hi rendition="#in">E</hi>Ntweder nehmet &#x017F;ogleich dasjenige<lb/>
Bildniß und Liberey, welches ihr un-<lb/>
rechtma&#x0364;ßiger wei&#x017F;e auf eurem Helme fu&#x0364;h-<lb/>
ret, herunter, und liefert es durch Uberbrin-<lb/>
gern die&#x017F;es &#x017F;einem Eigenthums-Herrn ein,<lb/>
oder &#x017F;eyd gewa&#x0364;rtig, daß nicht allein euern<lb/>
bereits ziemlich erworbenen Ruhm, bey die-<lb/>
&#x017F;em Lu&#x017F;t-Rennen nach allen Kra&#x0364;fften ver-<lb/>
dunckeln, &#x017F;ondern euch Morgen Fru&#x0364;h auf</hi><lb/>
                  <fw place="bottom" type="sig">J i</fw>
                  <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Leib</hi> </fw><lb/>
                </p>
              </div>
            </body>
          </floatingText>
        </div>
      </div>
    </back>
  </text>
</TEI>
[497/0511] gemacht, denn am folgenden Morgen band ich die gruͤne Liberey nebſt dem Bildniſſe auf meinen Helm, legte einen gantz neuen Himmelblauen mit goldenen Sternlein beworffenen Harniſch an, und erſchien alſo gantz unerkant in den Schrancken mit meinen Schilde, worinnen ein junger Adler auf ei- nem ertoͤdten alten Adler mit ausgebreiteten Fluͤ- geln ſitzend, und nach der Sonne ſehend, zur De- viſe gemahlt war. Die aus dem Horatio genom- mene Beyſchrifft lautete alſo: Non poſſunt aquilæ generare columbam. Deutſch: Es bleibet bey dem alten Glauben, Die Adler hecken keine Tauben. Kaum hatte ich Zeit und Gelegenheit gehabt mei- ne Kraͤffte an 4. Rittern zu probiren, worvon 3. wanckend gemacht, den 4ten aber gaͤntzlich aus dem Sattel gehoben und in den Sand geſetzt, als mir ein unbekandter Schild-Knabe einen kleinen Zettel einhaͤndigte, auf welchen folgende Zeilen zu leſen waren. Verwegner Ritter, ENtweder nehmet ſogleich dasjenige Bildniß und Liberey, welches ihr un- rechtmaͤßiger weiſe auf eurem Helme fuͤh- ret, herunter, und liefert es durch Uberbrin- gern dieſes ſeinem Eigenthums-Herrn ein, oder ſeyd gewaͤrtig, daß nicht allein euern bereits ziemlich erworbenen Ruhm, bey die- ſem Luſt-Rennen nach allen Kraͤfften ver- dunckeln, ſondern euch Morgen Fruͤh auf Leib J i

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/511
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/511>, abgerufen am 25.11.2024.