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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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hatte, wie nicht ich, sondern die mittelste Tochter
meiner Pflege-Mutter das gefundene Kind geboh-
ren, selbiges, vermittelst einer grossen Nadel, ermor-
det, eingepackt, und hinweg zu werffen befohlen hat-
te, und zwar so hätten nicht allein die übrigen zwey
Schwestern, sondern auch die Mutter selbst mit
Hand angelegt, dieweiln es bey ihnen nicht das erste
mahl sey, dergleichen Thaten begangen zu haben.
Meine andere tröstliche Zeitung war, daß mein bester
Freund Ambrosius vor wenig Stunden zurück ge-
kommen, und zu meiner Befreyung die äusersten
Mittel anzuwenden allbereits im Begriff sey.

Er bekam noch selbigen Abends, Erlaubniß, mich
in meinem Gefängnisse zu besuchen, und wäre bey
nahe in Ohnmacht gefallen, da er mich Elende
annoch in Ketten und Banden liegen sahe, allein,
er hatte doch nach Verlauff einer halben Stunde,
so wohl als ich, das Vergnügen, mich von den Ban-
den entlediget, und in ein reputirlicher Gefängniß
gebracht zu sehen. Jch will mich nicht aufhalten zu
beschreiben, wie jämmerlich und dennoch zärtlich
und tröstlich diese unsere Wiederzusammenkunfft
war, sondern nur melden, daß ich nach zweyen
Tagen durch seine ernstliche Bemühung in völlige
Freyheit gesetzt wurde. Uber dieses liesse er es sich
sehr viel kosten, wegen meiner Unschuld hinlängli-
che Erstattung des erlittenen Schimpffs von mei-
nen allzuhitzigen Inquisiteurs zu erhalten, empfing
auch so wohl von den geistlichen als weltlichen Ge-
richten die herrlichsten Ehren-Zeugnisse vor seine
und meine Person, am allermeisten aber erfreuete

er

hatte, wie nicht ich, ſondern die mittelſte Tochter
meiner Pflege-Mutter das gefundene Kind geboh-
ren, ſelbiges, vermittelſt einer groſſen Nadel, ermor-
det, eingepackt, und hinweg zu werffen befohlen hat-
te, und zwar ſo haͤtten nicht allein die uͤbrigen zwey
Schweſtern, ſondern auch die Mutter ſelbſt mit
Hand angelegt, dieweiln es bey ihnen nicht das erſte
mahl ſey, dergleichen Thaten begangen zu haben.
Meine andere troͤſtliche Zeitung war, daß mein beſter
Freund Ambroſius vor wenig Stunden zuruͤck ge-
kommen, und zu meiner Befreyung die aͤuſerſten
Mittel anzuwenden allbereits im Begriff ſey.

Er bekam noch ſelbigen Abends, Erlaubniß, mich
in meinem Gefaͤngniſſe zu beſuchen, und waͤre bey
nahe in Ohnmacht gefallen, da er mich Elende
annoch in Ketten und Banden liegen ſahe, allein,
er hatte doch nach Verlauff einer halben Stunde,
ſo wohl als ich, das Vergnuͤgen, mich von den Ban-
den entlediget, und in ein reputirlicher Gefaͤngniß
gebracht zu ſehen. Jch will mich nicht aufhalten zu
beſchreiben, wie jaͤmmerlich und dennoch zaͤrtlich
und troͤſtlich dieſe unſere Wiederzuſammenkunfft
war, ſondern nur melden, daß ich nach zweyen
Tagen durch ſeine ernſtliche Bemuͤhung in voͤllige
Freyheit geſetzt wurde. Uber dieſes lieſſe er es ſich
ſehr viel koſten, wegen meiner Unſchuld hinlaͤngli-
che Erſtattung des erlittenen Schimpffs von mei-
nen allzuhitzigen Inquiſiteurs zu erhalten, empfing
auch ſo wohl von den geiſtlichen als weltlichen Ge-
richten die herrlichſten Ehren-Zeugniſſe vor ſeine
und meine Perſon, am allermeiſten aber erfreuete

er
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[408/0422] hatte, wie nicht ich, ſondern die mittelſte Tochter meiner Pflege-Mutter das gefundene Kind geboh- ren, ſelbiges, vermittelſt einer groſſen Nadel, ermor- det, eingepackt, und hinweg zu werffen befohlen hat- te, und zwar ſo haͤtten nicht allein die uͤbrigen zwey Schweſtern, ſondern auch die Mutter ſelbſt mit Hand angelegt, dieweiln es bey ihnen nicht das erſte mahl ſey, dergleichen Thaten begangen zu haben. Meine andere troͤſtliche Zeitung war, daß mein beſter Freund Ambroſius vor wenig Stunden zuruͤck ge- kommen, und zu meiner Befreyung die aͤuſerſten Mittel anzuwenden allbereits im Begriff ſey. Er bekam noch ſelbigen Abends, Erlaubniß, mich in meinem Gefaͤngniſſe zu beſuchen, und waͤre bey nahe in Ohnmacht gefallen, da er mich Elende annoch in Ketten und Banden liegen ſahe, allein, er hatte doch nach Verlauff einer halben Stunde, ſo wohl als ich, das Vergnuͤgen, mich von den Ban- den entlediget, und in ein reputirlicher Gefaͤngniß gebracht zu ſehen. Jch will mich nicht aufhalten zu beſchreiben, wie jaͤmmerlich und dennoch zaͤrtlich und troͤſtlich dieſe unſere Wiederzuſammenkunfft war, ſondern nur melden, daß ich nach zweyen Tagen durch ſeine ernſtliche Bemuͤhung in voͤllige Freyheit geſetzt wurde. Uber dieſes lieſſe er es ſich ſehr viel koſten, wegen meiner Unſchuld hinlaͤngli- che Erſtattung des erlittenen Schimpffs von mei- nen allzuhitzigen Inquiſiteurs zu erhalten, empfing auch ſo wohl von den geiſtlichen als weltlichen Ge- richten die herrlichſten Ehren-Zeugniſſe vor ſeine und meine Perſon, am allermeiſten aber erfreuete er

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/422>, abgerufen am 24.11.2024.