nach einander eine erstaunliche Menge Eiter durch den Stuhlgang zum Vorschein kam, hierauf be- gunte mein dicker Leib allmählig zu fallen, das Fie- ber nachzulassen, mithin die Hoffnung, meiner völli- gen Genesung wegen, immer mehr und mehr zuzu- nehmen. Allein das Unglück, welches mich von Jugend an so grausam verfolget, hatte sich schon wieder aufs neue gerüstet, mir den allerempfindlich- sten Streich zu spielen, denn da ich einst um Mitter- nacht im süssen Schlummer lag, wurde meine Thür von den Gerichts-Dienern plötzlich eröffnet, ich, nebst meiner Wart-Frau in das gemeine Stadt- Gefängniß gebracht, und meiner grossen Schwach- heit ohngeacht, mit schweren Ketten belegt, ohne zu wissen aus was Ursachen man also grausam mit mir umginge. Gleich folgendes Tages aber er- fuhr ich mehr als zu klar, in was vor bösen Ver- dacht ich arme unschuldige Creatur gehalten wurde, denn es kamen etliche ansehnliche Männer im Ge- fängnisse bey mir an, welche, nach weitläufftiger Er- kundigung wegen meines Lebens und Wandels, endlich eine roth angestrichene Schachtel herbey bringen liessen, und mich befragten: Ob diese Schachtel mir zugehörete, oder sonsten etwa kännt- lich sey? Jch konte mit guten Gewissen und freyen Muthe Nein darzu sagen, so bald aber dieselbe erös- net, und mir ein halb verfaultes Kind darinnen ge- zeiget wurde, entsetzte ich mich dergestalt über diesen eckelhafften Anblick, daß mir augenblicklich eine Ohnmacht zustieß. Nachdem man meine entwi- chene Geister aber wiederum in einige Ordnung gebracht, wurde ich aufs neue befragt: Ob dieses
Kind
nach einander eine erſtaunliche Menge Eiter durch den Stuhlgang zum Vorſchein kam, hierauf be- gunte mein dicker Leib allmaͤhlig zu fallen, das Fie- ber nachzulaſſen, mithin die Hoffnung, meiner voͤlli- gen Geneſung wegen, immer mehr und mehr zuzu- nehmen. Allein das Ungluͤck, welches mich von Jugend an ſo grauſam verfolget, hatte ſich ſchon wieder aufs neue geruͤſtet, mir den allerempfindlich- ſten Streich zu ſpielen, denn da ich einſt um Mitter- nacht im ſuͤſſen Schlummer lag, wurde meine Thuͤr von den Gerichts-Dienern ploͤtzlich eroͤffnet, ich, nebſt meiner Wart-Frau in das gemeine Stadt- Gefaͤngniß gebracht, und meiner groſſen Schwach- heit ohngeacht, mit ſchweren Ketten belegt, ohne zu wiſſen aus was Urſachen man alſo grauſam mit mir umginge. Gleich folgendes Tages aber er- fuhr ich mehr als zu klar, in was vor boͤſen Ver- dacht ich arme unſchuldige Creatur gehalten wurde, denn es kamen etliche anſehnliche Maͤnner im Ge- faͤngniſſe bey mir an, welche, nach weitlaͤufftiger Er- kundigung wegen meines Lebens und Wandels, endlich eine roth angeſtrichene Schachtel herbey bringen lieſſen, und mich befragten: Ob dieſe Schachtel mir zugehoͤrete, oder ſonſten etwa kaͤnnt- lich ſey? Jch konte mit guten Gewiſſen und freyen Muthe Nein darzu ſagen, ſo bald aber dieſelbe eroͤſ- net, und mir ein halb verfaultes Kind darinnen ge- zeiget wurde, entſetzte ich mich dergeſtalt uͤber dieſen eckelhafften Anblick, daß mir augenblicklich eine Ohnmacht zuſtieß. Nachdem man meine entwi- chene Geiſter aber wiederum in einige Ordnung gebracht, wurde ich aufs neue befragt: Ob dieſes
Kind
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nach einander eine erſtaunliche Menge Eiter durch
den Stuhlgang zum Vorſchein kam, hierauf be-
gunte mein dicker Leib allmaͤhlig zu fallen, das Fie-
ber nachzulaſſen, mithin die Hoffnung, meiner voͤlli-
gen Geneſung wegen, immer mehr und mehr zuzu-
nehmen. Allein das Ungluͤck, welches mich von
Jugend an ſo grauſam verfolget, hatte ſich ſchon
wieder aufs neue geruͤſtet, mir den allerempfindlich-
ſten Streich zu ſpielen, denn da ich einſt um Mitter-
nacht im ſuͤſſen Schlummer lag, wurde meine Thuͤr
von den Gerichts-Dienern ploͤtzlich eroͤffnet, ich,
nebſt meiner Wart-Frau in das gemeine Stadt-
Gefaͤngniß gebracht, und meiner groſſen Schwach-
heit ohngeacht, mit ſchweren Ketten belegt, ohne zu
wiſſen aus was Urſachen man alſo grauſam mit
mir umginge. Gleich folgendes Tages aber er-
fuhr ich mehr als zu klar, in was vor boͤſen Ver-
dacht ich arme unſchuldige Creatur gehalten wurde,
denn es kamen etliche anſehnliche Maͤnner im Ge-
faͤngniſſe bey mir an, welche, nach weitlaͤufftiger Er-
kundigung wegen meines Lebens und Wandels,
endlich eine roth angeſtrichene Schachtel herbey
bringen lieſſen, und mich befragten: Ob dieſe
Schachtel mir zugehoͤrete, oder ſonſten etwa kaͤnnt-
lich ſey? Jch konte mit guten Gewiſſen und freyen
Muthe Nein darzu ſagen, ſo bald aber dieſelbe eroͤſ-
net, und mir ein halb verfaultes Kind darinnen ge-
zeiget wurde, entſetzte ich mich dergeſtalt uͤber dieſen
eckelhafften Anblick, daß mir augenblicklich eine
Ohnmacht zuſtieß. Nachdem man meine entwi-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/416>, abgerufen am 24.11.2024.
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