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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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die dergleichen Mord-Spiel weder verwehren, noch
in die Länge ansehen kan, laufft alsobald und rufft
den Ambrosius zu Hülffe. Dieser kömmt nebst
seinem Diener eiligst herzu, und findet mich in dem
allererbärmlichsten Zustande, läst derowegen seinem
gerechten Eyfer den Zügel schiessen, und zerprügelt
seine 3. leiblichen Schwestern dergestalt, daß sie in
vielen Wochen nicht aus dem Betten steigen kön-
nen, mich halb todte Creatur aber, trägt er auf den
Armen in sein eigenes Bette, lässet nebst einem ver-
ständigen Artzte, zwey Wart-Frauen holen, machte
also zu meiner besten Verpflegung und Cur die herr-
lichsten Anstalten. Jch erkannte sein redliches Ge-
müthe mehr als zu wohl, indem er sich fast niemals
zu meinem Bette nahete, oder sich meines Zustandes
erkundigte, daß ihm nicht die hellen Thränen von
den Wangen herab gelauffen wären, so bald er
auch merckte, daß es mir unmöglich wäre, in diesem
vor mich unglückseeligen Hause einige Ruhe zu ge-
niessen, vielweniger auf meine Genesung zu hoffen,
ließ er mich in ein anderes, nächst dem seinen gelege-
nes Hauß bringen, allwo in dem einsamen Hinter-
Gebäue eine schöne Gelegenheit zu meiner desto
bessern Verpflegung bereitet war.

Er ließ es also an nichts sehlen meine Genesung
aufs eiligste zu befördern, und besuchte mich täg-
lich sehr öffters, allein meine Kranckheit schien
von Tage zu Tage gefährlicher zu werden, wei-
len die Fuß-Tritte meiner alten Pflege-Mutter
eine starcke Geschwulst in meinem Unterleibe ver-
uhrsacht hatten, welche mit einem schlimmen Fie-
ber vergesellschafftet war, so, daß der Medicus

nach-

die dergleichen Mord-Spiel weder verwehren, noch
in die Laͤnge anſehen kan, laufft alſobald und rufft
den Ambroſius zu Huͤlffe. Dieſer koͤmmt nebſt
ſeinem Diener eiligſt herzu, und findet mich in dem
allererbaͤrmlichſten Zuſtande, laͤſt derowegen ſeinem
gerechten Eyfer den Zuͤgel ſchieſſen, und zerpruͤgelt
ſeine 3. leiblichen Schweſtern dergeſtalt, daß ſie in
vielen Wochen nicht aus dem Betten ſteigen koͤn-
nen, mich halb todte Creatur aber, traͤgt er auf den
Armen in ſein eigenes Bette, laͤſſet nebſt einem ver-
ſtaͤndigen Artzte, zwey Wart-Frauen holen, machte
alſo zu meiner beſten Verpflegung und Cur die herr-
lichſten Anſtalten. Jch erkannte ſein redliches Ge-
muͤthe mehr als zu wohl, indem er ſich faſt niemals
zu meinem Bette nahete, oder ſich meines Zuſtandes
erkundigte, daß ihm nicht die hellen Thraͤnen von
den Wangen herab gelauffen waͤren, ſo bald er
auch merckte, daß es mir unmoͤglich waͤre, in dieſem
vor mich ungluͤckſeeligen Hauſe einige Ruhe zu ge-
nieſſen, vielweniger auf meine Geneſung zu hoffen,
ließ er mich in ein anderes, naͤchſt dem ſeinen gelege-
nes Hauß bringen, allwo in dem einſamen Hinter-
Gebaͤue eine ſchoͤne Gelegenheit zu meiner deſto
beſſern Verpflegung bereitet war.

Er ließ es alſo an nichts ſehlen meine Geneſung
aufs eiligſte zu befoͤrdern, und beſuchte mich taͤg-
lich ſehr oͤffters, allein meine Kranckheit ſchien
von Tage zu Tage gefaͤhrlicher zu werden, wei-
len die Fuß-Tritte meiner alten Pflege-Mutter
eine ſtarcke Geſchwulſt in meinem Unterleibe ver-
uhrſacht hatten, welche mit einem ſchlimmen Fie-
ber vergeſellſchafftet war, ſo, daß der Medicus

nach-
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[399/0413] die dergleichen Mord-Spiel weder verwehren, noch in die Laͤnge anſehen kan, laufft alſobald und rufft den Ambroſius zu Huͤlffe. Dieſer koͤmmt nebſt ſeinem Diener eiligſt herzu, und findet mich in dem allererbaͤrmlichſten Zuſtande, laͤſt derowegen ſeinem gerechten Eyfer den Zuͤgel ſchieſſen, und zerpruͤgelt ſeine 3. leiblichen Schweſtern dergeſtalt, daß ſie in vielen Wochen nicht aus dem Betten ſteigen koͤn- nen, mich halb todte Creatur aber, traͤgt er auf den Armen in ſein eigenes Bette, laͤſſet nebſt einem ver- ſtaͤndigen Artzte, zwey Wart-Frauen holen, machte alſo zu meiner beſten Verpflegung und Cur die herr- lichſten Anſtalten. Jch erkannte ſein redliches Ge- muͤthe mehr als zu wohl, indem er ſich faſt niemals zu meinem Bette nahete, oder ſich meines Zuſtandes erkundigte, daß ihm nicht die hellen Thraͤnen von den Wangen herab gelauffen waͤren, ſo bald er auch merckte, daß es mir unmoͤglich waͤre, in dieſem vor mich ungluͤckſeeligen Hauſe einige Ruhe zu ge- nieſſen, vielweniger auf meine Geneſung zu hoffen, ließ er mich in ein anderes, naͤchſt dem ſeinen gelege- nes Hauß bringen, allwo in dem einſamen Hinter- Gebaͤue eine ſchoͤne Gelegenheit zu meiner deſto beſſern Verpflegung bereitet war. Er ließ es alſo an nichts ſehlen meine Geneſung aufs eiligſte zu befoͤrdern, und beſuchte mich taͤg- lich ſehr oͤffters, allein meine Kranckheit ſchien von Tage zu Tage gefaͤhrlicher zu werden, wei- len die Fuß-Tritte meiner alten Pflege-Mutter eine ſtarcke Geſchwulſt in meinem Unterleibe ver- uhrſacht hatten, welche mit einem ſchlimmen Fie- ber vergeſellſchafftet war, ſo, daß der Medicus nach-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/413>, abgerufen am 24.11.2024.