ob schon kein eintziger eigentlich wissen konte, um welche Gegend der Welt wir uns befänden.
Fünff Wochen lieffen wir also in der Jrre her- um, und hatten binnen der Zeit nicht allein viele Beschädigungen am Schiffe erlitten, sondern auch alle Acker, Mast und besten Seegel verlohren, und zum allergrösten Unglücke ging mit der 6ten Woche nicht allein das süsse Wasser, sondern auch fast aller Proviant zum Ende, doch hatte der ehrli- che Schimmer die Vorsicht gebraucht, in unsere Kammer nach und nach heimlich so viel einzutra- gen, worvon wir und seine Freunde noch einige Wochen länger als die andern gut zu leben hatten; dahingegen Alexander, Gallus und andere allbe- reit anfangen musten, Leder und andere noch ecke- lere Sachen zu ihrer Speise zu suchen.
Endlich mochte ein schändlicher Bube unsere lie- be Sabina an einem harten Stücke Zwieback haben nagen sehen, weßwegen so gleich ein Lermen ent- stund, so, daß viele behaupten wolten, es müste noch vor alle Vorrath genug vorhanden seyn. Dero- wegen rotteten sich etliche zusammen, brachen in un- sere Kammer ein, und da sie noch vor etwa 10. Per- sonen auf 3. Wochen Speise darinnen fanden, wurden wir dieser wegen erbärmlich, ja fast biß auf den Todt von ihnen geprügelt. Mons. Schim- mer hatte dieses Lerm nicht so bald vernommen, als er mit seinen Freunden herzu kam, und uns aus ih- ren Händen retten wolte, da aber so gleich einer von seiner Parthey darnieder gestochen wurde, kam es zu einem solchen entsetzlichen Blutvergiessen, daß, wenn ich noch daran gedencke, mir die Haare zu
Berge
ob ſchon kein eintziger eigentlich wiſſen konte, um welche Gegend der Welt wir uns befaͤnden.
Fuͤnff Wochen lieffen wir alſo in der Jrre her- um, und hatten binnen der Zeit nicht allein viele Beſchaͤdigungen am Schiffe erlitten, ſondern auch alle Acker, Maſt und beſten Seegel verlohren, und zum allergroͤſten Ungluͤcke ging mit der 6ten Woche nicht allein das ſuͤſſe Waſſer, ſondern auch faſt aller Proviant zum Ende, doch hatte der ehrli- che Schimmer die Vorſicht gebraucht, in unſere Kammer nach und nach heimlich ſo viel einzutra- gen, worvon wir und ſeine Freunde noch einige Wochen laͤnger als die andern gut zu leben hatten; dahingegen Alexander, Gallus und andere allbe- reit anfangen muſten, Leder und andere noch ecke- lere Sachen zu ihrer Speiſe zu ſuchen.
Endlich mochte ein ſchaͤndlicher Bube unſere lie- be Sabina an einem harten Stuͤcke Zwieback haben nagen ſehen, weßwegen ſo gleich ein Lermen ent- ſtund, ſo, daß viele behaupten wolten, es muͤſte noch vor alle Vorrath genug vorhanden ſeyn. Dero- wegen rotteten ſich etliche zuſammen, brachen in un- ſere Kammer ein, und da ſie noch vor etwa 10. Per- ſonen auf 3. Wochen Speiſe darinnen fanden, wurden wir dieſer wegen erbaͤrmlich, ja faſt biß auf den Todt von ihnen gepruͤgelt. Monſ. Schim- mer hatte dieſes Lerm nicht ſo bald vernommen, als er mit ſeinen Freunden herzu kam, und uns aus ih- ren Haͤnden retten wolte, da aber ſo gleich einer von ſeiner Parthey darnieder geſtochen wurde, kam es zu einem ſolchen entſetzlichen Blutvergieſſen, daß, wenn ich noch daran gedencke, mir die Haare zu
Berge
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ob ſchon kein eintziger eigentlich wiſſen konte, um
welche Gegend der Welt wir uns befaͤnden.
Fuͤnff Wochen lieffen wir alſo in der Jrre her-
um, und hatten binnen der Zeit nicht allein viele
Beſchaͤdigungen am Schiffe erlitten, ſondern auch
alle Acker, Maſt und beſten Seegel verlohren,
und zum allergroͤſten Ungluͤcke ging mit der 6ten
Woche nicht allein das ſuͤſſe Waſſer, ſondern auch
faſt aller Proviant zum Ende, doch hatte der ehrli-
che Schimmer die Vorſicht gebraucht, in unſere
Kammer nach und nach heimlich ſo viel einzutra-
gen, worvon wir und ſeine Freunde noch einige
Wochen laͤnger als die andern gut zu leben hatten;
dahingegen Alexander, Gallus und andere allbe-
reit anfangen muſten, Leder und andere noch ecke-
lere Sachen zu ihrer Speiſe zu ſuchen.
Endlich mochte ein ſchaͤndlicher Bube unſere lie-
be Sabina an einem harten Stuͤcke Zwieback haben
nagen ſehen, weßwegen ſo gleich ein Lermen ent-
ſtund, ſo, daß viele behaupten wolten, es muͤſte noch
vor alle Vorrath genug vorhanden ſeyn. Dero-
wegen rotteten ſich etliche zuſammen, brachen in un-
ſere Kammer ein, und da ſie noch vor etwa 10. Per-
ſonen auf 3. Wochen Speiſe darinnen fanden,
wurden wir dieſer wegen erbaͤrmlich, ja faſt biß
auf den Todt von ihnen gepruͤgelt. Monſ. Schim-
mer hatte dieſes Lerm nicht ſo bald vernommen, als
er mit ſeinen Freunden herzu kam, und uns aus ih-
ren Haͤnden retten wolte, da aber ſo gleich einer
von ſeiner Parthey darnieder geſtochen wurde, kam
es zu einem ſolchen entſetzlichen Blutvergieſſen, daß,
wenn ich noch daran gedencke, mir die Haare zu
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/348>, abgerufen am 22.11.2024.
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