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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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ehe die vorige Gesundheit wieder zu erlangen
war.

Nach Verlauf selbiger Zeit, befand sich mein wer-
ther Ehe-Schatz zwar wiederum bey völligen Kräf-
ten und sahe in ihrem 35ten Jahre noch so schön und
frisch aus als eine Jungfrau, hat aber doch niemals
wiederum ins Wochen-Bette kommen können.
Gleichwohl wurden wir darüber nicht ungeduldig,
sondern danckten GOtt, daß sich unsere 9. lieben
Kinder bey völliger Leibes-Gesundheit befanden,
und in Gottesfurcht und Zucht heran wuchsen, wie
ich denn nicht sagen kan, daß wir Ursach gehabt hät-
ten, uns über eins oder anderes zu ärgern, oder die
Schärffe zu gebrauchen, sondern muß gestehen, daß
sie, bloß auf einen Winck und Wort ihrer Eltern,
alles thaten, was von ihnen verlangt wurde, und
eben dieses schrieben wir nicht schlechterdings unserer
klugen Aufferziehung, sondern einer besondern Gna-
de GOttes zu.

Meine Stief-Tochter Concordia, die nunmehro
ihre mannbaren Jahre erreichte, war gewiß ein
Mägdlein von ausbündiger Schönheit, Tugend,
Klugheit und Gottesfurcht, und wuste die Hauß-
haltung dermassen wohl zu führen, daß ich, und ihre
Mutter sonderlich eine grosse Erleichterung unserer
dahero gehabten Mühe und Arbeit verspüreten.
Selbige meine liebe Ehe-Gattin muste sich also mit
Gewalt gute Tage machen, und ihre Zeit bloß mit
der kleinsten Kinder Lehrung und guter Erziehung
vertreiben. Meine zwey ältesten Zwillinge hatte
ich mit göttlicher Hülffe schon so weit gebracht, daß
sie den kleinen Geschwister das Lesen, Schreiben

und

ehe die vorige Geſundheit wieder zu erlangen
war.

Nach Verlauf ſelbiger Zeit, befand ſich mein wer-
ther Ehe-Schatz zwar wiederum bey voͤlligen Kraͤf-
ten und ſahe in ihrem 35ten Jahre noch ſo ſchoͤn und
friſch aus als eine Jungfrau, hat aber doch niemals
wiederum ins Wochen-Bette kommen koͤnnen.
Gleichwohl wurden wir daruͤber nicht ungeduldig,
ſondern danckten GOtt, daß ſich unſere 9. lieben
Kinder bey voͤlliger Leibes-Geſundheit befanden,
und in Gottesfurcht und Zucht heran wuchſen, wie
ich denn nicht ſagen kan, daß wir Urſach gehabt haͤt-
ten, uns uͤber eins oder anderes zu aͤrgern, oder die
Schaͤrffe zu gebrauchen, ſondern muß geſtehen, daß
ſie, bloß auf einen Winck und Wort ihrer Eltern,
alles thaten, was von ihnen verlangt wurde, und
eben dieſes ſchrieben wir nicht ſchlechterdings unſerer
klugen Aufferziehung, ſondern einer beſondern Gna-
de GOttes zu.

Meine Stief-Tochter Concordia, die nunmehro
ihre mannbaren Jahre erreichte, war gewiß ein
Maͤgdlein von ausbuͤndiger Schoͤnheit, Tugend,
Klugheit und Gottesfurcht, und wuſte die Hauß-
haltung dermaſſen wohl zu fuͤhren, daß ich, und ihre
Mutter ſonderlich eine groſſe Erleichterung unſerer
dahero gehabten Muͤhe und Arbeit verſpuͤreten.
Selbige meine liebe Ehe-Gattin muſte ſich alſo mit
Gewalt gute Tage machen, und ihre Zeit bloß mit
der kleinſten Kinder Lehrung und guter Erziehung
vertreiben. Meine zwey aͤlteſten Zwillinge hatte
ich mit goͤttlicher Huͤlffe ſchon ſo weit gebracht, daß
ſie den kleinen Geſchwiſter das Leſen, Schreiben

und
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[285/0299] ehe die vorige Geſundheit wieder zu erlangen war. Nach Verlauf ſelbiger Zeit, befand ſich mein wer- ther Ehe-Schatz zwar wiederum bey voͤlligen Kraͤf- ten und ſahe in ihrem 35ten Jahre noch ſo ſchoͤn und friſch aus als eine Jungfrau, hat aber doch niemals wiederum ins Wochen-Bette kommen koͤnnen. Gleichwohl wurden wir daruͤber nicht ungeduldig, ſondern danckten GOtt, daß ſich unſere 9. lieben Kinder bey voͤlliger Leibes-Geſundheit befanden, und in Gottesfurcht und Zucht heran wuchſen, wie ich denn nicht ſagen kan, daß wir Urſach gehabt haͤt- ten, uns uͤber eins oder anderes zu aͤrgern, oder die Schaͤrffe zu gebrauchen, ſondern muß geſtehen, daß ſie, bloß auf einen Winck und Wort ihrer Eltern, alles thaten, was von ihnen verlangt wurde, und eben dieſes ſchrieben wir nicht ſchlechterdings unſerer klugen Aufferziehung, ſondern einer beſondern Gna- de GOttes zu. Meine Stief-Tochter Concordia, die nunmehro ihre mannbaren Jahre erreichte, war gewiß ein Maͤgdlein von ausbuͤndiger Schoͤnheit, Tugend, Klugheit und Gottesfurcht, und wuſte die Hauß- haltung dermaſſen wohl zu fuͤhren, daß ich, und ihre Mutter ſonderlich eine groſſe Erleichterung unſerer dahero gehabten Muͤhe und Arbeit verſpuͤreten. Selbige meine liebe Ehe-Gattin muſte ſich alſo mit Gewalt gute Tage machen, und ihre Zeit bloß mit der kleinſten Kinder Lehrung und guter Erziehung vertreiben. Meine zwey aͤlteſten Zwillinge hatte ich mit goͤttlicher Huͤlffe ſchon ſo weit gebracht, daß ſie den kleinen Geſchwiſter das Leſen, Schreiben und

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/299>, abgerufen am 24.11.2024.