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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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sic sanfft eingeschlaffen war, legte ich, um selbige nicht
zu verstöhren, die Zitter bey Seite, zog eine Bley-
Feder und Papier aus meiner Tasche, und setzte mir
ein neues Lied folgenden Jnnhalts auf:

1.
ACh! hätt ich nur kein Schiff erblickt,
So wär ich länger ruhig blieben,
Mein Unglück hat es her geschickt,
Und mir zur Quaal zurück getrieben,
Verhängniß wilst du dich denn eines reichen Ar-
men,
Und freyen Sclavens nicht zu rechter Zeit erbarmen?
2.
Soll meiner Jugend beste Krafft
Jn dieser Einsamkeit ersterben?
Jst das der Keuschheit Eigenschafft?
Will mich die Tugend selbst verderben?
So weiß ich nicht wie man die Lasterhafften See-
len
Mit größrer Grausamkeit und Marter solte quälen.
3.
Jch liebe was und sag' es nicht,
Denn Eyd und Tugend heist mich schweigen,
Mein gantz verdecktes Liebes-Licht
Darff seine Flamme gar nicht zeigen;
Dem Himmel selbsten ist mein Lieben nicht zuwie-
der,
Doch Schwur und Treue schlägt den Hoffnungs-
Bau darnieder.
4. Con-

ſic ſanfft eingeſchlaffen war, legte ich, um ſelbige nicht
zu verſtoͤhren, die Zitter bey Seite, zog eine Bley-
Feder und Papier aus meiner Taſche, und ſetzte mir
ein neues Lied folgenden Jnnhalts auf:

1.
ACh! haͤtt ich nur kein Schiff erblickt,
So waͤr ich laͤnger ruhig blieben,
Mein Ungluͤck hat es her geſchickt,
Und mir zur Quaal zuruͤck getrieben,
Verhaͤngniß wilſt du dich denn eines reichen Ar-
men,
Und freyen Sclavens nicht zu rechter Zeit erbarmen?
2.
Soll meiner Jugend beſte Krafft
Jn dieſer Einſamkeit erſterben?
Jſt das der Keuſchheit Eigenſchafft?
Will mich die Tugend ſelbſt verderben?
So weiß ich nicht wie man die Laſterhafften See-
len
Mit groͤßrer Grauſamkeit und Marter ſolte quaͤlen.
3.
Jch liebe was und ſag’ es nicht,
Denn Eyd und Tugend heiſt mich ſchweigen,
Mein gantz verdecktes Liebes-Licht
Darff ſeine Flamme gar nicht zeigen;
Dem Himmel ſelbſten iſt mein Lieben nicht zuwie-
der,
Doch Schwur und Treue ſchlaͤgt den Hoffnungs-
Bau darnieder.
4. Con-
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[255/0269] ſic ſanfft eingeſchlaffen war, legte ich, um ſelbige nicht zu verſtoͤhren, die Zitter bey Seite, zog eine Bley- Feder und Papier aus meiner Taſche, und ſetzte mir ein neues Lied folgenden Jnnhalts auf: 1. ACh! haͤtt ich nur kein Schiff erblickt, So waͤr ich laͤnger ruhig blieben, Mein Ungluͤck hat es her geſchickt, Und mir zur Quaal zuruͤck getrieben, Verhaͤngniß wilſt du dich denn eines reichen Ar- men, Und freyen Sclavens nicht zu rechter Zeit erbarmen? 2. Soll meiner Jugend beſte Krafft Jn dieſer Einſamkeit erſterben? Jſt das der Keuſchheit Eigenſchafft? Will mich die Tugend ſelbſt verderben? So weiß ich nicht wie man die Laſterhafften See- len Mit groͤßrer Grauſamkeit und Marter ſolte quaͤlen. 3. Jch liebe was und ſag’ es nicht, Denn Eyd und Tugend heiſt mich ſchweigen, Mein gantz verdecktes Liebes-Licht Darff ſeine Flamme gar nicht zeigen; Dem Himmel ſelbſten iſt mein Lieben nicht zuwie- der, Doch Schwur und Treue ſchlaͤgt den Hoffnungs- Bau darnieder. 4. Con-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/269>, abgerufen am 24.11.2024.