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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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und um den Hügel unserer Wohnung herum war
fast 3. Stunden lang vergebens, doch endlich, da ich
von ferne die Spitze eines grossen Heu-Hauffens
sich bewegen sahe, gerieth ich plötzlich auf die Gedan-
cken: Ob vielleicht der eine von den jüngsten Affen
unser Töchterlein da hinauf getragen hätte, und sand,
nach dem ich auf einer angelegten Leiter hinauf gestie-
gen, mich nicht betrogen. Denn das Kind und der
Affe machten unterdessen, da sie zusammen ein fri-
sches Obst speiseten allerhand lächerliche Possen.
Allein da das verzweiffelte Thier meiner gewahr
wurde, nahm es das Kind zwischen seine Vorder-
Pfoten, und rutschte mit selbigem auf jener Seite
des Hauffens herunter, worüber ich Schreckens
wegen fast von der Leiter gestürtzt wäre, allein es war
glücklich abgegangen. Denn da ich mich umsahe/
lieff der Kinder-Dieb mit seinem Raube aufs eilig-
ste nach unserer Behausung, hatte, als ich ihn da-
selbst antraff, das fromme Kind so geschickt aus-als
angezogen, selbiges in seine Wiege gelegt, saß auch
darbey und wiegte es so ensthafftig ein, als hätte er
kein Wasser betrübt.

Jch wuste theils vor Freuden, theils vor Grimm
gegen diesen Freveler nicht gleich was ich machen
solte, mittlerweile aber kam Concordia, so die gantze
Comoedie ebenfalls von ferne mit angesehen hatte,
mit Zittern und Zagen herbey, indem sie nicht an-
ders vermeynte, es würde dem Kinde ein Unglück
oder Schaden zugefügt seyn, da sie es aber besich-
tigte, und nicht allein frisch und gesund, sondern ü-
ber dieses ausserordentlich gutes Muths befand, ga-
ben wir uns endlich zu frieden, wiewohl ich aber be-

schloß,

und um den Huͤgel unſerer Wohnung herum war
faſt 3. Stunden lang vergebens, doch endlich, da ich
von ferne die Spitze eines groſſen Heu-Hauffens
ſich bewegen ſahe, gerieth ich ploͤtzlich auf die Gedan-
cken: Ob vielleicht der eine von den juͤngſten Affen
unſer Toͤchterlein da hinauf getragen haͤtte, und ſand,
nach dem ich auf einer angelegten Leiter hinauf geſtie-
gen, mich nicht betrogen. Denn das Kind und der
Affe machten unterdeſſen, da ſie zuſammen ein fri-
ſches Obſt ſpeiſeten allerhand laͤcherliche Poſſen.
Allein da das verzweiffelte Thier meiner gewahr
wurde, nahm es das Kind zwiſchen ſeine Vorder-
Pfoten, und rutſchte mit ſelbigem auf jener Seite
des Hauffens herunter, woruͤber ich Schreckens
wegen faſt von der Leiter geſtuͤrtzt waͤre, allein es war
gluͤcklich abgegangen. Denn da ich mich umſahe/
lieff der Kinder-Dieb mit ſeinem Raube aufs eilig-
ſte nach unſerer Behauſung, hatte, als ich ihn da-
ſelbſt antraff, das fromme Kind ſo geſchickt aus-als
angezogen, ſelbiges in ſeine Wiege gelegt, ſaß auch
darbey und wiegte es ſo enſthafftig ein, als haͤtte er
kein Waſſer betruͤbt.

Jch wuſte theils vor Freuden, theils vor Grimm
gegen dieſen Freveler nicht gleich was ich machen
ſolte, mittlerweile aber kam Concordia, ſo die gantze
Comœdie ebenfalls von ferne mit angeſehen hatte,
mit Zittern und Zagen herbey, indem ſie nicht an-
ders vermeynte, es wuͤrde dem Kinde ein Ungluͤck
oder Schaden zugefuͤgt ſeyn, da ſie es aber beſich-
tigte, und nicht allein friſch und geſund, ſondern uͤ-
ber dieſes auſſerordentlich gutes Muths befand, ga-
ben wir uns endlich zu frieden, wiewohl ich aber be-

ſchloß,
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[252/0266] und um den Huͤgel unſerer Wohnung herum war faſt 3. Stunden lang vergebens, doch endlich, da ich von ferne die Spitze eines groſſen Heu-Hauffens ſich bewegen ſahe, gerieth ich ploͤtzlich auf die Gedan- cken: Ob vielleicht der eine von den juͤngſten Affen unſer Toͤchterlein da hinauf getragen haͤtte, und ſand, nach dem ich auf einer angelegten Leiter hinauf geſtie- gen, mich nicht betrogen. Denn das Kind und der Affe machten unterdeſſen, da ſie zuſammen ein fri- ſches Obſt ſpeiſeten allerhand laͤcherliche Poſſen. Allein da das verzweiffelte Thier meiner gewahr wurde, nahm es das Kind zwiſchen ſeine Vorder- Pfoten, und rutſchte mit ſelbigem auf jener Seite des Hauffens herunter, woruͤber ich Schreckens wegen faſt von der Leiter geſtuͤrtzt waͤre, allein es war gluͤcklich abgegangen. Denn da ich mich umſahe/ lieff der Kinder-Dieb mit ſeinem Raube aufs eilig- ſte nach unſerer Behauſung, hatte, als ich ihn da- ſelbſt antraff, das fromme Kind ſo geſchickt aus-als angezogen, ſelbiges in ſeine Wiege gelegt, ſaß auch darbey und wiegte es ſo enſthafftig ein, als haͤtte er kein Waſſer betruͤbt. Jch wuſte theils vor Freuden, theils vor Grimm gegen dieſen Freveler nicht gleich was ich machen ſolte, mittlerweile aber kam Concordia, ſo die gantze Comœdie ebenfalls von ferne mit angeſehen hatte, mit Zittern und Zagen herbey, indem ſie nicht an- ders vermeynte, es wuͤrde dem Kinde ein Ungluͤck oder Schaden zugefuͤgt ſeyn, da ſie es aber beſich- tigte, und nicht allein friſch und geſund, ſondern uͤ- ber dieſes auſſerordentlich gutes Muths befand, ga- ben wir uns endlich zu frieden, wiewohl ich aber be- ſchloß,

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/266>, abgerufen am 24.11.2024.