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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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demjenigen, was mir einmal im Hertzen Wurtzel ge-
fasset hatte, dadurch nicht vermindert werden, son-
dern ich blieb einmahl wie das andere tieffsinnig, und
Concordiens liebreiche und freundliche, jedoch tu-
genhaffte Reden und Stellungen, machten meinen
Zustand allem Ansehen nach nur immer gefährli-
cher. Doch blieb ich bey dem Vorsatze, ihr den
gethanen Eyd unverbrüchlich zu halten, und ehe zu
sterben als meine keusche Liebe gegen ihre schöne
Person zu entdecken.

Unterdessen wurde uns zu selbigen Zeit ein grau-
sames Schrecken zugezogen, denn da eines Tages
Concordia so wol als ich nebst den Affen beschäff-
tiget waren, etwas Korn zu stossen, und eine Probe
von Mehl zu machen, gieng erstgemeldte in die
Wohnung, um nach dem Kinde zu sehen, welches wir
in seiner Wiege schlaffend verlassen hatten, kam
aber bald mit erbärmlichen Geschrey zurück ge-
lauffen und berichtete, daß das Kind nicht mehr vor-
handen, sondern aus der Wiege gestohlen sey, in-
dem sie die mit einem höltzernen Schloß verwahrte
Thüre eröffnet gefunden, sonsten aber in der Woh-
nung nichts vermissete, als das Kind und dessen Klei-
der. Meine Erstaunung war dieserwegen eben-
falls fast unaussprechlich, ich lieff selbst mit dahin,
und empfand unsern kostbaren Verlust leyder mehr
als zu wahr. Demnach schlügen wir die Hände
über den Köpffen zusammen, und stelleten uns mit
einem Worte, nicht anders als verzweiffelte Men-
schen an, heuleten, schryen und rieffen das Kind bey
seinem Nahmen, allein da war weder Stimme
noch Antwort zu hören, das eiffrigste Suchen auf

und

demjenigen, was mir einmal im Hertzen Wurtzel ge-
faſſet hatte, dadurch nicht vermindert werden, ſon-
dern ich blieb einmahl wie das andere tieffſinnig, und
Concordiens liebreiche und freundliche, jedoch tu-
genhaffte Reden und Stellungen, machten meinen
Zuſtand allem Anſehen nach nur immer gefaͤhrli-
cher. Doch blieb ich bey dem Vorſatze, ihr den
gethanen Eyd unverbruͤchlich zu halten, und ehe zu
ſterben als meine keuſche Liebe gegen ihre ſchoͤne
Perſon zu entdecken.

Unterdeſſen wurde uns zu ſelbigen Zeit ein grau-
ſames Schrecken zugezogen, denn da eines Tages
Concordia ſo wol als ich nebſt den Affen beſchaͤff-
tiget waren, etwas Korn zu ſtoſſen, und eine Probe
von Mehl zu machen, gieng erſtgemeldte in die
Wohnung, um nach dem Kinde zu ſehen, welches wir
in ſeiner Wiege ſchlaffend verlaſſen hatten, kam
aber bald mit erbaͤrmlichen Geſchrey zuruͤck ge-
lauffen und berichtete, daß das Kind nicht mehr vor-
handen, ſondern aus der Wiege geſtohlen ſey, in-
dem ſie die mit einem hoͤltzernen Schloß verwahrte
Thuͤre eroͤffnet gefunden, ſonſten aber in der Woh-
nung nichts vermiſſete, als das Kind und deſſen Klei-
der. Meine Erſtaunung war dieſerwegen eben-
falls faſt unausſprechlich, ich lieff ſelbſt mit dahin,
und empfand unſern koſtbaren Verluſt leyder mehr
als zu wahr. Demnach ſchluͤgen wir die Haͤnde
uͤber den Koͤpffen zuſammen, und ſtelleten uns mit
einem Worte, nicht anders als verzweiffelte Men-
ſchen an, heuleten, ſchryen und rieffen das Kind bey
ſeinem Nahmen, allein da war weder Stimme
noch Antwort zu hoͤren, das eiffrigſte Suchen auf

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[251/0265] demjenigen, was mir einmal im Hertzen Wurtzel ge- faſſet hatte, dadurch nicht vermindert werden, ſon- dern ich blieb einmahl wie das andere tieffſinnig, und Concordiens liebreiche und freundliche, jedoch tu- genhaffte Reden und Stellungen, machten meinen Zuſtand allem Anſehen nach nur immer gefaͤhrli- cher. Doch blieb ich bey dem Vorſatze, ihr den gethanen Eyd unverbruͤchlich zu halten, und ehe zu ſterben als meine keuſche Liebe gegen ihre ſchoͤne Perſon zu entdecken. Unterdeſſen wurde uns zu ſelbigen Zeit ein grau- ſames Schrecken zugezogen, denn da eines Tages Concordia ſo wol als ich nebſt den Affen beſchaͤff- tiget waren, etwas Korn zu ſtoſſen, und eine Probe von Mehl zu machen, gieng erſtgemeldte in die Wohnung, um nach dem Kinde zu ſehen, welches wir in ſeiner Wiege ſchlaffend verlaſſen hatten, kam aber bald mit erbaͤrmlichen Geſchrey zuruͤck ge- lauffen und berichtete, daß das Kind nicht mehr vor- handen, ſondern aus der Wiege geſtohlen ſey, in- dem ſie die mit einem hoͤltzernen Schloß verwahrte Thuͤre eroͤffnet gefunden, ſonſten aber in der Woh- nung nichts vermiſſete, als das Kind und deſſen Klei- der. Meine Erſtaunung war dieſerwegen eben- falls faſt unausſprechlich, ich lieff ſelbſt mit dahin, und empfand unſern koſtbaren Verluſt leyder mehr als zu wahr. Demnach ſchluͤgen wir die Haͤnde uͤber den Koͤpffen zuſammen, und ſtelleten uns mit einem Worte, nicht anders als verzweiffelte Men- ſchen an, heuleten, ſchryen und rieffen das Kind bey ſeinem Nahmen, allein da war weder Stimme noch Antwort zu hoͤren, das eiffrigſte Suchen auf und

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/265>, abgerufen am 24.11.2024.