Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

schickt, als ob wir den allerhärtesten Winter in Hol-
land, oder andern noch viel kältern Ländern abzu-
warten hätten.

Allein, wie befanden sich doch unsere vielen Sor-
gen, grosse Bemühungen und furchtsame Vorstellun-
gen wo nicht gäntzlich, doch meistentheils vergeblich?
Denn unser Herbst, welcher dem Holländischen
Sommer bey nahe gleich kam, war kaum verstri-
chen, als ein solcher Winter einfiel, welchen man
mit gutem Recht einen warmen und angenehmen
Herbst nennen konte, offtermahls fiel zwar ein ziem-
licher Nebel und Regen-Wetter ein, allein von
durchdringender Kälte, Schnee oder Eis spüreten
wir so wenig als gar nichts, der graßigte Boden blieb
immer grün, und der guten Concordia zusammen getra-
gene grosse Heu-Hauffen dieneten zu nichts, als daß
wir sie hernach den Affen zum Lust-Spiele Preiß
gaben, da sie doch nebst vielen aufgetrockneten
Baum-Blättern unserem eingestalleten Viehe zur
Winter-Nahrung bestimmt waren. Unsere Saat
war nach Hertzens-Lust aufgegangen, und die mei-
sten Bäume veränderten sich fast nicht, diejenigen a-
ber, so ihre Blätter verlohren, waren noch nicht ein-
mahl völlig entblösse[t] da sie schon frische Blätter
und Blüthen austrieben. Solchergestalt wurde es
wieder Frühling, da wir noch immer auf den Win-
ter hofften, weswegen wir die Wunder-Hand Got-
tes in diesem schönen Revier mit erstaunender Ver-
wunderung erkandten und verehreten.

Es war uns aber in der That ein wunderbarer
Wechsel gewesen, da wir das heilige Weyhnacht-

Fest

ſchickt, als ob wir den allerhaͤrteſten Winter in Hol-
land, oder andern noch viel kaͤltern Laͤndern abzu-
warten haͤtten.

Allein, wie befanden ſich doch unſere vielen Sor-
gen, groſſe Bemuͤhungen und furchtſame Vorſtellun-
gen wo nicht gaͤntzlich, doch meiſtentheils vergeblich?
Denn unſer Herbſt, welcher dem Hollaͤndiſchen
Sommer bey nahe gleich kam, war kaum verſtri-
chen, als ein ſolcher Winter einfiel, welchen man
mit gutem Recht einen warmen und angenehmen
Herbſt nennen konte, offtermahls fiel zwar ein ziem-
licher Nebel und Regen-Wetter ein, allein von
durchdringender Kaͤlte, Schnee oder Eis ſpuͤreten
wir ſo wenig als gar nichts, der graßigte Boden blieb
im̃er gruͤn, und der guten Concordia zuſam̃en getra-
gene groſſe Heu-Hauffen dieneten zu nichts, als daß
wir ſie hernach den Affen zum Luſt-Spiele Preiß
gaben, da ſie doch nebſt vielen aufgetrockneten
Baum-Blaͤttern unſerem eingeſtalleten Viehe zur
Winter-Nahrung beſtimmt waren. Unſere Saat
war nach Hertzens-Luſt aufgegangen, und die mei-
ſten Baͤume veraͤnderten ſich faſt nicht, diejenigen a-
ber, ſo ihre Blaͤtter verlohren, waren noch nicht ein-
mahl voͤllig entbloͤſſe[t] da ſie ſchon friſche Blaͤtter
und Bluͤthen austrieben. Solchergeſtalt wurde es
wieder Fruͤhling, da wir noch immer auf den Win-
ter hofften, weswegen wir die Wunder-Hand Got-
tes in dieſem ſchoͤnen Revier mit erſtaunender Ver-
wunderung erkandten und verehreten.

Es war uns aber in der That ein wunderbarer
Wechſel geweſen, da wir das heilige Weyhnacht-

Feſt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0256" n="242"/>
&#x017F;chickt, als ob wir den allerha&#x0364;rte&#x017F;ten Winter in Hol-<lb/>
land, oder andern noch viel ka&#x0364;ltern La&#x0364;ndern abzu-<lb/>
warten ha&#x0364;tten.</p><lb/>
        <p>Allein, wie befanden &#x017F;ich doch un&#x017F;ere vielen Sor-<lb/>
gen, gro&#x017F;&#x017F;e Bemu&#x0364;hungen und furcht&#x017F;ame Vor&#x017F;tellun-<lb/>
gen wo nicht ga&#x0364;ntzlich, doch mei&#x017F;tentheils vergeblich?<lb/>
Denn un&#x017F;er Herb&#x017F;t, welcher dem Holla&#x0364;ndi&#x017F;chen<lb/>
Sommer bey nahe gleich kam, war kaum ver&#x017F;tri-<lb/>
chen, als ein &#x017F;olcher Winter einfiel, welchen man<lb/>
mit gutem Recht einen warmen und angenehmen<lb/>
Herb&#x017F;t nennen konte, offtermahls fiel zwar ein ziem-<lb/>
licher Nebel und Regen-Wetter ein, allein von<lb/>
durchdringender Ka&#x0364;lte, Schnee oder Eis &#x017F;pu&#x0364;reten<lb/>
wir &#x017F;o wenig als gar nichts, der graßigte Boden blieb<lb/>
im&#x0303;er gru&#x0364;n, und der guten <hi rendition="#aq">Concordia</hi> zu&#x017F;am&#x0303;en getra-<lb/>
gene gro&#x017F;&#x017F;e Heu-Hauffen dieneten zu nichts, als daß<lb/>
wir &#x017F;ie hernach den Affen zum Lu&#x017F;t-Spiele Preiß<lb/>
gaben, da &#x017F;ie doch neb&#x017F;t vielen aufgetrockneten<lb/>
Baum-Bla&#x0364;ttern un&#x017F;erem einge&#x017F;talleten Viehe zur<lb/>
Winter-Nahrung be&#x017F;timmt waren. Un&#x017F;ere Saat<lb/>
war nach Hertzens-Lu&#x017F;t aufgegangen, und die mei-<lb/>
&#x017F;ten Ba&#x0364;ume vera&#x0364;nderten &#x017F;ich fa&#x017F;t nicht, diejenigen a-<lb/>
ber, &#x017F;o ihre Bla&#x0364;tter verlohren, waren noch nicht ein-<lb/>
mahl vo&#x0364;llig entblo&#x0364;&#x017F;&#x017F;e<supplied>t</supplied> da &#x017F;ie &#x017F;chon fri&#x017F;che Bla&#x0364;tter<lb/>
und Blu&#x0364;then austrieben. Solcherge&#x017F;talt wurde es<lb/>
wieder Fru&#x0364;hling, da wir noch immer auf den Win-<lb/>
ter hofften, weswegen wir die Wunder-Hand Got-<lb/>
tes in die&#x017F;em &#x017F;cho&#x0364;nen <hi rendition="#aq">Revier</hi> mit er&#x017F;taunender Ver-<lb/>
wunderung erkandten und verehreten.</p><lb/>
        <p>Es war uns aber in der That ein wunderbarer<lb/>
Wech&#x017F;el gewe&#x017F;en, da wir das heilige Weyhnacht-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Fe&#x017F;t</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[242/0256] ſchickt, als ob wir den allerhaͤrteſten Winter in Hol- land, oder andern noch viel kaͤltern Laͤndern abzu- warten haͤtten. Allein, wie befanden ſich doch unſere vielen Sor- gen, groſſe Bemuͤhungen und furchtſame Vorſtellun- gen wo nicht gaͤntzlich, doch meiſtentheils vergeblich? Denn unſer Herbſt, welcher dem Hollaͤndiſchen Sommer bey nahe gleich kam, war kaum verſtri- chen, als ein ſolcher Winter einfiel, welchen man mit gutem Recht einen warmen und angenehmen Herbſt nennen konte, offtermahls fiel zwar ein ziem- licher Nebel und Regen-Wetter ein, allein von durchdringender Kaͤlte, Schnee oder Eis ſpuͤreten wir ſo wenig als gar nichts, der graßigte Boden blieb im̃er gruͤn, und der guten Concordia zuſam̃en getra- gene groſſe Heu-Hauffen dieneten zu nichts, als daß wir ſie hernach den Affen zum Luſt-Spiele Preiß gaben, da ſie doch nebſt vielen aufgetrockneten Baum-Blaͤttern unſerem eingeſtalleten Viehe zur Winter-Nahrung beſtimmt waren. Unſere Saat war nach Hertzens-Luſt aufgegangen, und die mei- ſten Baͤume veraͤnderten ſich faſt nicht, diejenigen a- ber, ſo ihre Blaͤtter verlohren, waren noch nicht ein- mahl voͤllig entbloͤſſet da ſie ſchon friſche Blaͤtter und Bluͤthen austrieben. Solchergeſtalt wurde es wieder Fruͤhling, da wir noch immer auf den Win- ter hofften, weswegen wir die Wunder-Hand Got- tes in dieſem ſchoͤnen Revier mit erſtaunender Ver- wunderung erkandten und verehreten. Es war uns aber in der That ein wunderbarer Wechſel geweſen, da wir das heilige Weyhnacht- Feſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/256
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/256>, abgerufen am 24.11.2024.