Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

Diesemnach küssele die keusche Frau aus reiner
Freundschafft meine Hand, versicherte mich, daß
sie auf meine Redlichkeit ein vollkommenes Ver-
trauen setzte und bat, daß ich aussen vor der Kam-
mer ein Feuer anmachen, anbey so wol kaltes als
warmes Wasser bereithalten möchte, weil sie nechst
Göttlicher Hülffe sich einer baldigen Entbindung
vermuthete. Jch eilete, so viel mir menschlich und
möglich, ihrem Verlangen ein Genügen zu leisten,
so bald aber alles in völliger Bereitschafft, und ich
widerum nach meiner Kreissenden sehen wolte,
fand ich dieselbe in gantz anderer Verfassung, indem
sie allen Vorrath von ihren Betten in der Kammer
herum gestreuet, sich mitten in der Kammer auf ein
Unter-Bette gesetzt, die grosse Lampe darneben
gestellet und ihr neugebohrnes Töchterlein in
zwey Küssen eingehüllet vor sich liegen hatte, wel-
ches seine jämmerliche Ankunfft mit ziemlichen
Schreyen zu verstehen gab. Jch wurde vor Ver-
wunderung und Freude gantz bestürtzt, muste aber
auf Concordiens sehnliches Bitten allhier zum
ersten mahle das Amt einer Bade-Mutter verrich-
ten, welches mir auch sehr glücklich von der Hand
gegangen war, indem ich die kleine wohlgebildete
Creatur ihrer Mutter gantz rein und schön zurück
lieferte.

Mittlerweile war der Tag völlich angebrochen,
weßwegen ich, nachdem Concordia auf ihr or-
dentliches Lager gebracht und sich noch ziemlich
bey Kräfften befand, ausgehen, ein Stücke Wild
schiessen und etliche gute Kräuter zum Zugemüse
eintragen wolte, indem unser Speise-Vorrath

fast

Dieſemnach kuͤſſele die keuſche Frau aus reiner
Freundſchafft meine Hand, verſicherte mich, daß
ſie auf meine Redlichkeit ein vollkommenes Ver-
trauen ſetzte und bat, daß ich auſſen vor der Kam-
mer ein Feuer anmachen, anbey ſo wol kaltes als
warmes Waſſer bereithalten moͤchte, weil ſie nechſt
Goͤttlicher Huͤlffe ſich einer baldigen Entbindung
vermuthete. Jch eilete, ſo viel mir menſchlich und
moͤglich, ihrem Verlangen ein Genuͤgen zu leiſten,
ſo bald aber alles in voͤlliger Bereitſchafft, und ich
widerum nach meiner Kreiſſenden ſehen wolte,
fand ich dieſelbe in gantz anderer Verfaſſung, indem
ſie allen Vorrath von ihren Betten in der Kammer
herum geſtreuet, ſich mitten in der Kammer auf ein
Unter-Bette geſetzt, die groſſe Lampe darneben
geſtellet und ihr neugebohrnes Toͤchterlein in
zwey Kuͤſſen eingehuͤllet vor ſich liegen hatte, wel-
ches ſeine jaͤmmerliche Ankunfft mit ziemlichen
Schreyen zu verſtehen gab. Jch wurde vor Ver-
wunderung und Freude gantz beſtuͤrtzt, muſte aber
auf Concordiens ſehnliches Bitten allhier zum
erſten mahle das Amt einer Bade-Mutter verrich-
ten, welches mir auch ſehr gluͤcklich von der Hand
gegangen war, indem ich die kleine wohlgebildete
Creatur ihrer Mutter gantz rein und ſchoͤn zuruͤck
lieferte.

Mittlerweile war der Tag voͤllich angebrochen,
weßwegen ich, nachdem Concordia auf ihr or-
dentliches Lager gebracht und ſich noch ziemlich
bey Kraͤfften befand, ausgehen, ein Stuͤcke Wild
ſchieſſen und etliche gute Kraͤuter zum Zugemuͤſe
eintragen wolte, indem unſer Speiſe-Vorrath

faſt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0238" n="224"/>
        <p>Die&#x017F;emnach ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;ele die keu&#x017F;che Frau aus reiner<lb/>
Freund&#x017F;chafft meine Hand, ver&#x017F;icherte mich, daß<lb/>
&#x017F;ie auf meine Redlichkeit ein vollkommenes Ver-<lb/>
trauen &#x017F;etzte und bat, daß ich au&#x017F;&#x017F;en vor der Kam-<lb/>
mer ein Feuer anmachen, anbey &#x017F;o wol kaltes als<lb/>
warmes Wa&#x017F;&#x017F;er bereithalten mo&#x0364;chte, weil &#x017F;ie nech&#x017F;t<lb/>
Go&#x0364;ttlicher Hu&#x0364;lffe &#x017F;ich einer baldigen Entbindung<lb/>
vermuthete. Jch eilete, &#x017F;o viel mir men&#x017F;chlich und<lb/>
mo&#x0364;glich, ihrem Verlangen ein Genu&#x0364;gen zu lei&#x017F;ten,<lb/>
&#x017F;o bald aber alles in vo&#x0364;lliger Bereit&#x017F;chafft, und ich<lb/>
widerum nach meiner Krei&#x017F;&#x017F;enden &#x017F;ehen wolte,<lb/>
fand ich die&#x017F;elbe in gantz anderer Verfa&#x017F;&#x017F;ung, indem<lb/>
&#x017F;ie allen Vorrath von ihren Betten in der Kammer<lb/>
herum ge&#x017F;treuet, &#x017F;ich mitten in der Kammer auf ein<lb/>
Unter-Bette ge&#x017F;etzt, die gro&#x017F;&#x017F;e Lampe darneben<lb/>
ge&#x017F;tellet und ihr neugebohrnes To&#x0364;chterlein in<lb/>
zwey Ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;en eingehu&#x0364;llet vor &#x017F;ich liegen hatte, wel-<lb/>
ches &#x017F;eine ja&#x0364;mmerliche Ankunfft mit ziemlichen<lb/>
Schreyen zu ver&#x017F;tehen gab. Jch wurde vor Ver-<lb/>
wunderung und Freude gantz be&#x017F;tu&#x0364;rtzt, mu&#x017F;te aber<lb/>
auf <hi rendition="#aq">Concordiens</hi> &#x017F;ehnliches Bitten allhier zum<lb/>
er&#x017F;ten mahle das Amt einer Bade-Mutter verrich-<lb/>
ten, welches mir auch &#x017F;ehr glu&#x0364;cklich von der Hand<lb/>
gegangen war, indem ich die kleine wohlgebildete<lb/>
Creatur ihrer Mutter gantz rein und &#x017F;cho&#x0364;n zuru&#x0364;ck<lb/>
lieferte.</p><lb/>
        <p>Mittlerweile war der Tag vo&#x0364;llich angebrochen,<lb/>
weßwegen ich, nachdem <hi rendition="#aq">Concordia</hi> auf ihr or-<lb/>
dentliches Lager gebracht und &#x017F;ich noch ziemlich<lb/>
bey Kra&#x0364;fften befand, ausgehen, ein Stu&#x0364;cke Wild<lb/>
&#x017F;chie&#x017F;&#x017F;en und etliche gute Kra&#x0364;uter zum Zugemu&#x0364;&#x017F;e<lb/>
eintragen wolte, indem un&#x017F;er Spei&#x017F;e-Vorrath<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">fa&#x017F;t</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[224/0238] Dieſemnach kuͤſſele die keuſche Frau aus reiner Freundſchafft meine Hand, verſicherte mich, daß ſie auf meine Redlichkeit ein vollkommenes Ver- trauen ſetzte und bat, daß ich auſſen vor der Kam- mer ein Feuer anmachen, anbey ſo wol kaltes als warmes Waſſer bereithalten moͤchte, weil ſie nechſt Goͤttlicher Huͤlffe ſich einer baldigen Entbindung vermuthete. Jch eilete, ſo viel mir menſchlich und moͤglich, ihrem Verlangen ein Genuͤgen zu leiſten, ſo bald aber alles in voͤlliger Bereitſchafft, und ich widerum nach meiner Kreiſſenden ſehen wolte, fand ich dieſelbe in gantz anderer Verfaſſung, indem ſie allen Vorrath von ihren Betten in der Kammer herum geſtreuet, ſich mitten in der Kammer auf ein Unter-Bette geſetzt, die groſſe Lampe darneben geſtellet und ihr neugebohrnes Toͤchterlein in zwey Kuͤſſen eingehuͤllet vor ſich liegen hatte, wel- ches ſeine jaͤmmerliche Ankunfft mit ziemlichen Schreyen zu verſtehen gab. Jch wurde vor Ver- wunderung und Freude gantz beſtuͤrtzt, muſte aber auf Concordiens ſehnliches Bitten allhier zum erſten mahle das Amt einer Bade-Mutter verrich- ten, welches mir auch ſehr gluͤcklich von der Hand gegangen war, indem ich die kleine wohlgebildete Creatur ihrer Mutter gantz rein und ſchoͤn zuruͤck lieferte. Mittlerweile war der Tag voͤllich angebrochen, weßwegen ich, nachdem Concordia auf ihr or- dentliches Lager gebracht und ſich noch ziemlich bey Kraͤfften befand, ausgehen, ein Stuͤcke Wild ſchieſſen und etliche gute Kraͤuter zum Zugemuͤſe eintragen wolte, indem unſer Speiſe-Vorrath faſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/238
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/238>, abgerufen am 27.11.2024.