Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

mäßige Liebe von meinem seel. Ehe-Manne verleiten
lassen mit ihm aus dem Hause meiner Eltern zu
entfliehen, doch du hast mich ja dieserwegen auch
hart genug gestrafft. Wiewohl, gerechter Himmel,
zürne nicht über meine unbesonnenen Worte, ists
noch nicht genug? Nun so straffe mich ferner hier
zeitlich, aber nur, nur, nur nicht ewig.

Hieraufrang sie die Hände aufs hefftigste, der
Angst-Schweiß lieff ihr über das gantze Gesichte,
ja sie winselte, schrye und wunde sich auf ihrem La-
ger als ein armer Wurm.

Jch wuste vor Angst, Schrecken und Zittern
nicht, was ich reden, oder wie ich mich gebärden
solte, weil nicht anders gedencken konte, als daß
Concordia villeicht noch vor Tages Anbruch das
zeitliche gesegnen, mithin mich als den allerelinde-
sten Menschen auf dieser Jnsul allein ohne ande-
re als der Thiere Gesellschafft verlassen würde.
Diese kläglichen Vorstellungen nebst ihrem
schmertzhafften Bezeigen rühreten mich dermassen
hefftig, daß ich auf Knie und Angesicht zur Erden
fiel, und dermassen eiffrig zu GOtt schrye, daß es
fast das Ansehen hatte, als ob ich den Allmächtigen
mit Gewalt zwingen wolte, sich der Concordia und
meiner zu erbarmen.

Jmmitrelst war dieselbe gantz stille worden, weß-
wegen ich voller Furcht und Hoffnung zu GOtt auf-
stund und besorgte sie entweder in einer Ohn-
macht oder wohl gar todt anzutreffen. Jedoch zu
meinem grösten Troste lag sie in ziemlicher Linde-
rung, wiewohl sehrermattet, da nahm und drückte sie
meine Hand, legte selbige auf ihre Brust und sagte

unter

maͤßige Liebe von meinem ſeel. Ehe-Manne verleiten
laſſen mit ihm aus dem Hauſe meiner Eltern zu
entfliehen, doch du haſt mich ja dieſerwegen auch
hart genug geſtrafft. Wiewohl, gerechter Himmel,
zuͤrne nicht uͤber meine unbeſonnenen Worte, iſts
noch nicht genug? Nun ſo ſtraffe mich ferner hier
zeitlich, aber nur, nur, nur nicht ewig.

Hieraufrang ſie die Haͤnde aufs hefftigſte, der
Angſt-Schweiß lieff ihr uͤber das gantze Geſichte,
ja ſie winſelte, ſchrye und wunde ſich auf ihrem La-
ger als ein armer Wurm.

Jch wuſte vor Angſt, Schrecken und Zittern
nicht, was ich reden, oder wie ich mich gebaͤrden
ſolte, weil nicht anders gedencken konte, als daß
Concordia villeicht noch vor Tages Anbruch das
zeitliche geſegnen, mithin mich als den allerelinde-
ſten Menſchen auf dieſer Jnſul allein ohne ande-
re als der Thiere Geſellſchafft verlaſſen wuͤrde.
Dieſe klaͤglichen Vorſtellungen nebſt ihrem
ſchmertzhafften Bezeigen ruͤhreten mich dermaſſen
hefftig, daß ich auf Knie und Angeſicht zur Erden
fiel, und dermaſſen eiffrig zu GOtt ſchrye, daß es
faſt das Anſehen hatte, als ob ich den Allmaͤchtigen
mit Gewalt zwingen wolte, ſich der Concordia und
meiner zu erbarmen.

Jmmitrelſt war dieſelbe gantz ſtille worden, weß-
wegen ich voller Furcht und Hoffnung zu GOtt auf-
ſtund und beſorgte ſie entweder in einer Ohn-
macht oder wohl gar todt anzutreffen. Jedoch zu
meinem groͤſten Troſte lag ſie in ziemlicher Linde-
rung, wiewohl ſehꝛermattet, da nahm und dꝛuͤckte ſie
meine Hand, legte ſelbige auf ihre Bruſt und ſagte

unter
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0235" n="221"/>
ma&#x0364;ßige Liebe von meinem &#x017F;eel. Ehe-Manne verleiten<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en mit ihm aus dem Hau&#x017F;e meiner Eltern zu<lb/>
entfliehen, doch du ha&#x017F;t mich ja die&#x017F;erwegen auch<lb/>
hart genug ge&#x017F;trafft. Wiewohl, gerechter Himmel,<lb/>
zu&#x0364;rne nicht u&#x0364;ber meine unbe&#x017F;onnenen Worte, i&#x017F;ts<lb/>
noch nicht genug? Nun &#x017F;o &#x017F;traffe mich ferner hier<lb/>
zeitlich, aber nur, nur, nur nicht ewig.</p><lb/>
        <p>Hieraufrang &#x017F;ie die Ha&#x0364;nde aufs hefftig&#x017F;te, der<lb/>
Ang&#x017F;t-Schweiß lieff ihr u&#x0364;ber das gantze Ge&#x017F;ichte,<lb/>
ja &#x017F;ie win&#x017F;elte, &#x017F;chrye und wunde &#x017F;ich auf ihrem La-<lb/>
ger als ein armer Wurm.</p><lb/>
        <p>Jch wu&#x017F;te vor Ang&#x017F;t, Schrecken und Zittern<lb/>
nicht, was ich reden, oder wie ich mich geba&#x0364;rden<lb/>
&#x017F;olte, weil nicht anders gedencken konte, als daß<lb/><hi rendition="#aq">Concordia</hi> villeicht noch vor Tages Anbruch das<lb/>
zeitliche ge&#x017F;egnen, mithin mich als den allerelinde-<lb/>
&#x017F;ten Men&#x017F;chen auf die&#x017F;er Jn&#x017F;ul allein ohne ande-<lb/>
re als der Thiere Ge&#x017F;ell&#x017F;chafft verla&#x017F;&#x017F;en wu&#x0364;rde.<lb/>
Die&#x017F;e kla&#x0364;glichen Vor&#x017F;tellungen neb&#x017F;t ihrem<lb/>
&#x017F;chmertzhafften Bezeigen ru&#x0364;hreten mich derma&#x017F;&#x017F;en<lb/>
hefftig, daß ich auf Knie und Ange&#x017F;icht zur Erden<lb/>
fiel, und derma&#x017F;&#x017F;en eiffrig zu GOtt &#x017F;chrye, daß es<lb/>
fa&#x017F;t das An&#x017F;ehen hatte, als ob ich den Allma&#x0364;chtigen<lb/>
mit Gewalt zwingen wolte, &#x017F;ich der <hi rendition="#aq">Concordia</hi> und<lb/>
meiner zu erbarmen.</p><lb/>
        <p>Jmmitrel&#x017F;t war die&#x017F;elbe gantz &#x017F;tille worden, weß-<lb/>
wegen ich voller Furcht und Hoffnung zu GOtt auf-<lb/>
&#x017F;tund und be&#x017F;orgte &#x017F;ie entweder in einer Ohn-<lb/>
macht oder wohl gar todt anzutreffen. Jedoch zu<lb/>
meinem gro&#x0364;&#x017F;ten Tro&#x017F;te lag &#x017F;ie in ziemlicher Linde-<lb/>
rung, wiewohl &#x017F;eh&#xA75B;ermattet, da nahm und d&#xA75B;u&#x0364;ckte &#x017F;ie<lb/>
meine Hand, legte &#x017F;elbige auf ihre Bru&#x017F;t und &#x017F;agte<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">unter</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[221/0235] maͤßige Liebe von meinem ſeel. Ehe-Manne verleiten laſſen mit ihm aus dem Hauſe meiner Eltern zu entfliehen, doch du haſt mich ja dieſerwegen auch hart genug geſtrafft. Wiewohl, gerechter Himmel, zuͤrne nicht uͤber meine unbeſonnenen Worte, iſts noch nicht genug? Nun ſo ſtraffe mich ferner hier zeitlich, aber nur, nur, nur nicht ewig. Hieraufrang ſie die Haͤnde aufs hefftigſte, der Angſt-Schweiß lieff ihr uͤber das gantze Geſichte, ja ſie winſelte, ſchrye und wunde ſich auf ihrem La- ger als ein armer Wurm. Jch wuſte vor Angſt, Schrecken und Zittern nicht, was ich reden, oder wie ich mich gebaͤrden ſolte, weil nicht anders gedencken konte, als daß Concordia villeicht noch vor Tages Anbruch das zeitliche geſegnen, mithin mich als den allerelinde- ſten Menſchen auf dieſer Jnſul allein ohne ande- re als der Thiere Geſellſchafft verlaſſen wuͤrde. Dieſe klaͤglichen Vorſtellungen nebſt ihrem ſchmertzhafften Bezeigen ruͤhreten mich dermaſſen hefftig, daß ich auf Knie und Angeſicht zur Erden fiel, und dermaſſen eiffrig zu GOtt ſchrye, daß es faſt das Anſehen hatte, als ob ich den Allmaͤchtigen mit Gewalt zwingen wolte, ſich der Concordia und meiner zu erbarmen. Jmmitrelſt war dieſelbe gantz ſtille worden, weß- wegen ich voller Furcht und Hoffnung zu GOtt auf- ſtund und beſorgte ſie entweder in einer Ohn- macht oder wohl gar todt anzutreffen. Jedoch zu meinem groͤſten Troſte lag ſie in ziemlicher Linde- rung, wiewohl ſehꝛermattet, da nahm und dꝛuͤckte ſie meine Hand, legte ſelbige auf ihre Bruſt und ſagte unter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/235
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/235>, abgerufen am 27.11.2024.