3. Haupt-Secten des Christlichen Glaubens anzu- treffen waren, weil Mons. van Leuven und seine Frau der Reformirten, ich Albert Julius aber, (als ein gebohner Sachse,) der damahls so genannten Lutherischen, und Lemelie, als ein Frantzose, der Römischen Religion des Pabsts beypflichteten. Die beyden Ehe-Leute und ich konten uns im Be- ten und Singen gantz schön vereinigen, indem sie beyde ziemlich gut Teutsch verstunden und redeten; Lemelieaber, der doch fast alle Sprachen, ausser den gelehrten Haupt-Sprachen, verstehen und ziemlich wohl reden konte, hielt seinen Gottesdienst von uns abgesondert, in selbst erwehlter Einsamkeit, worin- nen derselbe bestanden, weiß ich nicht, denn so lan- ge wir mit ihm umgegangen, hat er wenig Gottge- fälliges an sich mercken lassen.
Am gedachten Sonntage gegen Abend gieng ich unten an der Seite des Hügels nach dem grossen See zu, etwas lustwandeln herum, schurte von ohngefähr auf dem glatten Grase, und fiel in einen mit dünnen Sträuchern verdeckten Graben über 4. Ellen tieff hinunter, worüber ich anfänglich heff- tig erschrack, und in einen Abgrund zu seyn glaubte, doch da ich mich wieder besonnen, und nicht den ge- ringsten Schaden an meinem Leibe vermerckt, raff- ten sich meine zitternden Glieder eilig auf. Jm Umkehren aber wurden meine Augen einer finstern Höle gewahr, welche mit allem Fleisse in den Hü- gel hinein gearbeitet zu seyn schiene.
Jch gieng biß zum Eintritt derselben getrost hin, da aber nichts als eine dicke Finsterniß zu sehen war, über dieses eine übelriechende Dunst mir einen be-
son-
3. Haupt-Secten des Chriſtlichen Glaubens anzu- treffen waren, weil Monſ. van Leuven und ſeine Frau der Reformirten, ich Albert Julius aber, (als ein gebohner Sachſe,) der damahls ſo genannten Lutheriſchen, und Lemelie, als ein Frantzoſe, der Roͤmiſchen Religion des Pabſts beypflichteten. Die beyden Ehe-Leute und ich konten uns im Be- ten und Singen gantz ſchoͤn vereinigen, indem ſie beyde ziemlich gut Teutſch verſtunden und redeten; Lemelieaber, der doch faſt alle Spꝛachen, auſſer den gelehrten Haupt-Sprachen, verſtehen und ziemlich wohl reden konte, hielt ſeinen Gottesdienſt von uns abgeſondert, in ſelbſt erwehlter Einſamkeit, worin- nen derſelbe beſtanden, weiß ich nicht, denn ſo lan- ge wir mit ihm umgegangen, hat er wenig Gottge- faͤlliges an ſich mercken laſſen.
Am gedachten Sonntage gegen Abend gieng ich unten an der Seite des Huͤgels nach dem groſſen See zu, etwas luſtwandeln herum, ſchurte von ohngefaͤhr auf dem glatten Graſe, und fiel in einen mit duͤnnen Straͤuchern verdeckten Graben uͤber 4. Ellen tieff hinunter, woruͤber ich anfaͤnglich heff- tig erſchrack, und in einen Abgrund zu ſeyn glaubte, doch da ich mich wieder beſonnen, und nicht den ge- ringſten Schaden an meinem Leibe vermerckt, raff- ten ſich meine zitternden Glieder eilig auf. Jm Umkehren aber wurden meine Augen einer finſtern Hoͤle gewahr, welche mit allem Fleiſſe in den Huͤ- gel hinein gearbeitet zu ſeyn ſchiene.
Jch gieng biß zum Eintritt derſelben getroſt hin, da aber nichts als eine dicke Finſterniß zu ſehen war, uͤber dieſes eine uͤbelriechende Dunſt mir einen be-
ſon-
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3. Haupt-Secten des Chriſtlichen Glaubens anzu-
treffen waren, weil Monſ. van Leuven und ſeine
Frau der Reformirten, ich Albert Julius aber, (als
ein gebohner Sachſe,) der damahls ſo genannten
Lutheriſchen, und Lemelie, als ein Frantzoſe, der
Roͤmiſchen Religion des Pabſts beypflichteten.
Die beyden Ehe-Leute und ich konten uns im Be-
ten und Singen gantz ſchoͤn vereinigen, indem ſie
beyde ziemlich gut Teutſch verſtunden und redeten;
Lemelieaber, der doch faſt alle Spꝛachen, auſſer den
gelehrten Haupt-Sprachen, verſtehen und ziemlich
wohl reden konte, hielt ſeinen Gottesdienſt von uns
abgeſondert, in ſelbſt erwehlter Einſamkeit, worin-
nen derſelbe beſtanden, weiß ich nicht, denn ſo lan-
ge wir mit ihm umgegangen, hat er wenig Gottge-
faͤlliges an ſich mercken laſſen.
Am gedachten Sonntage gegen Abend gieng ich
unten an der Seite des Huͤgels nach dem groſſen
See zu, etwas luſtwandeln herum, ſchurte von
ohngefaͤhr auf dem glatten Graſe, und fiel in einen
mit duͤnnen Straͤuchern verdeckten Graben uͤber
4. Ellen tieff hinunter, woruͤber ich anfaͤnglich heff-
tig erſchrack, und in einen Abgrund zu ſeyn glaubte,
doch da ich mich wieder beſonnen, und nicht den ge-
ringſten Schaden an meinem Leibe vermerckt, raff-
ten ſich meine zitternden Glieder eilig auf. Jm
Umkehren aber wurden meine Augen einer finſtern
Hoͤle gewahr, welche mit allem Fleiſſe in den Huͤ-
gel hinein gearbeitet zu ſeyn ſchiene.
Jch gieng biß zum Eintritt derſelben getroſt hin,
da aber nichts als eine dicke Finſterniß zu ſehen war,
uͤber dieſes eine uͤbelriechende Dunſt mir einen be-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/187>, abgerufen am 24.11.2024.
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