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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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am Berge stehenden Wacht-Hauß, gegen Westen
sehen konte. Wie denn auch oben in die Felsen-
Ecke ein Schilder-Hauß gehauen war, weil aber
der Weg hinauf gar zu unbequem, stiegen wir die-
ses mahl nicht hinauf, zumahlen auch sonsten nichts
gegen Westen zu sehen, als ein steiler biß in die of-
fenbahre See hinunter steigender Felsen.

Nachdem wir nun solchermassen zwey Drittel
des Tages hingebracht, und bey guter Zeit zurück
gekehret waren, besichtigten wir die Arbeit am
Kirchen-Bau, und befanden daselbst die Zeichen
solcher eifferiger Anstalten, dergleichen wir zwar
von ihrem Willen hoffen, von ihren Kräfften aber
nimmermehr glauben können. Denn es war nicht
allein schon eine ziemliche Quantität Steine, Kalck
und Leimen herbey geschafft, sondern auch der
Grund allbereits sehr weit ausgegraben. Unter
unsern sonderbahren Freudens-Bezeugungen über
solchen angenehmen Fortgang, rückte die Zeit zur
Abend-Mahlzeit herbey, nach deren Genuß der
Altvater in seinem Erzehlen folgender massen fort-
fuhr:

Jch hatte mich, wie ich gestern Abend gesagt,
auf dieser meiner Jnsul zur Ruhe gelegt, und zwar
auf einem kleinen Hügel, der zwischen Alberts- und
Davids-Raum befindlich ist, itzo aber ein gantz
ander Ansehen hat. Jndem die Einwohner nicht
allein die Sträucher darauf abgehauen, sondern
auch den mehresten Theil davon abgearbeitet ha-
ben. Meine Ruhe war dermassen vergnügt, daß
ich mich nicht eher als des andern Morgens, etwa
zwey Stunden nach Auffgang der Sonnen, er-

muntern
L

am Berge ſtehenden Wacht-Hauß, gegen Weſten
ſehen konte. Wie denn auch oben in die Felſen-
Ecke ein Schilder-Hauß gehauen war, weil aber
der Weg hinauf gar zu unbequem, ſtiegen wir die-
ſes mahl nicht hinauf, zumahlen auch ſonſten nichts
gegen Weſten zu ſehen, als ein ſteiler biß in die of-
fenbahre See hinunter ſteigender Felſen.

Nachdem wir nun ſolchermaſſen zwey Drittel
des Tages hingebracht, und bey guter Zeit zuruͤck
gekehret waren, beſichtigten wir die Arbeit am
Kirchen-Bau, und befanden daſelbſt die Zeichen
ſolcher eifferiger Anſtalten, dergleichen wir zwar
von ihrem Willen hoffen, von ihren Kraͤfften aber
nimmermehr glauben koͤnnen. Denn es war nicht
allein ſchon eine ziemliche Quantitaͤt Steine, Kalck
und Leimen herbey geſchafft, ſondern auch der
Grund allbereits ſehr weit ausgegraben. Unter
unſern ſonderbahren Freudens-Bezeugungen uͤber
ſolchen angenehmen Fortgang, ruͤckte die Zeit zur
Abend-Mahlzeit herbey, nach deren Genuß der
Altvater in ſeinem Erzehlen folgender maſſen fort-
fuhr:

Jch hatte mich, wie ich geſtern Abend geſagt,
auf dieſer meiner Jnſul zur Ruhe gelegt, und zwar
auf einem kleinen Huͤgel, der zwiſchen Alberts- und
Davids-Raum befindlich iſt, itzo aber ein gantz
ander Anſehen hat. Jndem die Einwohner nicht
allein die Straͤucher darauf abgehauen, ſondern
auch den mehreſten Theil davon abgearbeitet ha-
ben. Meine Ruhe war dermaſſen vergnuͤgt, daß
ich mich nicht eher als des andern Morgens, etwa
zwey Stunden nach Auffgang der Sonnen, er-

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L
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[161/0175] am Berge ſtehenden Wacht-Hauß, gegen Weſten ſehen konte. Wie denn auch oben in die Felſen- Ecke ein Schilder-Hauß gehauen war, weil aber der Weg hinauf gar zu unbequem, ſtiegen wir die- ſes mahl nicht hinauf, zumahlen auch ſonſten nichts gegen Weſten zu ſehen, als ein ſteiler biß in die of- fenbahre See hinunter ſteigender Felſen. Nachdem wir nun ſolchermaſſen zwey Drittel des Tages hingebracht, und bey guter Zeit zuruͤck gekehret waren, beſichtigten wir die Arbeit am Kirchen-Bau, und befanden daſelbſt die Zeichen ſolcher eifferiger Anſtalten, dergleichen wir zwar von ihrem Willen hoffen, von ihren Kraͤfften aber nimmermehr glauben koͤnnen. Denn es war nicht allein ſchon eine ziemliche Quantitaͤt Steine, Kalck und Leimen herbey geſchafft, ſondern auch der Grund allbereits ſehr weit ausgegraben. Unter unſern ſonderbahren Freudens-Bezeugungen uͤber ſolchen angenehmen Fortgang, ruͤckte die Zeit zur Abend-Mahlzeit herbey, nach deren Genuß der Altvater in ſeinem Erzehlen folgender maſſen fort- fuhr: Jch hatte mich, wie ich geſtern Abend geſagt, auf dieſer meiner Jnſul zur Ruhe gelegt, und zwar auf einem kleinen Huͤgel, der zwiſchen Alberts- und Davids-Raum befindlich iſt, itzo aber ein gantz ander Anſehen hat. Jndem die Einwohner nicht allein die Straͤucher darauf abgehauen, ſondern auch den mehreſten Theil davon abgearbeitet ha- ben. Meine Ruhe war dermaſſen vergnuͤgt, daß ich mich nicht eher als des andern Morgens, etwa zwey Stunden nach Auffgang der Sonnen, er- muntern L

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/175>, abgerufen am 24.11.2024.