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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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einen halben Topff Wein, nebst einem Stück Zwie-
back, mit der Erinnerung, daß ich mich damit biß
Morgen behelffen müste, weiln ein mehreres meiner
Gesundheit schädlich seyn möchte.

Nachdem ich auch dieses verzehret, und mich
durchaus erwärmt, auch meine Kleider gantz trucken
befand, kam ich auf einmal wieder zu Verstande, und
bedünckte mich so starck als ein Löwe zu seyn. Mei-
ne erste Frage war nach unsern übrigen Reise-Ge-
fährten, weil ich ausser uns vier vorerwehnten, noch
niemand mehr sahe. Muste aber mit grösten Leid-
wesen anhören, daß sie vermuthlich ingesammt wür-
den ertruncken seyn, wenn sie GOtt nicht auf so wun-
derbare Art als uns, errettet hatte. Denn vor mensch-
lichen Augen war es vergeblich, an eines eintzigen
Rettung zu gedencken, weiln die Zerscheiterung des
Schiffs noch vor Mitternacht geschehen, der Sturm
sich erstlich 2. Stunden vor Aufgang der Sonnen
gelegt hatte, das Hintertheil des Schiffs aber, wor-
auff wir 4. Personen allein geblieben, mit aller Ge-
walt auf diese Sand-Banck getrieben war. Jch
beklagte sonderlich den ehrlichen Mons. Anton Plürs,
der sich bey uns nicht sicher zu seyn geschätzt, sondern
nebst allzuvielen andern Menschen einen leichten Na-
chen erwehlt, doch mit allen diesen sein Begräbniß
in der Tiefe gefunden. Sonsten berichtete Mons.
van Leuven,
daß er so wohl mich, als die Concor-
diam,
mit gröster Mühe auf die Sand-Banck ge-
tragen, weil ihm der eigensinnige und Verzweiffe-
lungs-volle Capitain nicht die geringste Handrei-
chung thun wollen.

Dieser

einen halben Topff Wein, nebſt einem Stuͤck Zwie-
back, mit der Erinnerung, daß ich mich damit biß
Morgen behelffen muͤſte, weiln ein mehreres meiner
Geſundheit ſchaͤdlich ſeyn moͤchte.

Nachdem ich auch dieſes verzehret, und mich
durchaus erwaͤrmt, auch meine Kleider gantz trucken
befand, kam ich auf einmal wieder zu Verſtande, und
beduͤnckte mich ſo ſtarck als ein Loͤwe zu ſeyn. Mei-
ne erſte Frage war nach unſern uͤbrigen Reiſe-Ge-
faͤhrten, weil ich auſſer uns vier vorerwehnten, noch
niemand mehr ſahe. Muſte aber mit groͤſten Leid-
weſen anhoͤren, daß ſie vermuthlich ingeſammt wuͤr-
den ertruncken ſeyn, wenn ſie GOtt nicht auf ſo wun-
derbare Art als uns, errettet hatte. Denn vor menſch-
lichen Augen war es vergeblich, an eines eintzigen
Rettung zu gedencken, weiln die Zerſcheiterung des
Schiffs noch vor Mitternacht geſchehen, der Sturm
ſich erſtlich 2. Stunden vor Aufgang der Sonnen
gelegt hatte, das Hintertheil des Schiffs aber, wor-
auff wir 4. Perſonen allein geblieben, mit aller Ge-
walt auf dieſe Sand-Banck getrieben war. Jch
beklagte ſonderlich den ehrlichen Monſ. Anton Plürs,
der ſich bey uns nicht ſicher zu ſeyn geſchaͤtzt, ſondern
nebſt allzuvielen andern Menſchen einen leichten Na-
chen erwehlt, doch mit allen dieſen ſein Begraͤbniß
in der Tiefe gefunden. Sonſten berichtete Monſ.
van Leuven,
daß er ſo wohl mich, als die Concor-
diam,
mit groͤſter Muͤhe auf die Sand-Banck ge-
tragen, weil ihm der eigenſinnige und Verzweiffe-
lungs-volle Capitain nicht die geringſte Handrei-
chung thun wollen.

Dieſer
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[140/0154] einen halben Topff Wein, nebſt einem Stuͤck Zwie- back, mit der Erinnerung, daß ich mich damit biß Morgen behelffen muͤſte, weiln ein mehreres meiner Geſundheit ſchaͤdlich ſeyn moͤchte. Nachdem ich auch dieſes verzehret, und mich durchaus erwaͤrmt, auch meine Kleider gantz trucken befand, kam ich auf einmal wieder zu Verſtande, und beduͤnckte mich ſo ſtarck als ein Loͤwe zu ſeyn. Mei- ne erſte Frage war nach unſern uͤbrigen Reiſe-Ge- faͤhrten, weil ich auſſer uns vier vorerwehnten, noch niemand mehr ſahe. Muſte aber mit groͤſten Leid- weſen anhoͤren, daß ſie vermuthlich ingeſammt wuͤr- den ertruncken ſeyn, wenn ſie GOtt nicht auf ſo wun- derbare Art als uns, errettet hatte. Denn vor menſch- lichen Augen war es vergeblich, an eines eintzigen Rettung zu gedencken, weiln die Zerſcheiterung des Schiffs noch vor Mitternacht geſchehen, der Sturm ſich erſtlich 2. Stunden vor Aufgang der Sonnen gelegt hatte, das Hintertheil des Schiffs aber, wor- auff wir 4. Perſonen allein geblieben, mit aller Ge- walt auf dieſe Sand-Banck getrieben war. Jch beklagte ſonderlich den ehrlichen Monſ. Anton Plürs, der ſich bey uns nicht ſicher zu ſeyn geſchaͤtzt, ſondern nebſt allzuvielen andern Menſchen einen leichten Na- chen erwehlt, doch mit allen dieſen ſein Begraͤbniß in der Tiefe gefunden. Sonſten berichtete Monſ. van Leuven, daß er ſo wohl mich, als die Concor- diam, mit groͤſter Muͤhe auf die Sand-Banck ge- tragen, weil ihm der eigenſinnige und Verzweiffe- lungs-volle Capitain nicht die geringſte Handrei- chung thun wollen. Dieſer

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/154>, abgerufen am 24.11.2024.