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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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erste fortgehende Post war, die mir in Braun-
schweig aufstieß, und die ich nur deßwegen nahm, um
weit genung hinweg zu kommen, es mochte auch seyn
wo es hin wolte. Jch schätzte mich in meinen Ge-
dancken weit reicher als den grossen Mogol; ließ de-
rowegen meinem Leibe an guten Speisen und Ge-
träncke nichts mangeln, schaffte mir ein ziemlich
wohl conditionirtes Kleid, nebst guter Wäsche und
andern Zubehör an, behielt aber doch noch etliche
40. Thlr. Zehrungs-Geld im Sacke, wovon ich
mir so lange zu zehren getrauete, biß mir das Glück
wieder eine Gelegenheit zur Ruhe zeigte, denn ich
wuste mich selbst nicht zu resolviren, was ich in Zu-
kunfft vor eine Profession oder Lebens-Art erweh-
len wolte, da wegen der annoch lichterloh brennen-
den Krieges-Flamme eine verdrüßliche Zeit in der
Welt war, zumahlen vor einen von allen Menschen
verlassenen jungen Purschen, der erstlich in sein 17des
Jahr gieng, und am Soldaten-Leben den greulich-
sten Eckel hatte.

Eines Tages gieng ich zum Zeitvertreibe vor die
Stadt spatzieren, und gerieth unter 4. ansehnliche
junge Leute, welche, vermuthlich in Betracht mei-
ner guten Kleidung, zierlicher Krausen und Hosen-
Bänder, auch wohl des an der Seite tragenden
Degens, sehr viel Achtbarkeit vor meine Person
zeigten, und nach langen herumgehen, mich zu sich
in ein Wein-Hauß nöthigten. Jch schätzte mir
vor eine besondere Ehre, mit rechtschaffenen Kerlen
ein Glaß Wein zu trincken, ging derowegen mit
und that ihnen redlich Bescheid. So bald aber der
Wein die Geister in meinem Gehirne etwas rege

gemacht
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erſte fortgehende Poſt war, die mir in Braun-
ſchweig aufſtieß, und die ich nur deßwegen nahm, um
weit genung hinweg zu kommen, es mochte auch ſeyn
wo es hin wolte. Jch ſchaͤtzte mich in meinen Ge-
dancken weit reicher als den groſſen Mogol; ließ de-
rowegen meinem Leibe an guten Speiſen und Ge-
traͤncke nichts mangeln, ſchaffte mir ein ziemlich
wohl conditionirtes Kleid, nebſt guter Waͤſche und
andern Zubehoͤr an, behielt aber doch noch etliche
40. Thlr. Zehrungs-Geld im Sacke, wovon ich
mir ſo lange zu zehren getrauete, biß mir das Gluͤck
wieder eine Gelegenheit zur Ruhe zeigte, denn ich
wuſte mich ſelbſt nicht zu reſolviren, was ich in Zu-
kunfft vor eine Profeſſion oder Lebens-Art erweh-
len wolte, da wegen der annoch lichterloh brennen-
den Krieges-Flamme eine verdruͤßliche Zeit in der
Welt war, zumahlen vor einen von allen Menſchen
verlaſſenen jungen Purſchen, der erſtlich in ſein 17des
Jahr gieng, und am Soldaten-Leben den greulich-
ſten Eckel hatte.

Eines Tages gieng ich zum Zeitvertreibe vor die
Stadt ſpatzieren, und gerieth unter 4. anſehnliche
junge Leute, welche, vermuthlich in Betracht mei-
ner guten Kleidung, zierlicher Krauſen und Hoſen-
Baͤnder, auch wohl des an der Seite tragenden
Degens, ſehr viel Achtbarkeit vor meine Perſon
zeigten, und nach langen herumgehen, mich zu ſich
in ein Wein-Hauß noͤthigten. Jch ſchaͤtzte mir
vor eine beſondere Ehre, mit rechtſchaffenen Kerlen
ein Glaß Wein zu trincken, ging derowegen mit
und that ihnen redlich Beſcheid. So bald aber der
Wein die Geiſter in meinem Gehirne etwas rege

gemacht
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[117/0131] erſte fortgehende Poſt war, die mir in Braun- ſchweig aufſtieß, und die ich nur deßwegen nahm, um weit genung hinweg zu kommen, es mochte auch ſeyn wo es hin wolte. Jch ſchaͤtzte mich in meinen Ge- dancken weit reicher als den groſſen Mogol; ließ de- rowegen meinem Leibe an guten Speiſen und Ge- traͤncke nichts mangeln, ſchaffte mir ein ziemlich wohl conditionirtes Kleid, nebſt guter Waͤſche und andern Zubehoͤr an, behielt aber doch noch etliche 40. Thlr. Zehrungs-Geld im Sacke, wovon ich mir ſo lange zu zehren getrauete, biß mir das Gluͤck wieder eine Gelegenheit zur Ruhe zeigte, denn ich wuſte mich ſelbſt nicht zu reſolviren, was ich in Zu- kunfft vor eine Profeſſion oder Lebens-Art erweh- len wolte, da wegen der annoch lichterloh brennen- den Krieges-Flamme eine verdruͤßliche Zeit in der Welt war, zumahlen vor einen von allen Menſchen verlaſſenen jungen Purſchen, der erſtlich in ſein 17des Jahr gieng, und am Soldaten-Leben den greulich- ſten Eckel hatte. Eines Tages gieng ich zum Zeitvertreibe vor die Stadt ſpatzieren, und gerieth unter 4. anſehnliche junge Leute, welche, vermuthlich in Betracht mei- ner guten Kleidung, zierlicher Krauſen und Hoſen- Baͤnder, auch wohl des an der Seite tragenden Degens, ſehr viel Achtbarkeit vor meine Perſon zeigten, und nach langen herumgehen, mich zu ſich in ein Wein-Hauß noͤthigten. Jch ſchaͤtzte mir vor eine beſondere Ehre, mit rechtſchaffenen Kerlen ein Glaß Wein zu trincken, ging derowegen mit und that ihnen redlich Beſcheid. So bald aber der Wein die Geiſter in meinem Gehirne etwas rege gemacht H 3

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/131>, abgerufen am 26.11.2024.