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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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Bediente eines gewissen Printzen in Teutschland,
indem er in damahliger hefftiger Kriegs-Unruhe sei-
nes Herren Feinden in die Hände fiel, und weil er sei-
nem Fürsten, vielweniger aber seinem GOtt unge-
treu werden wolte, so wurde ihm unter dem Vor-
wande, als ob er in seinen Briefen an den Fürsten
den Respect gegen andere Potentaten beyseit gesetzt,
der Kopf gantz heimlicher und desto mehr unschuldi-
ger Weise vor die Füsse gelegt, mithin meine Mut-
ter zu einer armen Wittbe, 2. Kinder aber zu elen-
den Wäysen gemacht. Jch gieng dazumalin mein
sechstes/ mein Bruder Johann Balthasar, aber in
sein vierdtes Jahr, weiln wir aber unsern Vater,
der beständig bey dem Printzen in Campagne ge-
wesen, ohnedem sehr wenig zu Hause gesehen hat-
ten, so war unser Leidwesen, damahliger Kindheit
nach, nicht also beschaffen, als es der jämmerlich
starcke Verlust, den wir nachhero erstlich empfinden
lerneten, erforderte, ob schon unsere Mutter ihre
Wangen Tag und Nacht mit Thränen benetzte.

Meines Vaters Principal, welcher wohl wuste,
daß mein Vater ein schlechtes Vermögen würde hin-
terlassen haben, schickte zwar an meine Mutter 800.
Thlr. rückständige Besoldung nebst der Versiche-
rung seiner beständigen Gnade, allein das Kriegs-
Feuer gerieth in volle Flammen, der Wohlthätige
Fürst wurde weit von uns getrieben, der Tod raubte
die Mutter, der Feind das übrige blut-wenige Ver-
mögen, alle Freunde waren zerstreuet, also wusten ich
und mein Bruder sonst kein ander Mittel, als den
Bettel-Stab zu ergreiffen.

Wir

Bediente eines gewiſſen Printzen in Teutſchland,
indem er in damahliger hefftiger Kriegs-Unruhe ſei-
nes Herren Feinden in die Haͤnde fiel, und weil er ſei-
nem Fuͤrſten, vielweniger aber ſeinem GOtt unge-
treu werden wolte, ſo wurde ihm unter dem Vor-
wande, als ob er in ſeinen Briefen an den Fuͤrſten
den Reſpect gegen andere Potentaten beyſeit geſetzt,
der Kopf gantz heimlicher und deſto mehr unſchuldi-
ger Weiſe vor die Fuͤſſe gelegt, mithin meine Mut-
ter zu einer armen Wittbe, 2. Kinder aber zu elen-
den Waͤyſen gemacht. Jch gieng dazumalin mein
ſechſtes/ mein Bruder Johann Balthaſar, aber in
ſein vierdtes Jahr, weiln wir aber unſern Vater,
der beſtaͤndig bey dem Printzen in Campagne ge-
weſen, ohnedem ſehr wenig zu Hauſe geſehen hat-
ten, ſo war unſer Leidweſen, damahliger Kindheit
nach, nicht alſo beſchaffen, als es der jaͤmmerlich
ſtarcke Verluſt, den wir nachhero erſtlich empfinden
lerneten, erforderte, ob ſchon unſere Mutter ihre
Wangen Tag und Nacht mit Thraͤnen benetzte.

Meines Vaters Principal, welcher wohl wuſte,
daß mein Vater ein ſchlechtes Vermoͤgen wuͤrde hin-
terlaſſen haben, ſchickte zwar an meine Mutter 800.
Thlr. ruͤckſtaͤndige Beſoldung nebſt der Verſiche-
rung ſeiner beſtaͤndigen Gnade, allein das Kriegs-
Feuer gerieth in volle Flammen, der Wohlthaͤtige
Fuͤrſt wurde weit von uns getrieben, der Tod raubte
die Mutter, der Feind das uͤbrige blut-wenige Ver-
moͤgen, alle Freunde waren zerſtreuet, alſo wuſten ich
und mein Bruder ſonſt kein ander Mittel, als den
Bettel-Stab zu ergreiffen.

Wir
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[111/0125] Bediente eines gewiſſen Printzen in Teutſchland, indem er in damahliger hefftiger Kriegs-Unruhe ſei- nes Herren Feinden in die Haͤnde fiel, und weil er ſei- nem Fuͤrſten, vielweniger aber ſeinem GOtt unge- treu werden wolte, ſo wurde ihm unter dem Vor- wande, als ob er in ſeinen Briefen an den Fuͤrſten den Reſpect gegen andere Potentaten beyſeit geſetzt, der Kopf gantz heimlicher und deſto mehr unſchuldi- ger Weiſe vor die Fuͤſſe gelegt, mithin meine Mut- ter zu einer armen Wittbe, 2. Kinder aber zu elen- den Waͤyſen gemacht. Jch gieng dazumalin mein ſechſtes/ mein Bruder Johann Balthaſar, aber in ſein vierdtes Jahr, weiln wir aber unſern Vater, der beſtaͤndig bey dem Printzen in Campagne ge- weſen, ohnedem ſehr wenig zu Hauſe geſehen hat- ten, ſo war unſer Leidweſen, damahliger Kindheit nach, nicht alſo beſchaffen, als es der jaͤmmerlich ſtarcke Verluſt, den wir nachhero erſtlich empfinden lerneten, erforderte, ob ſchon unſere Mutter ihre Wangen Tag und Nacht mit Thraͤnen benetzte. Meines Vaters Principal, welcher wohl wuſte, daß mein Vater ein ſchlechtes Vermoͤgen wuͤrde hin- terlaſſen haben, ſchickte zwar an meine Mutter 800. Thlr. ruͤckſtaͤndige Beſoldung nebſt der Verſiche- rung ſeiner beſtaͤndigen Gnade, allein das Kriegs- Feuer gerieth in volle Flammen, der Wohlthaͤtige Fuͤrſt wurde weit von uns getrieben, der Tod raubte die Mutter, der Feind das uͤbrige blut-wenige Ver- moͤgen, alle Freunde waren zerſtreuet, alſo wuſten ich und mein Bruder ſonſt kein ander Mittel, als den Bettel-Stab zu ergreiffen. Wir

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/125>, abgerufen am 26.11.2024.