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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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sung herab, uns entgegen bringen lassen, denn er kon-
te damals wegen eines geschwollenen Fusses nicht
gut fortkommen. Jch erstaunete über sein Ehrwür-
diges Ansehen, und venerablen weissen Bart, der
ihm fast biß auf dem Gürtel herab reichte, zu seinen
beyden Seiten waren noch 5. ebenfalls sehr alt schei-
nende Greisse, nebst etlichen andern, die zwar etwas
jünger, doch auch 50. biß 60. Jahr alt ausfahen.
Ausser der Sommer-Laube aber, auf einem schönen
grünen und mit lauter Palmen und Latun-Bäumen
umsetzten Platze, war eine ziemliche Anzahl er wach-
sener Personen und Kinder, alle recht reputirlich
gekleidet, versammlet.

Jch wüste nicht Worte genung zu ersinnen, wenn
ich die zärtliche Bewillkommung, und das innige
Vergnügen des Albert Julii und der Seinigen vor-
stellen solte. Mich drückte der ehrliche Alte aus ge-
treuem Hertzen dermassen fest an seine Brust, daß
ich die Regungen des aufrichtigen Geblüts sattsam
spürte, und eine lange Weile in seinen Armen ein-
geschlossen bleiben muste. Hierauf stellete er mich
als ein Kind zwischen seinen Schooß, und ließ alle
Gegenwärtige, so wohl klein als groß herzu ruffen,
welche mit Freuden kamen und den Bewillkom-
mungs-Kuß auf meinen Mund und Hand drück-
ten. Alle andere Neuangekommenen wurden mit
nicht weniger Freude und Aufrichtigkeit empfan-
gen, so daß die ersten Höfflichkeits-Bezeugungen
biß auf den hohen Mittag daureten, worauf wir
Einkömmlinge mit dem Albert Julio, und denen 5.
Alten, in dem auf dem Hügel liegenden Hause die
Mittags-Mahlzeit einnahmen. Wir wurden

zwar
G 3

ſung herab, uns entgegen bringen laſſen, denn er kon-
te damals wegen eines geſchwollenen Fuſſes nicht
gut fortkommen. Jch erſtaunete uͤber ſein Ehrwuͤr-
diges Anſehen, und venerablen weiſſen Bart, der
ihm faſt biß auf dem Guͤrtel herab reichte, zu ſeinen
beyden Seiten waren noch 5. ebenfalls ſehr alt ſchei-
nende Greiſſe, nebſt etlichen andern, die zwar etwas
juͤnger, doch auch 50. biß 60. Jahr alt ausfahen.
Auſſer der Sommer-Laube aber, auf einem ſchoͤnen
gruͤnen und mit lauter Palmen und Latun-Baͤumen
umſetzten Platze, war eine ziemliche Anzahl er wach-
ſener Perſonen und Kinder, alle recht reputirlich
gekleidet, verſammlet.

Jch wuͤſte nicht Worte genung zu erſinnen, wenn
ich die zaͤrtliche Bewillkommung, und das innige
Vergnuͤgen des Albert Julii und der Seinigen vor-
ſtellen ſolte. Mich druͤckte der ehrliche Alte aus ge-
treuem Hertzen dermaſſen feſt an ſeine Bruſt, daß
ich die Regungen des aufrichtigen Gebluͤts ſattſam
ſpuͤrte, und eine lange Weile in ſeinen Armen ein-
geſchloſſen bleiben muſte. Hierauf ſtellete er mich
als ein Kind zwiſchen ſeinen Schooß, und ließ alle
Gegenwaͤrtige, ſo wohl klein als groß herzu ruffen,
welche mit Freuden kamen und den Bewillkom-
mungs-Kuß auf meinen Mund und Hand druͤck-
ten. Alle andere Neuangekommenen wurden mit
nicht weniger Freude und Aufrichtigkeit empfan-
gen, ſo daß die erſten Hoͤfflichkeits-Bezeugungen
biß auf den hohen Mittag daureten, worauf wir
Einkoͤmmlinge mit dem Albert Julio, und denen 5.
Alten, in dem auf dem Huͤgel liegenden Hauſe die
Mittags-Mahlzeit einnahmen. Wir wurden

zwar
G 3
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[101/0115] ſung herab, uns entgegen bringen laſſen, denn er kon- te damals wegen eines geſchwollenen Fuſſes nicht gut fortkommen. Jch erſtaunete uͤber ſein Ehrwuͤr- diges Anſehen, und venerablen weiſſen Bart, der ihm faſt biß auf dem Guͤrtel herab reichte, zu ſeinen beyden Seiten waren noch 5. ebenfalls ſehr alt ſchei- nende Greiſſe, nebſt etlichen andern, die zwar etwas juͤnger, doch auch 50. biß 60. Jahr alt ausfahen. Auſſer der Sommer-Laube aber, auf einem ſchoͤnen gruͤnen und mit lauter Palmen und Latun-Baͤumen umſetzten Platze, war eine ziemliche Anzahl er wach- ſener Perſonen und Kinder, alle recht reputirlich gekleidet, verſammlet. Jch wuͤſte nicht Worte genung zu erſinnen, wenn ich die zaͤrtliche Bewillkommung, und das innige Vergnuͤgen des Albert Julii und der Seinigen vor- ſtellen ſolte. Mich druͤckte der ehrliche Alte aus ge- treuem Hertzen dermaſſen feſt an ſeine Bruſt, daß ich die Regungen des aufrichtigen Gebluͤts ſattſam ſpuͤrte, und eine lange Weile in ſeinen Armen ein- geſchloſſen bleiben muſte. Hierauf ſtellete er mich als ein Kind zwiſchen ſeinen Schooß, und ließ alle Gegenwaͤrtige, ſo wohl klein als groß herzu ruffen, welche mit Freuden kamen und den Bewillkom- mungs-Kuß auf meinen Mund und Hand druͤck- ten. Alle andere Neuangekommenen wurden mit nicht weniger Freude und Aufrichtigkeit empfan- gen, ſo daß die erſten Hoͤfflichkeits-Bezeugungen biß auf den hohen Mittag daureten, worauf wir Einkoͤmmlinge mit dem Albert Julio, und denen 5. Alten, in dem auf dem Huͤgel liegenden Hauſe die Mittags-Mahlzeit einnahmen. Wir wurden zwar G 3

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/115>, abgerufen am 27.11.2024.