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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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waren. Jch ersahe mit gröster Verwunderung, daß
derselbe gantz trocken war, besonn mich aber bald
auf des Capitains vormahlige Erzehlung, mitlerwei-
le stiegen wir, aber ohne fernern Umschweiff, die von
dem klaren Wasser gewaschenen Felsen-Stuffen
hinauf, und marchirten in einer langen jedoch mit
vielen Fackeln erleuchteten Felsen-Höle immer auf-
wärts, biß wir endlich ingesammt als aus einem tief-
fen Keller an das helle Tages-Licht berauf kamen.

Nunmehro waren wir einiger massen überzeugt,
daß uns der Capitain Wolffgang keine Unwahr-
heiten vorgeschwatzt hatte, denn man sahe allhier in
einem kleinen Bezirck das schönste Lust-Revier der
Welt, so, daß unsere Augen eine gute Zeit recht starr
offen stehen, der Mund aber, vor Verwunderung
des Gemüths geschlossen bleiben muste.

Unsern Seel-Sorger, Herrn M. Schmeltzern,
traten vor Freuden die Thränen in die Augen, er
fiel nieder auf die Knie, um den Allerhöchsten ge-
bührenden Danck abzustatten, und zwar vor die be-
sondere Gnade, daß uns derselbe ohne den gering-
sten Schaden und Unfall gesund anhero geführet
hatte. Da er aber sahe, daß wir gleiches Sinnes
mit ihm waren, nahm er seine Bibel, verlaß den 65.
und 84. Psalm Davids, welche beyden Psalmen
sich ungemein schön hieher schickten: Betete hierauf
einige kräfftige Gebete, und schloß mit dem Liede:
Nun dancket alle GOTT etc. Unsere Begleiter
konten so gut mit singen und beten als wir, wor-
aus so gleich zu muthmassen war, daß sie im Chri-
stenthum nicht unerfahren seyn müsten. So bald

wir
G 2

waren. Jch erſahe mit groͤſter Verwunderung, daß
derſelbe gantz trocken war, beſonn mich aber bald
auf des Capitains vormahlige Erzehlung, mitlerwei-
le ſtiegen wir, aber ohne fernern Umſchweiff, die von
dem klaren Waſſer gewaſchenen Felſen-Stuffen
hinauf, und marchirten in einer langen jedoch mit
vielen Fackeln erleuchteten Felſen-Hoͤle immer auf-
waͤrts, biß wir endlich ingeſammt als aus einem tief-
fen Keller an das helle Tages-Licht berauf kamen.

Nunmehro waren wir einiger maſſen uͤberzeugt,
daß uns der Capitain Wolffgang keine Unwahr-
heiten vorgeſchwatzt hatte, denn man ſahe allhier in
einem kleinen Bezirck das ſchoͤnſte Luſt-Revier der
Welt, ſo, daß unſere Augen eine gute Zeit recht ſtarr
offen ſtehen, der Mund aber, vor Verwunderung
des Gemuͤths geſchloſſen bleiben muſte.

Unſern Seel-Sorger, Herrn M. Schmeltzern,
traten vor Freuden die Thraͤnen in die Augen, er
fiel nieder auf die Knie, um den Allerhoͤchſten ge-
buͤhrenden Danck abzuſtatten, und zwar vor die be-
ſondere Gnade, daß uns derſelbe ohne den gering-
ſten Schaden und Unfall geſund anhero gefuͤhret
hatte. Da er aber ſahe, daß wir gleiches Sinnes
mit ihm waren, nahm er ſeine Bibel, verlaß den 65.
und 84. Pſalm Davids, welche beyden Pſalmen
ſich ungemein ſchoͤn hieher ſchickten: Betete hierauf
einige kraͤfftige Gebete, und ſchloß mit dem Liede:
Nun dancket alle GOTT ꝛc. Unſere Begleiter
konten ſo gut mit ſingen und beten als wir, wor-
aus ſo gleich zu muthmaſſen war, daß ſie im Chri-
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wir
G 2
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[99/0111] waren. Jch erſahe mit groͤſter Verwunderung, daß derſelbe gantz trocken war, beſonn mich aber bald auf des Capitains vormahlige Erzehlung, mitlerwei- le ſtiegen wir, aber ohne fernern Umſchweiff, die von dem klaren Waſſer gewaſchenen Felſen-Stuffen hinauf, und marchirten in einer langen jedoch mit vielen Fackeln erleuchteten Felſen-Hoͤle immer auf- waͤrts, biß wir endlich ingeſammt als aus einem tief- fen Keller an das helle Tages-Licht berauf kamen. Nunmehro waren wir einiger maſſen uͤberzeugt, daß uns der Capitain Wolffgang keine Unwahr- heiten vorgeſchwatzt hatte, denn man ſahe allhier in einem kleinen Bezirck das ſchoͤnſte Luſt-Revier der Welt, ſo, daß unſere Augen eine gute Zeit recht ſtarr offen ſtehen, der Mund aber, vor Verwunderung des Gemuͤths geſchloſſen bleiben muſte. Unſern Seel-Sorger, Herrn M. Schmeltzern, traten vor Freuden die Thraͤnen in die Augen, er fiel nieder auf die Knie, um den Allerhoͤchſten ge- buͤhrenden Danck abzuſtatten, und zwar vor die be- ſondere Gnade, daß uns derſelbe ohne den gering- ſten Schaden und Unfall geſund anhero gefuͤhret hatte. Da er aber ſahe, daß wir gleiches Sinnes mit ihm waren, nahm er ſeine Bibel, verlaß den 65. und 84. Pſalm Davids, welche beyden Pſalmen ſich ungemein ſchoͤn hieher ſchickten: Betete hierauf einige kraͤfftige Gebete, und ſchloß mit dem Liede: Nun dancket alle GOTT ꝛc. Unſere Begleiter konten ſo gut mit ſingen und beten als wir, wor- aus ſo gleich zu muthmaſſen war, daß ſie im Chri- ſtenthum nicht unerfahren ſeyn muͤſten. So bald wir G 2

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/111>, abgerufen am 28.11.2024.