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Schmoller, Gustav: Die Volkswirtschaft, die Volkswirtschaftslehre und ihre Methode. Frankfurt (Main), 1893.

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zwischen den verschiedenen Lebensgebieten wird man nicht leugnen,
wohl aber die Möglichkeit einer erschöpfenden Kausalerklärung dieser
Art. Es ist erstaunlich, wie weit über die Kreise des sozialistischen
Denkens hinaus diese grob materialistische, auch schon von J. St. Mill
mit durchschlagenden Gründen in seiner Logik bekämpfte Gedanken-
richtung Anhänger gefunden hat. Sie steht methodisch kaum viel
höher als die Verirrungen Buckles und seiner Nachfolger, die aus
Nahrung, Stand der Sonne und ähnlichen Faktoren die psychischen
Eigenschaften der Menschen und die Gesellschaftsverfassung glaub-
ten direkt ableiten zu könnnen.

Als eine andere Verirrung muß es bezeichnet werden, wenn über-
haupt nicht die Frage nach Ursachen, sondern die nach Axiomen und
letzten Elementen den Ausgangspunkt der wissenschaftlichen Erör-
terung bilden soll. Die Analogie mit der Mathematik und Geometrie
hat dazu verführt, man wollte, wie diese Wissenschaft, einige wenige
einfache Prämissen haben, aus ihnen deduzieren. In England haben
Senior, Cairneß und andere solche oberste "propositions" aufgestellt,
ersterer bekanntlich vier Sätze, die er aber aus Erfahrung und Be-
wußtsein ableitet, Sätze, die wenigstens allgemeine Urteile über Kau-
salverhältnisse, über wirtschaftliches Handeln, Bevölkerungszunahme,
Wirkung des Kapitals und Beschränktheit der landwirtschaftlichen
Produktion enthalten. Ihre deutschen Nachfolger, hauptsächlich C.
Menger und Sax, drücken sich viel dunkler aus: ersterer behauptet,
seine letzten einfachen Elemente seien zum Teil durch empirisch-reali-
stische Analyse gewonnen, also müssen sie zum anderen Teil doch
wohl aprioristisch sein; er braucht das Wort "aprioristische Axiome",
läßt aber nicht ganz deutlich erkennen, ob sie identisch seien mit
seinen letzten Elementen und Faktoren. Als solche bezeichnet er
die Bedürfnisse und das Streben nach vollständiger Befriedigung der-
selben. Sax nennt an einer Stelle als solche Egoismus, Mutualismus,
Altruismus, an anderer Bedürfnisgefühle, Güter, Arbeit. Es han-
delt sich also hier um möglichst abstrakte Allgemeinbegriffe, über
deren Kausalwirkung nicht einmal etwas Konkretes ausgesagt wird. Sie
sind alles eher als Axiome, d. h. von selbst jedem Menschen einleuch-
tende Wahrheiten. Es sind jedenfalls keine kausalen Urteile, die allein
die Basis einer Wissenschaft von realen Dingen bilden könnten. Die
übrige deutsche Wissenschaft (z. B. Leser, Neumann und ich) hat
daher derartige Gedanken auch durchaus abgelehnt und selbst ein
Verehrer von Menger, wie A. Wagner, hat nirgends sich in dieser
entscheidenden Grundthese mit ihm identifiziert.

Vielleicht der gelungenste Versuch, ein einheitliches Prinzip, eine
einheitliche Kraft als ausschließliche Ursache an die Spitze zu stellen,
ist der von H. Dietzel, der aus dem wirtschaftlichen Zweckstreben des

zwischen den verschiedenen Lebensgebieten wird man nicht leugnen,
wohl aber die Möglichkeit einer erschöpfenden Kausalerklärung dieser
Art. Es ist erstaunlich, wie weit über die Kreise des sozialistischen
Denkens hinaus diese grob materialistische, auch schon von J. St. Mill
mit durchschlagenden Gründen in seiner Logik bekämpfte Gedanken-
richtung Anhänger gefunden hat. Sie steht methodisch kaum viel
höher als die Verirrungen Buckles und seiner Nachfolger, die aus
Nahrung, Stand der Sonne und ähnlichen Faktoren die psychischen
Eigenschaften der Menschen und die Gesellschaftsverfassung glaub-
ten direkt ableiten zu könnnen.

Als eine andere Verirrung muß es bezeichnet werden, wenn über-
haupt nicht die Frage nach Ursachen, sondern die nach Axiomen und
letzten Elementen den Ausgangspunkt der wissenschaftlichen Erör-
terung bilden soll. Die Analogie mit der Mathematik und Geometrie
hat dazu verführt, man wollte, wie diese Wissenschaft, einige wenige
einfache Prämissen haben, aus ihnen deduzieren. In England haben
Senior, Cairneß und andere solche oberste „propositions“ aufgestellt,
ersterer bekanntlich vier Sätze, die er aber aus Erfahrung und Be-
wußtsein ableitet, Sätze, die wenigstens allgemeine Urteile über Kau-
salverhältnisse, über wirtschaftliches Handeln, Bevölkerungszunahme,
Wirkung des Kapitals und Beschränktheit der landwirtschaftlichen
Produktion enthalten. Ihre deutschen Nachfolger, hauptsächlich C.
Menger und Sax, drücken sich viel dunkler aus: ersterer behauptet,
seine letzten einfachen Elemente seien zum Teil durch empirisch-reali-
stische Analyse gewonnen, also müssen sie zum anderen Teil doch
wohl aprioristisch sein; er braucht das Wort „aprioristische Axiome“,
läßt aber nicht ganz deutlich erkennen, ob sie identisch seien mit
seinen letzten Elementen und Faktoren. Als solche bezeichnet er
die Bedürfnisse und das Streben nach vollständiger Befriedigung der-
selben. Sax nennt an einer Stelle als solche Egoismus, Mutualismus,
Altruismus, an anderer Bedürfnisgefühle, Güter, Arbeit. Es han-
delt sich also hier um möglichst abstrakte Allgemeinbegriffe, über
deren Kausalwirkung nicht einmal etwas Konkretes ausgesagt wird. Sie
sind alles eher als Axiome, d. h. von selbst jedem Menschen einleuch-
tende Wahrheiten. Es sind jedenfalls keine kausalen Urteile, die allein
die Basis einer Wissenschaft von realen Dingen bilden könnten. Die
übrige deutsche Wissenschaft (z. B. Leser, Neumann und ich) hat
daher derartige Gedanken auch durchaus abgelehnt und selbst ein
Verehrer von Menger, wie A. Wagner, hat nirgends sich in dieser
entscheidenden Grundthese mit ihm identifiziert.

Vielleicht der gelungenste Versuch, ein einheitliches Prinzip, eine
einheitliche Kraft als ausschließliche Ursache an die Spitze zu stellen,
ist der von H. Dietzel, der aus dem wirtschaftlichen Zweckstreben des

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[58/0062] zwischen den verschiedenen Lebensgebieten wird man nicht leugnen, wohl aber die Möglichkeit einer erschöpfenden Kausalerklärung dieser Art. Es ist erstaunlich, wie weit über die Kreise des sozialistischen Denkens hinaus diese grob materialistische, auch schon von J. St. Mill mit durchschlagenden Gründen in seiner Logik bekämpfte Gedanken- richtung Anhänger gefunden hat. Sie steht methodisch kaum viel höher als die Verirrungen Buckles und seiner Nachfolger, die aus Nahrung, Stand der Sonne und ähnlichen Faktoren die psychischen Eigenschaften der Menschen und die Gesellschaftsverfassung glaub- ten direkt ableiten zu könnnen. Als eine andere Verirrung muß es bezeichnet werden, wenn über- haupt nicht die Frage nach Ursachen, sondern die nach Axiomen und letzten Elementen den Ausgangspunkt der wissenschaftlichen Erör- terung bilden soll. Die Analogie mit der Mathematik und Geometrie hat dazu verführt, man wollte, wie diese Wissenschaft, einige wenige einfache Prämissen haben, aus ihnen deduzieren. In England haben Senior, Cairneß und andere solche oberste „propositions“ aufgestellt, ersterer bekanntlich vier Sätze, die er aber aus Erfahrung und Be- wußtsein ableitet, Sätze, die wenigstens allgemeine Urteile über Kau- salverhältnisse, über wirtschaftliches Handeln, Bevölkerungszunahme, Wirkung des Kapitals und Beschränktheit der landwirtschaftlichen Produktion enthalten. Ihre deutschen Nachfolger, hauptsächlich C. Menger und Sax, drücken sich viel dunkler aus: ersterer behauptet, seine letzten einfachen Elemente seien zum Teil durch empirisch-reali- stische Analyse gewonnen, also müssen sie zum anderen Teil doch wohl aprioristisch sein; er braucht das Wort „aprioristische Axiome“, läßt aber nicht ganz deutlich erkennen, ob sie identisch seien mit seinen letzten Elementen und Faktoren. Als solche bezeichnet er die Bedürfnisse und das Streben nach vollständiger Befriedigung der- selben. Sax nennt an einer Stelle als solche Egoismus, Mutualismus, Altruismus, an anderer Bedürfnisgefühle, Güter, Arbeit. Es han- delt sich also hier um möglichst abstrakte Allgemeinbegriffe, über deren Kausalwirkung nicht einmal etwas Konkretes ausgesagt wird. Sie sind alles eher als Axiome, d. h. von selbst jedem Menschen einleuch- tende Wahrheiten. Es sind jedenfalls keine kausalen Urteile, die allein die Basis einer Wissenschaft von realen Dingen bilden könnten. Die übrige deutsche Wissenschaft (z. B. Leser, Neumann und ich) hat daher derartige Gedanken auch durchaus abgelehnt und selbst ein Verehrer von Menger, wie A. Wagner, hat nirgends sich in dieser entscheidenden Grundthese mit ihm identifiziert. Vielleicht der gelungenste Versuch, ein einheitliches Prinzip, eine einheitliche Kraft als ausschließliche Ursache an die Spitze zu stellen, ist der von H. Dietzel, der aus dem wirtschaftlichen Zweckstreben des

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Die Volkswirtschaft, die Volkswirtschaftslehre und ihre Methode. Frankfurt (Main), 1893, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_volkswirtschaftslehre_1893/62>, abgerufen am 25.11.2024.