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Schmoller, Gustav: Die Volkswirtschaft, die Volkswirtschaftslehre und ihre Methode. Frankfurt (Main), 1893.

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litäten, die jenseits dieser Grenze liegen, also vor allem die wichtigsten
sittlichen und geistigen Vorkommnisse, sind ihr unerreichbar, soweit
sie sich nicht in zählbaren Ereignissen, wie in Selbstmorden oder Stra-
fen darstellen. Von den zählbaren Dingen können wir häufig das
eigentlich Interessante nicht erfahren, weil die Fragestellungen zu kom-
pliziert, die Antworten zu falsch werden, zu schwierig summierbar
sind. Wir zählen, wie viele Milchkühe vorhanden sind, aber nicht wie
schwer sie sind, wie viel Milch sie geben; wir erfahren, wie viel Be-
triebe mit wie viel Arbeitern existieren, die Erhebung ihrer Ma-
schinen, ihres Kapitals, ihrer Jahresproduktion ist nicht in brauch-
barer Weise geglückt. Lexis führt aus, daß da, wo wir die Ursachen
einfach typisch sich wiederholender Vorgänge bereits kennen, die sta-
tistische Untersuchung überflüssig sei oder höchstens als Berichtigungs-
verfahren wirke, und daß sie d[a], wo es sich um historisch individua-
lisierte Massenerscheinungen handle, als Hilfswissenschaft in dem Maße
zurücktrete, als die Erscheinungen individueller werden. Bleibt zwi-
schen diesen zwei Gruppen ein großes und wichtiges Gebiet für die
Statistik, soweit sie durchführbar ist, die komplizierten Ursachen und
Ursachenkomplexe deckt sie nie direkt auf, sie erlaubt nur dem Sachken-
ner, durch den Vergleich der Zahlen die Zusammenhänge zu vermuten.

Verwandt mit der Statistik sind die sog. Enqueten, d. h. jene von
parlamentarischen Ausschüssen oder Regierungsbehörden und gelehrten
Gesellschaften neuerdings vielfach ausgeführten einmaligen Unter-
suchungen und Beschreibungen, die hauptsächlich auf volkswirtschaft-
liche, für die Gesetzgebung vorzubereitende Gegenstände sich beziehen.
Die betreffenden, zur Untersuchung amtlich eingesetzten oder frei-
willig zusammengetretenen Personen entwerfen zunächst einen Arbeits-
plan, stellen fest, was statistisch erhoben werden soll, ergänzen dann
aber das statistische Material durch schriftliche oder mündliche Be-
fragung einer möglichst großen Zahl sachverständiger Personen. Be-
sonders die mündliche Befragung unter einem gesetzlichen Zeugnis-
zwange und unter Anwendung eines Kreuzverhörs zwischen den ver-
schiedenen befragten Interessenten und unter Berechtigung jedes Mit-
gliedes der Kommission, Fragen zu stellen, hat zu sehr brauchbaren
und wahrheitsgetreuen Ergebnissen geführt; man hat häufig die ge-
samten Protokolle der Vernehmungen neben einem zusammenfassenden
Berichte der Kommission veröffentlicht. Näher ist hierauf hier nicht
einzugehen, die Enqueten waren nur zu erwähnen als ein wichtiges
Mittel, als eine besondere Art des Verfahrens, ein großes Tatsachen-
material planmäßig und wahrheitsgetreu festzustellen. Wenn einzelne
Gelehrte ihre Untersuchungen Enqueten nennen, so wollen sie damit
nur besagen, daß sie in ähnlich umfassender Weise wie Enquetenkom-
missionen Fragebogen ausgesandt und Erkundigungen angestellt haben.

litäten, die jenseits dieser Grenze liegen, also vor allem die wichtigsten
sittlichen und geistigen Vorkommnisse, sind ihr unerreichbar, soweit
sie sich nicht in zählbaren Ereignissen, wie in Selbstmorden oder Stra-
fen darstellen. Von den zählbaren Dingen können wir häufig das
eigentlich Interessante nicht erfahren, weil die Fragestellungen zu kom-
pliziert, die Antworten zu falsch werden, zu schwierig summierbar
sind. Wir zählen, wie viele Milchkühe vorhanden sind, aber nicht wie
schwer sie sind, wie viel Milch sie geben; wir erfahren, wie viel Be-
triebe mit wie viel Arbeitern existieren, die Erhebung ihrer Ma-
schinen, ihres Kapitals, ihrer Jahresproduktion ist nicht in brauch-
barer Weise geglückt. Lexis führt aus, daß da, wo wir die Ursachen
einfach typisch sich wiederholender Vorgänge bereits kennen, die sta-
tistische Untersuchung überflüssig sei oder höchstens als Berichtigungs-
verfahren wirke, und daß sie d[a], wo es sich um historisch individua-
lisierte Massenerscheinungen handle, als Hilfswissenschaft in dem Maße
zurücktrete, als die Erscheinungen individueller werden. Bleibt zwi-
schen diesen zwei Gruppen ein großes und wichtiges Gebiet für die
Statistik, soweit sie durchführbar ist, die komplizierten Ursachen und
Ursachenkomplexe deckt sie nie direkt auf, sie erlaubt nur dem Sachken-
ner, durch den Vergleich der Zahlen die Zusammenhänge zu vermuten.

Verwandt mit der Statistik sind die sog. Enqueten, d. h. jene von
parlamentarischen Ausschüssen oder Regierungsbehörden und gelehrten
Gesellschaften neuerdings vielfach ausgeführten einmaligen Unter-
suchungen und Beschreibungen, die hauptsächlich auf volkswirtschaft-
liche, für die Gesetzgebung vorzubereitende Gegenstände sich beziehen.
Die betreffenden, zur Untersuchung amtlich eingesetzten oder frei-
willig zusammengetretenen Personen entwerfen zunächst einen Arbeits-
plan, stellen fest, was statistisch erhoben werden soll, ergänzen dann
aber das statistische Material durch schriftliche oder mündliche Be-
fragung einer möglichst großen Zahl sachverständiger Personen. Be-
sonders die mündliche Befragung unter einem gesetzlichen Zeugnis-
zwange und unter Anwendung eines Kreuzverhörs zwischen den ver-
schiedenen befragten Interessenten und unter Berechtigung jedes Mit-
gliedes der Kommission, Fragen zu stellen, hat zu sehr brauchbaren
und wahrheitsgetreuen Ergebnissen geführt; man hat häufig die ge-
samten Protokolle der Vernehmungen neben einem zusammenfassenden
Berichte der Kommission veröffentlicht. Näher ist hierauf hier nicht
einzugehen, die Enqueten waren nur zu erwähnen als ein wichtiges
Mittel, als eine besondere Art des Verfahrens, ein großes Tatsachen-
material planmäßig und wahrheitsgetreu festzustellen. Wenn einzelne
Gelehrte ihre Untersuchungen Enqueten nennen, so wollen sie damit
nur besagen, daß sie in ähnlich umfassender Weise wie Enquetenkom-
missionen Fragebogen ausgesandt und Erkundigungen angestellt haben.

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[38/0042] litäten, die jenseits dieser Grenze liegen, also vor allem die wichtigsten sittlichen und geistigen Vorkommnisse, sind ihr unerreichbar, soweit sie sich nicht in zählbaren Ereignissen, wie in Selbstmorden oder Stra- fen darstellen. Von den zählbaren Dingen können wir häufig das eigentlich Interessante nicht erfahren, weil die Fragestellungen zu kom- pliziert, die Antworten zu falsch werden, zu schwierig summierbar sind. Wir zählen, wie viele Milchkühe vorhanden sind, aber nicht wie schwer sie sind, wie viel Milch sie geben; wir erfahren, wie viel Be- triebe mit wie viel Arbeitern existieren, die Erhebung ihrer Ma- schinen, ihres Kapitals, ihrer Jahresproduktion ist nicht in brauch- barer Weise geglückt. Lexis führt aus, daß da, wo wir die Ursachen einfach typisch sich wiederholender Vorgänge bereits kennen, die sta- tistische Untersuchung überflüssig sei oder höchstens als Berichtigungs- verfahren wirke, und daß sie da, wo es sich um historisch individua- lisierte Massenerscheinungen handle, als Hilfswissenschaft in dem Maße zurücktrete, als die Erscheinungen individueller werden. Bleibt zwi- schen diesen zwei Gruppen ein großes und wichtiges Gebiet für die Statistik, soweit sie durchführbar ist, die komplizierten Ursachen und Ursachenkomplexe deckt sie nie direkt auf, sie erlaubt nur dem Sachken- ner, durch den Vergleich der Zahlen die Zusammenhänge zu vermuten. Verwandt mit der Statistik sind die sog. Enqueten, d. h. jene von parlamentarischen Ausschüssen oder Regierungsbehörden und gelehrten Gesellschaften neuerdings vielfach ausgeführten einmaligen Unter- suchungen und Beschreibungen, die hauptsächlich auf volkswirtschaft- liche, für die Gesetzgebung vorzubereitende Gegenstände sich beziehen. Die betreffenden, zur Untersuchung amtlich eingesetzten oder frei- willig zusammengetretenen Personen entwerfen zunächst einen Arbeits- plan, stellen fest, was statistisch erhoben werden soll, ergänzen dann aber das statistische Material durch schriftliche oder mündliche Be- fragung einer möglichst großen Zahl sachverständiger Personen. Be- sonders die mündliche Befragung unter einem gesetzlichen Zeugnis- zwange und unter Anwendung eines Kreuzverhörs zwischen den ver- schiedenen befragten Interessenten und unter Berechtigung jedes Mit- gliedes der Kommission, Fragen zu stellen, hat zu sehr brauchbaren und wahrheitsgetreuen Ergebnissen geführt; man hat häufig die ge- samten Protokolle der Vernehmungen neben einem zusammenfassenden Berichte der Kommission veröffentlicht. Näher ist hierauf hier nicht einzugehen, die Enqueten waren nur zu erwähnen als ein wichtiges Mittel, als eine besondere Art des Verfahrens, ein großes Tatsachen- material planmäßig und wahrheitsgetreu festzustellen. Wenn einzelne Gelehrte ihre Untersuchungen Enqueten nennen, so wollen sie damit nur besagen, daß sie in ähnlich umfassender Weise wie Enquetenkom- missionen Fragebogen ausgesandt und Erkundigungen angestellt haben.

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Die Volkswirtschaft, die Volkswirtschaftslehre und ihre Methode. Frankfurt (Main), 1893, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_volkswirtschaftslehre_1893/42>, abgerufen am 21.11.2024.