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Schmoller, Gustav: Die Volkswirtschaft, die Volkswirtschaftslehre und ihre Methode. Frankfurt (Main), 1893.

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Mit den "Staats- und sozialwissenschaftlichen Forschungen" schafft
er sich ein Publikationsorgan für die besten Arbeiten seiner zahl-
reichen Schüler und anderer junger Gelehrten. Kaum ist er in die
Doch läßt sich aus dem Viel der Einzelerkenntnisse eine allgemeine
Preußische Akademie der Wissenschaften gewählt, so veranlaßt er diese
zur Herausgabe der "Acta Borussica", einer Edition und Bearbeitung
von Urkunden und Aktenstücken der preußischen Verwaltung und
Wirtschaft des 18. Jahrhunderts. Die "Schriften des Vereins für Sozial-
politik", deren Themen er bestimmend beeinflußt, liefern Untersuchun-
gen über Tatbestände der verschiedensten, gerade aktuellen Fragen
des Wirtschaftslebens; denn jede grundsätzliche Bevorzugung von hi-
storischem vor anderm Tatsachenmaterial liegt ihm fern. Und nicht
nur Schmoller und seine Schüler verrichten solche Arbeiten, an andern
Universitäten werden sie ebenfalls aufgenommen. Auf das Ausland
greift die Bewegung über. Auch hier entstehen volkswirtschaftliche
Werke historisch-realistischer Forschung von hohem Erkenntniswert.
So wird von allen Seiten her Material zusammengetragen. Neue Be-
reiche der Beobachtung werden der Nationalökonomie erschlossen. --
Doch läßt sich aus dem Viel der Einzelerkenntnisse eine allgemeine
Volkswirtschaftslehre gestalten? Schmoller wagt den Versuch. In 13
Jahre langer Arbeit schreibt er seinen "Grundriß der allgemeinen
Volkswirtschaftslehre", ein Werk in zwei umfangreichen eng gedruck-
ten Großoktavbänden. Zum ersten Mal wird ein Lehrgebäude auf der
Grundlage geschichtlicher Auffassung errichtet. Die Erfahrungen wei--
ter neuer Wissensgebiete werden der Volkswirtschaftslehre eingefügt.
Das Sozial- und Wirtschaftsleben in seiner ganzen Vielgestaltigkeit wird
erfaßt und in einer neuen Beleuchtung, die von einer universalen
Bildung höchsten Ausmaßes zeugt, dargestellt.

Das war sicherlich eine Tat. Aber bei aller Bewunderung, die man die-
ser Leistung zollen mußte, hat sie doch nur wenige voll befriedigt.
Daß sie von den Vertretern der reinen Theorie abgelehnt wurde, war
ohne weiteres zu begreifen. Aber auch diejenigen, die von Schmoller
eine nach der von ihm aufgestellten Methode entwickelte allgemeine
Volkswirtschaftslehre erwartet hatten, waren enttäuscht. Denn moch-
ten auch für die Theorie manche neue Sätze entwickelt werden, --
-- von einer wirklich historisch-volkswirtschaftlichen Theorie war der
Grundriß noch weit entfernt, ja es fragte sich, ob eine solche auf so
breiter Grundlage, wie sie von Schmoller gewählt, überhaupt zu gewin-
nen war.

Doch wäre es falsch, wollte man deshalb, weil diese Aufgabe nicht im
ersten Anlauf gelungen war, die von Schmoller empfohlene historische
Methode in Bausch und Bogen ablehnen. Arthur Spiethoff, der besten
einer unter Schmollers Schülern, hat in mehreren Aufsätzen dargelegt,

Mit den „Staats- und sozialwissenschaftlichen Forschungen“ schafft
er sich ein Publikationsorgan für die besten Arbeiten seiner zahl-
reichen Schüler und anderer junger Gelehrten. Kaum ist er in die
Doch läßt sich aus dem Viel der Einzelerkenntnisse eine allgemeine
Preußische Akademie der Wissenschaften gewählt, so veranlaßt er diese
zur Herausgabe der „Acta Borussica“, einer Edition und Bearbeitung
von Urkunden und Aktenstücken der preußischen Verwaltung und
Wirtschaft des 18. Jahrhunderts. Die „Schriften des Vereins für Sozial-
politik“, deren Themen er bestimmend beeinflußt, liefern Untersuchun-
gen über Tatbestände der verschiedensten, gerade aktuellen Fragen
des Wirtschaftslebens; denn jede grundsätzliche Bevorzugung von hi-
storischem vor anderm Tatsachenmaterial liegt ihm fern. Und nicht
nur Schmoller und seine Schüler verrichten solche Arbeiten, an andern
Universitäten werden sie ebenfalls aufgenommen. Auf das Ausland
greift die Bewegung über. Auch hier entstehen volkswirtschaftliche
Werke historisch-realistischer Forschung von hohem Erkenntniswert.
So wird von allen Seiten her Material zusammengetragen. Neue Be-
reiche der Beobachtung werden der Nationalökonomie erschlossen. —
Doch läßt sich aus dem Viel der Einzelerkenntnisse eine allgemeine
Volkswirtschaftslehre gestalten? Schmoller wagt den Versuch. In 13
Jahre langer Arbeit schreibt er seinen „Grundriß der allgemeinen
Volkswirtschaftslehre“, ein Werk in zwei umfangreichen eng gedruck-
ten Großoktavbänden. Zum ersten Mal wird ein Lehrgebäude auf der
Grundlage geschichtlicher Auffassung errichtet. Die Erfahrungen wei--
ter neuer Wissensgebiete werden der Volkswirtschaftslehre eingefügt.
Das Sozial- und Wirtschaftsleben in seiner ganzen Vielgestaltigkeit wird
erfaßt und in einer neuen Beleuchtung, die von einer universalen
Bildung höchsten Ausmaßes zeugt, dargestellt.

Das war sicherlich eine Tat. Aber bei aller Bewunderung, die man die-
ser Leistung zollen mußte, hat sie doch nur wenige voll befriedigt.
Daß sie von den Vertretern der reinen Theorie abgelehnt wurde, war
ohne weiteres zu begreifen. Aber auch diejenigen, die von Schmoller
eine nach der von ihm aufgestellten Methode entwickelte allgemeine
Volkswirtschaftslehre erwartet hatten, waren enttäuscht. Denn moch-
ten auch für die Theorie manche neue Sätze entwickelt werden, —
— von einer wirklich historisch-volkswirtschaftlichen Theorie war der
Grundriß noch weit entfernt, ja es fragte sich, ob eine solche auf so
breiter Grundlage, wie sie von Schmoller gewählt, überhaupt zu gewin-
nen war.

Doch wäre es falsch, wollte man deshalb, weil diese Aufgabe nicht im
ersten Anlauf gelungen war, die von Schmoller empfohlene historische
Methode in Bausch und Bogen ablehnen. Arthur Spiethoff, der besten
einer unter Schmollers Schülern, hat in mehreren Aufsätzen dargelegt,

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[7/0011] Mit den „Staats- und sozialwissenschaftlichen Forschungen“ schafft er sich ein Publikationsorgan für die besten Arbeiten seiner zahl- reichen Schüler und anderer junger Gelehrten. Kaum ist er in die Doch läßt sich aus dem Viel der Einzelerkenntnisse eine allgemeine Preußische Akademie der Wissenschaften gewählt, so veranlaßt er diese zur Herausgabe der „Acta Borussica“, einer Edition und Bearbeitung von Urkunden und Aktenstücken der preußischen Verwaltung und Wirtschaft des 18. Jahrhunderts. Die „Schriften des Vereins für Sozial- politik“, deren Themen er bestimmend beeinflußt, liefern Untersuchun- gen über Tatbestände der verschiedensten, gerade aktuellen Fragen des Wirtschaftslebens; denn jede grundsätzliche Bevorzugung von hi- storischem vor anderm Tatsachenmaterial liegt ihm fern. Und nicht nur Schmoller und seine Schüler verrichten solche Arbeiten, an andern Universitäten werden sie ebenfalls aufgenommen. Auf das Ausland greift die Bewegung über. Auch hier entstehen volkswirtschaftliche Werke historisch-realistischer Forschung von hohem Erkenntniswert. So wird von allen Seiten her Material zusammengetragen. Neue Be- reiche der Beobachtung werden der Nationalökonomie erschlossen. — Doch läßt sich aus dem Viel der Einzelerkenntnisse eine allgemeine Volkswirtschaftslehre gestalten? Schmoller wagt den Versuch. In 13 Jahre langer Arbeit schreibt er seinen „Grundriß der allgemeinen Volkswirtschaftslehre“, ein Werk in zwei umfangreichen eng gedruck- ten Großoktavbänden. Zum ersten Mal wird ein Lehrgebäude auf der Grundlage geschichtlicher Auffassung errichtet. Die Erfahrungen wei-- ter neuer Wissensgebiete werden der Volkswirtschaftslehre eingefügt. Das Sozial- und Wirtschaftsleben in seiner ganzen Vielgestaltigkeit wird erfaßt und in einer neuen Beleuchtung, die von einer universalen Bildung höchsten Ausmaßes zeugt, dargestellt. Das war sicherlich eine Tat. Aber bei aller Bewunderung, die man die- ser Leistung zollen mußte, hat sie doch nur wenige voll befriedigt. Daß sie von den Vertretern der reinen Theorie abgelehnt wurde, war ohne weiteres zu begreifen. Aber auch diejenigen, die von Schmoller eine nach der von ihm aufgestellten Methode entwickelte allgemeine Volkswirtschaftslehre erwartet hatten, waren enttäuscht. Denn moch- ten auch für die Theorie manche neue Sätze entwickelt werden, — — von einer wirklich historisch-volkswirtschaftlichen Theorie war der Grundriß noch weit entfernt, ja es fragte sich, ob eine solche auf so breiter Grundlage, wie sie von Schmoller gewählt, überhaupt zu gewin- nen war. Doch wäre es falsch, wollte man deshalb, weil diese Aufgabe nicht im ersten Anlauf gelungen war, die von Schmoller empfohlene historische Methode in Bausch und Bogen ablehnen. Arthur Spiethoff, der besten einer unter Schmollers Schülern, hat in mehreren Aufsätzen dargelegt,

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Die Volkswirtschaft, die Volkswirtschaftslehre und ihre Methode. Frankfurt (Main), 1893, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_volkswirtschaftslehre_1893/11>, abgerufen am 21.11.2024.