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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Schluß und Resultate.
der Leiter und Stifter die Mitgenossen nicht erzieht und
emporzieht, wenn diese nur den Vortheil der Genossen-
schaft ausnutzen, ohne selbst dadurch andere Menschen
zu werden. Jede Staatshülfe ist dann verwerflich, wenn
sie bloß äußerlich eingreift, wenn sie Leuten, die es nicht
verdienen, die dadurch innerlich nicht anders werden,
Geld und Kapital bietet. Sie ist dann berechtigt und
steht mit der ganzen Schulze'schen Bewegung vollständig
auf einer Linie, wenn sie die erziehende Thätigkeit, die
geistige Hebung voranstellt und erreicht. Sie ist dann
nothwendig, wenn der Voluntarismus nicht ausreicht
wie hier; wenn er, um recht zu wirken, einer über den
ganzen Staat sich erstreckenden festgegliederten Organi-
sation bedarf. Und das ist der Fall. In kleinern
Städten, in den abgelegenen Gegenden der Hausindustrie
fehlen die freiwilligen Kräfte, welche die großen Städte
bieten; eine festgegliederte allgemeine Organisation strebt
ja Schulze selbst an; wo eine solche aber einmal noth-
wendig ist, da wird für die Regel der Staat, d. h. die
organisirte Gesammtpersönlichkeit aller berufen sein, sie
in die Hand zu nehmen. So lange Schulze lebt und
seine Anwaltschaft so tüchtig wirkt, ist sie gewiß besser,
als jede Staatsthätigkeit. Später werden die Dinge
anders liegen. Jedenfalls ist für jetzt die lokale Thätig-
keit von unten herauf das wichtigere. Da gilt es nicht
Schulze zu verdrängen, sondern ihm nachzueifern und,
wo es an Organen dazu fehlt, sie zu schaffen.

Der erste Punkt ist die Schulfrage. Bei unserer
heutigen sonstigen Rechts- und Staatsverfassung sind alle
sozialen Gegensätze in erster Linie Bildungsgegensätze.

Schluß und Reſultate.
der Leiter und Stifter die Mitgenoſſen nicht erzieht und
emporzieht, wenn dieſe nur den Vortheil der Genoſſen-
ſchaft ausnutzen, ohne ſelbſt dadurch andere Menſchen
zu werden. Jede Staatshülfe iſt dann verwerflich, wenn
ſie bloß äußerlich eingreift, wenn ſie Leuten, die es nicht
verdienen, die dadurch innerlich nicht anders werden,
Geld und Kapital bietet. Sie iſt dann berechtigt und
ſteht mit der ganzen Schulze’ſchen Bewegung vollſtändig
auf einer Linie, wenn ſie die erziehende Thätigkeit, die
geiſtige Hebung voranſtellt und erreicht. Sie iſt dann
nothwendig, wenn der Voluntarismus nicht ausreicht
wie hier; wenn er, um recht zu wirken, einer über den
ganzen Staat ſich erſtreckenden feſtgegliederten Organi-
ſation bedarf. Und das iſt der Fall. In kleinern
Städten, in den abgelegenen Gegenden der Hausinduſtrie
fehlen die freiwilligen Kräfte, welche die großen Städte
bieten; eine feſtgegliederte allgemeine Organiſation ſtrebt
ja Schulze ſelbſt an; wo eine ſolche aber einmal noth-
wendig iſt, da wird für die Regel der Staat, d. h. die
organiſirte Geſammtperſönlichkeit aller berufen ſein, ſie
in die Hand zu nehmen. So lange Schulze lebt und
ſeine Anwaltſchaft ſo tüchtig wirkt, iſt ſie gewiß beſſer,
als jede Staatsthätigkeit. Später werden die Dinge
anders liegen. Jedenfalls iſt für jetzt die lokale Thätig-
keit von unten herauf das wichtigere. Da gilt es nicht
Schulze zu verdrängen, ſondern ihm nachzueifern und,
wo es an Organen dazu fehlt, ſie zu ſchaffen.

Der erſte Punkt iſt die Schulfrage. Bei unſerer
heutigen ſonſtigen Rechts- und Staatsverfaſſung ſind alle
ſozialen Gegenſätze in erſter Linie Bildungsgegenſätze.

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[696/0718] Schluß und Reſultate. der Leiter und Stifter die Mitgenoſſen nicht erzieht und emporzieht, wenn dieſe nur den Vortheil der Genoſſen- ſchaft ausnutzen, ohne ſelbſt dadurch andere Menſchen zu werden. Jede Staatshülfe iſt dann verwerflich, wenn ſie bloß äußerlich eingreift, wenn ſie Leuten, die es nicht verdienen, die dadurch innerlich nicht anders werden, Geld und Kapital bietet. Sie iſt dann berechtigt und ſteht mit der ganzen Schulze’ſchen Bewegung vollſtändig auf einer Linie, wenn ſie die erziehende Thätigkeit, die geiſtige Hebung voranſtellt und erreicht. Sie iſt dann nothwendig, wenn der Voluntarismus nicht ausreicht wie hier; wenn er, um recht zu wirken, einer über den ganzen Staat ſich erſtreckenden feſtgegliederten Organi- ſation bedarf. Und das iſt der Fall. In kleinern Städten, in den abgelegenen Gegenden der Hausinduſtrie fehlen die freiwilligen Kräfte, welche die großen Städte bieten; eine feſtgegliederte allgemeine Organiſation ſtrebt ja Schulze ſelbſt an; wo eine ſolche aber einmal noth- wendig iſt, da wird für die Regel der Staat, d. h. die organiſirte Geſammtperſönlichkeit aller berufen ſein, ſie in die Hand zu nehmen. So lange Schulze lebt und ſeine Anwaltſchaft ſo tüchtig wirkt, iſt ſie gewiß beſſer, als jede Staatsthätigkeit. Später werden die Dinge anders liegen. Jedenfalls iſt für jetzt die lokale Thätig- keit von unten herauf das wichtigere. Da gilt es nicht Schulze zu verdrängen, ſondern ihm nachzueifern und, wo es an Organen dazu fehlt, ſie zu ſchaffen. Der erſte Punkt iſt die Schulfrage. Bei unſerer heutigen ſonſtigen Rechts- und Staatsverfaſſung ſind alle ſozialen Gegenſätze in erſter Linie Bildungsgegenſätze.

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 696. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/718>, abgerufen am 24.11.2024.