das beweist nicht, daß nicht andere positive Bemühungen der verschiedensten Art der Ehefreiheit zur Seite zu treten haben, um das leichtsinnige überfrühe Heirathen zu erschweren, das Verantwortlichkeitsgefühl nach dieser Richtung wieder zu steigern.
In Bezug auf das gewerbliche Leben selbst nun ist zu scheiden zwischen den Geschäften, die einmal noth- wendig dem großen Fabrikbetrieb anheimfallen, und denen, welche dem Handwerk und der Hausindustrie bleiben.
Den ersteren Kreis der Gewerbsthätigkeit etwa künstlich auch den kleinen Geschäften erhalten zu wollen, wäre durchaus verwerflich. Da ist das Fabriksystem zu akzeptiren, aber so auszubilden, daß der Arbeiterstand seiner jetzigen meist elenden Lage entrissen wird. Die äußern Verhältnisse, in denen er hier lebt, sind so zu gestalten, daß sie nicht mehr nothwendig an sich zu psychologischen Ursachen von Inmoralität, von unglück- lichen Ehen und leichtsinniger Lebenshaltung werden. Die Mittel dazu sind mannigfach, ich habe sie hier nicht näher zu besprechen; es handelt sich um die Schul- und die technische Bildung, um Spar- und Krankenkassen, um die richtige Organisation von Arbeitseinstellungen, um die Wohnungsfrage, um die Bezahlung nach dem Stück, um die Hinzufügung von Prämien, um die Haftung der Unternehmer für Unglücksfälle, um die Betheiligung am Gewinn, um das System der Industrialpartnership, um das Genossenschaftswesen, die Konsumvereine, die Produktivassoziation. Nur eines möchte ich hier noch betonen: die Ausbildung einer klaren konsequenten spe- zialisirten Fabrikgesetzgebung und die Schaffung selbstän-
Die Reformen in Bezug auf das Fabrikſyſtem.
das beweiſt nicht, daß nicht andere poſitive Bemühungen der verſchiedenſten Art der Ehefreiheit zur Seite zu treten haben, um das leichtſinnige überfrühe Heirathen zu erſchweren, das Verantwortlichkeitsgefühl nach dieſer Richtung wieder zu ſteigern.
In Bezug auf das gewerbliche Leben ſelbſt nun iſt zu ſcheiden zwiſchen den Geſchäften, die einmal noth- wendig dem großen Fabrikbetrieb anheimfallen, und denen, welche dem Handwerk und der Hausinduſtrie bleiben.
Den erſteren Kreis der Gewerbsthätigkeit etwa künſtlich auch den kleinen Geſchäften erhalten zu wollen, wäre durchaus verwerflich. Da iſt das Fabrikſyſtem zu akzeptiren, aber ſo auszubilden, daß der Arbeiterſtand ſeiner jetzigen meiſt elenden Lage entriſſen wird. Die äußern Verhältniſſe, in denen er hier lebt, ſind ſo zu geſtalten, daß ſie nicht mehr nothwendig an ſich zu pſychologiſchen Urſachen von Inmoralität, von unglück- lichen Ehen und leichtſinniger Lebenshaltung werden. Die Mittel dazu ſind mannigfach, ich habe ſie hier nicht näher zu beſprechen; es handelt ſich um die Schul- und die techniſche Bildung, um Spar- und Krankenkaſſen, um die richtige Organiſation von Arbeitseinſtellungen, um die Wohnungsfrage, um die Bezahlung nach dem Stück, um die Hinzufügung von Prämien, um die Haftung der Unternehmer für Unglücksfälle, um die Betheiligung am Gewinn, um das Syſtem der Industrialpartnership, um das Genoſſenſchaftsweſen, die Konſumvereine, die Produktivaſſoziation. Nur eines möchte ich hier noch betonen: die Ausbildung einer klaren konſequenten ſpe- zialiſirten Fabrikgeſetzgebung und die Schaffung ſelbſtän-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0715"n="693"/><fwplace="top"type="header">Die Reformen in Bezug auf das Fabrikſyſtem.</fw><lb/>
das beweiſt nicht, daß nicht andere poſitive Bemühungen<lb/>
der verſchiedenſten Art der Ehefreiheit zur Seite zu<lb/>
treten haben, um das leichtſinnige überfrühe Heirathen<lb/>
zu erſchweren, das Verantwortlichkeitsgefühl nach dieſer<lb/>
Richtung wieder zu ſteigern.</p><lb/><p>In Bezug auf das gewerbliche Leben ſelbſt nun<lb/>
iſt zu ſcheiden zwiſchen den Geſchäften, die einmal noth-<lb/>
wendig dem großen Fabrikbetrieb anheimfallen, und denen,<lb/>
welche dem Handwerk und der Hausinduſtrie bleiben.</p><lb/><p>Den erſteren Kreis der Gewerbsthätigkeit etwa<lb/>
künſtlich auch den kleinen Geſchäften erhalten zu wollen,<lb/>
wäre durchaus verwerflich. Da iſt das Fabrikſyſtem zu<lb/>
akzeptiren, aber ſo auszubilden, daß der Arbeiterſtand<lb/>ſeiner jetzigen meiſt elenden Lage entriſſen wird. Die<lb/>
äußern Verhältniſſe, in denen er hier lebt, ſind ſo zu<lb/>
geſtalten, daß ſie nicht mehr nothwendig an ſich zu<lb/>
pſychologiſchen Urſachen von Inmoralität, von unglück-<lb/>
lichen Ehen und leichtſinniger Lebenshaltung werden. Die<lb/>
Mittel dazu ſind mannigfach, ich habe ſie hier nicht näher<lb/>
zu beſprechen; es handelt ſich um die Schul- und die<lb/>
techniſche Bildung, um Spar- und Krankenkaſſen, um<lb/>
die richtige Organiſation von Arbeitseinſtellungen, um<lb/>
die Wohnungsfrage, um die Bezahlung nach dem Stück,<lb/>
um die Hinzufügung von Prämien, um die Haftung<lb/>
der Unternehmer für Unglücksfälle, um die Betheiligung<lb/>
am Gewinn, um das Syſtem der <hirendition="#aq">Industrialpartnership,</hi><lb/>
um das Genoſſenſchaftsweſen, die Konſumvereine, die<lb/>
Produktivaſſoziation. Nur eines möchte ich hier noch<lb/>
betonen: die Ausbildung einer klaren konſequenten ſpe-<lb/>
zialiſirten Fabrikgeſetzgebung und die Schaffung ſelbſtän-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[693/0715]
Die Reformen in Bezug auf das Fabrikſyſtem.
das beweiſt nicht, daß nicht andere poſitive Bemühungen
der verſchiedenſten Art der Ehefreiheit zur Seite zu
treten haben, um das leichtſinnige überfrühe Heirathen
zu erſchweren, das Verantwortlichkeitsgefühl nach dieſer
Richtung wieder zu ſteigern.
In Bezug auf das gewerbliche Leben ſelbſt nun
iſt zu ſcheiden zwiſchen den Geſchäften, die einmal noth-
wendig dem großen Fabrikbetrieb anheimfallen, und denen,
welche dem Handwerk und der Hausinduſtrie bleiben.
Den erſteren Kreis der Gewerbsthätigkeit etwa
künſtlich auch den kleinen Geſchäften erhalten zu wollen,
wäre durchaus verwerflich. Da iſt das Fabrikſyſtem zu
akzeptiren, aber ſo auszubilden, daß der Arbeiterſtand
ſeiner jetzigen meiſt elenden Lage entriſſen wird. Die
äußern Verhältniſſe, in denen er hier lebt, ſind ſo zu
geſtalten, daß ſie nicht mehr nothwendig an ſich zu
pſychologiſchen Urſachen von Inmoralität, von unglück-
lichen Ehen und leichtſinniger Lebenshaltung werden. Die
Mittel dazu ſind mannigfach, ich habe ſie hier nicht näher
zu beſprechen; es handelt ſich um die Schul- und die
techniſche Bildung, um Spar- und Krankenkaſſen, um
die richtige Organiſation von Arbeitseinſtellungen, um
die Wohnungsfrage, um die Bezahlung nach dem Stück,
um die Hinzufügung von Prämien, um die Haftung
der Unternehmer für Unglücksfälle, um die Betheiligung
am Gewinn, um das Syſtem der Industrialpartnership,
um das Genoſſenſchaftsweſen, die Konſumvereine, die
Produktivaſſoziation. Nur eines möchte ich hier noch
betonen: die Ausbildung einer klaren konſequenten ſpe-
zialiſirten Fabrikgeſetzgebung und die Schaffung ſelbſtän-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 693. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/715>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.