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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Der neueste Stand der Posamentierindustrie.

Er fügt bei: "Nur die Klöppelmaschinen, worauf
Schnüre und Bänder zu Krinolinen fabrizirt werden,
gehören den Fabrikanten, die andern Stühle, auch die
Chenillestühle, gehören den Faktoren oder den Arbeitern
selbst. Der Fabrikant kauft vom Faktor und liefert ihm
die neuen Muster." Der Umschwung der Technik und
der Geschäftsorganisation zeigt sich aber doch darin, daß
von den einfachen Posamentierstühlen etwa nur die
Hälfte, die andern Stühle fast alle voll beschäftigt sind.

An die Bemerkungen über das Posamentiergewerbe
schließen sich endlich die über Strumpfwirkerei; sie ist
theilweise auch lokal mit jenem Gewerbe vereinigt.

Strumpfwaaren werden seit alter Zeit neben der
Handstrickerei auf dem hölzernen Strumpfwirkstuhl gefer-
tigt, welcher schon 1589 von dem Magister William
Lee zu Kambridge erfunden worden war und bis zur
Mitte dieses Jahrhunderts unverdrängt blieb. Ein
solcher Stuhl kostete in den zwanziger und dreißiger
Jahren kaum einige Thaler, war also auch dem ärm-
lichsten Handwerker erreichbar. Zahlreiche lokale Ge-
schäfte entwickelten sich schon im vorigen Jahrhundert,
neben der besonders in Sachsen und Thüringen blühen-
den Hausindustrie.

Die preußischen Strumpfwirkerstühle führte ich für
1816 und 1831 schon oben nach Provinzen an; wir
sahen, daß sie überall vorkamen. Die Gesammtsumme
der Stühle hatte 1816 - 2085, 1831 - 2110 betragen.
Auch die folgende Uebersicht nach Regierungsbezirken
zeigt für die spätere Zeit einen ähnlichen Charakter,

Der neueſte Stand der Poſamentierinduſtrie.

Er fügt bei: „Nur die Klöppelmaſchinen, worauf
Schnüre und Bänder zu Krinolinen fabrizirt werden,
gehören den Fabrikanten, die andern Stühle, auch die
Chenilleſtühle, gehören den Faktoren oder den Arbeitern
ſelbſt. Der Fabrikant kauft vom Faktor und liefert ihm
die neuen Muſter.“ Der Umſchwung der Technik und
der Geſchäftsorganiſation zeigt ſich aber doch darin, daß
von den einfachen Poſamentierſtühlen etwa nur die
Hälfte, die andern Stühle faſt alle voll beſchäftigt ſind.

An die Bemerkungen über das Poſamentiergewerbe
ſchließen ſich endlich die über Strumpfwirkerei; ſie iſt
theilweiſe auch lokal mit jenem Gewerbe vereinigt.

Strumpfwaaren werden ſeit alter Zeit neben der
Handſtrickerei auf dem hölzernen Strumpfwirkſtuhl gefer-
tigt, welcher ſchon 1589 von dem Magiſter William
Lee zu Kambridge erfunden worden war und bis zur
Mitte dieſes Jahrhunderts unverdrängt blieb. Ein
ſolcher Stuhl koſtete in den zwanziger und dreißiger
Jahren kaum einige Thaler, war alſo auch dem ärm-
lichſten Handwerker erreichbar. Zahlreiche lokale Ge-
ſchäfte entwickelten ſich ſchon im vorigen Jahrhundert,
neben der beſonders in Sachſen und Thüringen blühen-
den Hausinduſtrie.

Die preußiſchen Strumpfwirkerſtühle führte ich für
1816 und 1831 ſchon oben nach Provinzen an; wir
ſahen, daß ſie überall vorkamen. Die Geſammtſumme
der Stühle hatte 1816 ‒ 2085, 1831 ‒ 2110 betragen.
Auch die folgende Ueberſicht nach Regierungsbezirken
zeigt für die ſpätere Zeit einen ähnlichen Charakter,

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[603/0625] Der neueſte Stand der Poſamentierinduſtrie. Er fügt bei: „Nur die Klöppelmaſchinen, worauf Schnüre und Bänder zu Krinolinen fabrizirt werden, gehören den Fabrikanten, die andern Stühle, auch die Chenilleſtühle, gehören den Faktoren oder den Arbeitern ſelbſt. Der Fabrikant kauft vom Faktor und liefert ihm die neuen Muſter.“ Der Umſchwung der Technik und der Geſchäftsorganiſation zeigt ſich aber doch darin, daß von den einfachen Poſamentierſtühlen etwa nur die Hälfte, die andern Stühle faſt alle voll beſchäftigt ſind. An die Bemerkungen über das Poſamentiergewerbe ſchließen ſich endlich die über Strumpfwirkerei; ſie iſt theilweiſe auch lokal mit jenem Gewerbe vereinigt. Strumpfwaaren werden ſeit alter Zeit neben der Handſtrickerei auf dem hölzernen Strumpfwirkſtuhl gefer- tigt, welcher ſchon 1589 von dem Magiſter William Lee zu Kambridge erfunden worden war und bis zur Mitte dieſes Jahrhunderts unverdrängt blieb. Ein ſolcher Stuhl koſtete in den zwanziger und dreißiger Jahren kaum einige Thaler, war alſo auch dem ärm- lichſten Handwerker erreichbar. Zahlreiche lokale Ge- ſchäfte entwickelten ſich ſchon im vorigen Jahrhundert, neben der beſonders in Sachſen und Thüringen blühen- den Hausinduſtrie. Die preußiſchen Strumpfwirkerſtühle führte ich für 1816 und 1831 ſchon oben nach Provinzen an; wir ſahen, daß ſie überall vorkamen. Die Geſammtſumme der Stühle hatte 1816 ‒ 2085, 1831 ‒ 2110 betragen. Auch die folgende Ueberſicht nach Regierungsbezirken zeigt für die ſpätere Zeit einen ähnlichen Charakter,

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 603. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/625>, abgerufen am 22.11.2024.