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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die kleinen englischen Tuchmacher.
stellung roher Gewebe Sache des kleinen Tuchmachers
bleibt, das Scheeren und Appretiren sowie der Vertrieb
der Waare dem Fabrikanten bleibt.

Das ist die in England, besonders in Leeds und Um-
gegend noch heute allgemein übliche Geschäftsorgani-
sation. Baines erzählt 1859 von ihr:1 "Vor einigen
Jahren glaubte man, die großen Fabriken würden durch
die Macht des Kapitals, durch die Macht der Maschinen
und die Zeitersparniß das alte System der häuslichen
und ländlichen Manufaktur vollständig zerstören. Aber
sie haben das System nicht wesentlich alterirt. Der
Hauptgrund wurde schon erwähnt, er liegt in der Eigen-
thümlichkeit der Wollindustrie, dem Powerloom keinen
bedeutenden Vortheil über den Handstuhl zu geben.
Dennoch hätte die häusliche Manufaktur unterliegen
müssen, hätten nicht die Tuchmacher die Maschine für
diejenigen Prozesse zu Hülfe gerufen, in welchen sie eine
unzweifelhafte Ueberlegenheit über die Handarbeit hat,
d. h. für die Vorbereitung der Wolle und das Spinnen.
Sie vereinigten sich, Aktienfabriken zu errichten, wohin
jeder Theilhaber seine eigene Wolle bringt und sie rei-
nigen, färben, streichen und spinnen läßt; dann wird
Kette und Einschlag wieder in das eigene Haus oder
die eigene Werkstatt gebracht und auf dem Handstuhl
verwebt, oft durch die Mitglieder der Familie; das

1 Siehe Beschreibungen: Zollvereinsblatt 1844, S. 33
bis 36; Journal of the stastical Society 1859, S. 1 -- 34:
Baines on the woollen manufacture of England, speziell
S. 29 -- 30; Oestr. Ausstellungsbericht von 1867, Band IV,
S. 94.

Die kleinen engliſchen Tuchmacher.
ſtellung roher Gewebe Sache des kleinen Tuchmachers
bleibt, das Scheeren und Appretiren ſowie der Vertrieb
der Waare dem Fabrikanten bleibt.

Das iſt die in England, beſonders in Leeds und Um-
gegend noch heute allgemein übliche Geſchäftsorgani-
ſation. Baines erzählt 1859 von ihr:1 „Vor einigen
Jahren glaubte man, die großen Fabriken würden durch
die Macht des Kapitals, durch die Macht der Maſchinen
und die Zeiterſparniß das alte Syſtem der häuslichen
und ländlichen Manufaktur vollſtändig zerſtören. Aber
ſie haben das Syſtem nicht weſentlich alterirt. Der
Hauptgrund wurde ſchon erwähnt, er liegt in der Eigen-
thümlichkeit der Wollinduſtrie, dem Powerloom keinen
bedeutenden Vortheil über den Handſtuhl zu geben.
Dennoch hätte die häusliche Manufaktur unterliegen
müſſen, hätten nicht die Tuchmacher die Maſchine für
diejenigen Prozeſſe zu Hülfe gerufen, in welchen ſie eine
unzweifelhafte Ueberlegenheit über die Handarbeit hat,
d. h. für die Vorbereitung der Wolle und das Spinnen.
Sie vereinigten ſich, Aktienfabriken zu errichten, wohin
jeder Theilhaber ſeine eigene Wolle bringt und ſie rei-
nigen, färben, ſtreichen und ſpinnen läßt; dann wird
Kette und Einſchlag wieder in das eigene Haus oder
die eigene Werkſtatt gebracht und auf dem Handſtuhl
verwebt, oft durch die Mitglieder der Familie; das

1 Siehe Beſchreibungen: Zollvereinsblatt 1844, S. 33
bis 36; Journal of the stastical Society 1859, S. 1 — 34:
Baines on the woollen manufacture of England, ſpeziell
S. 29 — 30; Oeſtr. Ausſtellungsbericht von 1867, Band IV,
S. 94.
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[583/0605] Die kleinen engliſchen Tuchmacher. ſtellung roher Gewebe Sache des kleinen Tuchmachers bleibt, das Scheeren und Appretiren ſowie der Vertrieb der Waare dem Fabrikanten bleibt. Das iſt die in England, beſonders in Leeds und Um- gegend noch heute allgemein übliche Geſchäftsorgani- ſation. Baines erzählt 1859 von ihr: 1 „Vor einigen Jahren glaubte man, die großen Fabriken würden durch die Macht des Kapitals, durch die Macht der Maſchinen und die Zeiterſparniß das alte Syſtem der häuslichen und ländlichen Manufaktur vollſtändig zerſtören. Aber ſie haben das Syſtem nicht weſentlich alterirt. Der Hauptgrund wurde ſchon erwähnt, er liegt in der Eigen- thümlichkeit der Wollinduſtrie, dem Powerloom keinen bedeutenden Vortheil über den Handſtuhl zu geben. Dennoch hätte die häusliche Manufaktur unterliegen müſſen, hätten nicht die Tuchmacher die Maſchine für diejenigen Prozeſſe zu Hülfe gerufen, in welchen ſie eine unzweifelhafte Ueberlegenheit über die Handarbeit hat, d. h. für die Vorbereitung der Wolle und das Spinnen. Sie vereinigten ſich, Aktienfabriken zu errichten, wohin jeder Theilhaber ſeine eigene Wolle bringt und ſie rei- nigen, färben, ſtreichen und ſpinnen läßt; dann wird Kette und Einſchlag wieder in das eigene Haus oder die eigene Werkſtatt gebracht und auf dem Handſtuhl verwebt, oft durch die Mitglieder der Familie; das 1 Siehe Beſchreibungen: Zollvereinsblatt 1844, S. 33 bis 36; Journal of the stastical Society 1859, S. 1 — 34: Baines on the woollen manufacture of England, ſpeziell S. 29 — 30; Oeſtr. Ausſtellungsbericht von 1867, Band IV, S. 94.

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 583. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/605>, abgerufen am 22.11.2024.