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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
anderes. Da deutet eine bedeutende Zahl Wollweb-
meister, welche sub. II. A. Rubrik 57 -- 58 der amt-
lichen Tabellen aufgeführt sind, auf lokale Geschäfte
oder Hausindustrie. Von Bedeutung sind solche außer-
halb der Fabriken arbeitende Wollwebmeister aber auch
nur in Sachsen und Thüringen; da ist also 1861 auch
die Wollweberei noch vielfach Hausindustrie.

Im Ganzen ist aber in der Wollweberei die Haus-
industrie mehr verdrängt, als in irgend einer andern
Spezialität der Weberei. Die Anfertigung von Kamm-
garnartikeln ist überdieß ziemlich jung im Zollverein,
die zu liefernden Artikel erfordern einen hohen Grad
von technischer Vollendung, das englische Vorbild zeigte
fast nur ganz große Geschäfte.1 Die Maschinenstühle
des Zollvereins sind in dieser Branche auch schon zahl-
reicher (3655, davon 1391 auf Sachsen) als in der
Tuchfabrikation (2592, davon nur 506 auf Sachsen).

In der Tuchweberei wurde die Aufstellung der Web-
stühle in den geschlossenen Etablissements selbst auch
schon frühe üblich. Viele große heute wohlhabende Tuch-
fabrikanten2 haben sich vom kleinen Meister selbst herauf-

1 In der Kammwollindustrie (worsted-Artikel) liegt der
Schwerpunkt der englischen Wollwaarenfabrikation; in ihr hat
auch der Maschinenstuhl und das Fabriksystem seit 1836 -- 40
vollständig gesiegt; die Ausfuhr dieser Artikel hat außerordentlich
zugenommen in England, ungefähr in eben dem Maße, als die
Ausfuhr von Tüchern zurückging; vergl. Ausstellungsbericht von
1851 II, S. 54 -- 67.
2 Von Sachsen sagt die Zeitschrift des stat. Bureaus 1860
S. 135: "Die Inhaber fast aller großen Tuchfabriken sind
ursprünglich Tuchmachermeister und Innungsmitglieder."

Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
anderes. Da deutet eine bedeutende Zahl Wollweb-
meiſter, welche sub. II. A. Rubrik 57 — 58 der amt-
lichen Tabellen aufgeführt ſind, auf lokale Geſchäfte
oder Hausinduſtrie. Von Bedeutung ſind ſolche außer-
halb der Fabriken arbeitende Wollwebmeiſter aber auch
nur in Sachſen und Thüringen; da iſt alſo 1861 auch
die Wollweberei noch vielfach Hausinduſtrie.

Im Ganzen iſt aber in der Wollweberei die Haus-
induſtrie mehr verdrängt, als in irgend einer andern
Spezialität der Weberei. Die Anfertigung von Kamm-
garnartikeln iſt überdieß ziemlich jung im Zollverein,
die zu liefernden Artikel erfordern einen hohen Grad
von techniſcher Vollendung, das engliſche Vorbild zeigte
faſt nur ganz große Geſchäfte.1 Die Maſchinenſtühle
des Zollvereins ſind in dieſer Branche auch ſchon zahl-
reicher (3655, davon 1391 auf Sachſen) als in der
Tuchfabrikation (2592, davon nur 506 auf Sachſen).

In der Tuchweberei wurde die Aufſtellung der Web-
ſtühle in den geſchloſſenen Etabliſſements ſelbſt auch
ſchon frühe üblich. Viele große heute wohlhabende Tuch-
fabrikanten2 haben ſich vom kleinen Meiſter ſelbſt herauf-

1 In der Kammwollinduſtrie (worsted-Artikel) liegt der
Schwerpunkt der engliſchen Wollwaarenfabrikation; in ihr hat
auch der Maſchinenſtuhl und das Fabrikſyſtem ſeit 1836 — 40
vollſtändig geſiegt; die Ausfuhr dieſer Artikel hat außerordentlich
zugenommen in England, ungefähr in eben dem Maße, als die
Ausfuhr von Tüchern zurückging; vergl. Ausſtellungsbericht von
1851 II, S. 54 — 67.
2 Von Sachſen ſagt die Zeitſchrift des ſtat. Bureaus 1860
S. 135: „Die Inhaber faſt aller großen Tuchfabriken ſind
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[580/0602] Die Umbildung einzelner Gewerbszweige. anderes. Da deutet eine bedeutende Zahl Wollweb- meiſter, welche sub. II. A. Rubrik 57 — 58 der amt- lichen Tabellen aufgeführt ſind, auf lokale Geſchäfte oder Hausinduſtrie. Von Bedeutung ſind ſolche außer- halb der Fabriken arbeitende Wollwebmeiſter aber auch nur in Sachſen und Thüringen; da iſt alſo 1861 auch die Wollweberei noch vielfach Hausinduſtrie. Im Ganzen iſt aber in der Wollweberei die Haus- induſtrie mehr verdrängt, als in irgend einer andern Spezialität der Weberei. Die Anfertigung von Kamm- garnartikeln iſt überdieß ziemlich jung im Zollverein, die zu liefernden Artikel erfordern einen hohen Grad von techniſcher Vollendung, das engliſche Vorbild zeigte faſt nur ganz große Geſchäfte. 1 Die Maſchinenſtühle des Zollvereins ſind in dieſer Branche auch ſchon zahl- reicher (3655, davon 1391 auf Sachſen) als in der Tuchfabrikation (2592, davon nur 506 auf Sachſen). In der Tuchweberei wurde die Aufſtellung der Web- ſtühle in den geſchloſſenen Etabliſſements ſelbſt auch ſchon frühe üblich. Viele große heute wohlhabende Tuch- fabrikanten 2 haben ſich vom kleinen Meiſter ſelbſt herauf- 1 In der Kammwollinduſtrie (worsted-Artikel) liegt der Schwerpunkt der engliſchen Wollwaarenfabrikation; in ihr hat auch der Maſchinenſtuhl und das Fabrikſyſtem ſeit 1836 — 40 vollſtändig geſiegt; die Ausfuhr dieſer Artikel hat außerordentlich zugenommen in England, ungefähr in eben dem Maße, als die Ausfuhr von Tüchern zurückging; vergl. Ausſtellungsbericht von 1851 II, S. 54 — 67. 2 Von Sachſen ſagt die Zeitſchrift des ſtat. Bureaus 1860 S. 135: „Die Inhaber faſt aller großen Tuchfabriken ſind urſprünglich Tuchmachermeiſter und Innungsmitglieder.“

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 580. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/602>, abgerufen am 22.11.2024.