leute der dortigen Gegenden großer Unterlassungs- sünden zeihen.
Abgesehen aber hiervon sind die maßlosen Vor- würfe, mit welchen man die Kaufleute überhäufte, sie nutzten die Noth der Weber aus, meistentheils über- trieben; es geschah lokal und individuell; aber im Ganzen handelten sie nicht anders, als die heutigen Unternehmer in der Regel handeln; die einzelnen als solche waren nicht schlimmer, als andere Geschäftsleute. Sie drückten möglichst die Preise, weil sie selbst kaum bestehen konnten. Sie suchten, ohne aus dem alten Geleise des bisherigen Geschäftsganges herauszukommen, ohne die Mühe und die Gefahr auf sich zu laden, neue Methoden und Maschinen einzuführen, noch möglichst zu bestehen, noch möglichst Gewinne zu machen, und das ging nicht anders, als durch möglichste Herabdrückung des Lohnes; es gelang immer, weil das Angebot von Arbeitern zu groß war.
Härter als über die Kaufleute, wird sich auch die gerechteste Beurtheilung über die Faktoren, Mäkler, Kommissionäre aussprechen müssen, welche sich mit der steigenden Noth mehr und mehr zwischen Weber und Kaufmann einschoben, obwohl auch dieses Verhältniß nicht nothwendig, nicht an sich schlimm ist, unter Um- ständen heilsam und unentbehrlich sein kann und einzelne achtbare Persönlichkeiten in sich bergen mag. Speziell hier aber gaben und konnten sich nur harte ungebildete Menschen mit diesem Geschäft abgeben; die Verhältnisse waren wie zu Mißbrauch und Betrug einladend; es wurde ein ähnliches Verhältniß, wie das des Middleman,
Schilderung der ſchleſiſchen Nothſtände.
leute der dortigen Gegenden großer Unterlaſſungs- ſünden zeihen.
Abgeſehen aber hiervon ſind die maßloſen Vor- würfe, mit welchen man die Kaufleute überhäufte, ſie nutzten die Noth der Weber aus, meiſtentheils über- trieben; es geſchah lokal und individuell; aber im Ganzen handelten ſie nicht anders, als die heutigen Unternehmer in der Regel handeln; die einzelnen als ſolche waren nicht ſchlimmer, als andere Geſchäftsleute. Sie drückten möglichſt die Preiſe, weil ſie ſelbſt kaum beſtehen konnten. Sie ſuchten, ohne aus dem alten Geleiſe des bisherigen Geſchäftsganges herauszukommen, ohne die Mühe und die Gefahr auf ſich zu laden, neue Methoden und Maſchinen einzuführen, noch möglichſt zu beſtehen, noch möglichſt Gewinne zu machen, und das ging nicht anders, als durch möglichſte Herabdrückung des Lohnes; es gelang immer, weil das Angebot von Arbeitern zu groß war.
Härter als über die Kaufleute, wird ſich auch die gerechteſte Beurtheilung über die Faktoren, Mäkler, Kommiſſionäre ausſprechen müſſen, welche ſich mit der ſteigenden Noth mehr und mehr zwiſchen Weber und Kaufmann einſchoben, obwohl auch dieſes Verhältniß nicht nothwendig, nicht an ſich ſchlimm iſt, unter Um- ſtänden heilſam und unentbehrlich ſein kann und einzelne achtbare Perſönlichkeiten in ſich bergen mag. Speziell hier aber gaben und konnten ſich nur harte ungebildete Menſchen mit dieſem Geſchäft abgeben; die Verhältniſſe waren wie zu Mißbrauch und Betrug einladend; es wurde ein ähnliches Verhältniß, wie das des Middleman,
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Schilderung der ſchleſiſchen Nothſtände.
leute der dortigen Gegenden großer Unterlaſſungs-
ſünden zeihen.
Abgeſehen aber hiervon ſind die maßloſen Vor-
würfe, mit welchen man die Kaufleute überhäufte, ſie
nutzten die Noth der Weber aus, meiſtentheils über-
trieben; es geſchah lokal und individuell; aber im
Ganzen handelten ſie nicht anders, als die heutigen
Unternehmer in der Regel handeln; die einzelnen als
ſolche waren nicht ſchlimmer, als andere Geſchäftsleute.
Sie drückten möglichſt die Preiſe, weil ſie ſelbſt kaum
beſtehen konnten. Sie ſuchten, ohne aus dem alten
Geleiſe des bisherigen Geſchäftsganges herauszukommen,
ohne die Mühe und die Gefahr auf ſich zu laden, neue
Methoden und Maſchinen einzuführen, noch möglichſt zu
beſtehen, noch möglichſt Gewinne zu machen, und das
ging nicht anders, als durch möglichſte Herabdrückung
des Lohnes; es gelang immer, weil das Angebot von
Arbeitern zu groß war.
Härter als über die Kaufleute, wird ſich auch die
gerechteſte Beurtheilung über die Faktoren, Mäkler,
Kommiſſionäre ausſprechen müſſen, welche ſich mit der
ſteigenden Noth mehr und mehr zwiſchen Weber und
Kaufmann einſchoben, obwohl auch dieſes Verhältniß
nicht nothwendig, nicht an ſich ſchlimm iſt, unter Um-
ſtänden heilſam und unentbehrlich ſein kann und einzelne
achtbare Perſönlichkeiten in ſich bergen mag. Speziell
hier aber gaben und konnten ſich nur harte ungebildete
Menſchen mit dieſem Geſchäft abgeben; die Verhältniſſe
waren wie zu Mißbrauch und Betrug einladend; es
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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 553. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/575>, abgerufen am 22.11.2024.
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